Layla M.: Mijke de Jongs Film schildert sachlich und fundiert, warum eine junge Frau in den Krieg zieht.

Stuttgart - Teenager sind komplizierte, leidenschaftliche Wesen. So auch Layla (Nora El Koussour), eine 18-jährige Abiturientin aus Amsterdam. Oberflächlich wirkt Laylas Leben harmonisch und geordnet. Die gesamte Familie teilt die Liebe zum Fussball, der Vater trainiert sogar eine Mannschaft. Doch Layla fühlt sich oft missverstanden, sie rebelliert gegen ihre Eltern, die aus Marokko stammen. Obwohl sie längst Wurzeln geschlagen haben in der zweiten Heimat, sieht Layla täglich Anzeichen, dass sie nicht als vollwertige Bürger akzeptiert werden. Dass sich die assimilierten Eltern aber nicht gegen Diskriminierungen wehren und darüber hinaus ihren Glauben liberal und bloß sporadisch praktizieren, ärgert Layla. Sie beginnt den Koran zu lesen und trifft sich mit anderen jungen Muslimen, die Demos gegen den Rechtspopulisten Geert Wilders und das Schleierverbot organisieren. In der Gruppe lernt Layla auch Abdel (Ilias Addab) kennen, der ihr mit seinem Gerechtigkeitssinn imponiert.

 

In „Layla M.“ macht die niederländische Filmemacherin Mijke de Jong den schleichenden Radikalisierungsprozess einer jungen Muslimin sichtbar und versucht Antworten zu finden, warum sich Jugendliche extremistischen Organisationen wie dem IS anschließen. Der Film bietet allerdings keine griffigen Thesen an, sondern beobachtet die charismatische Protagonistin unvoreingenommen und sachlich.

Zornig, kämpferisch und idealistisch

In de Jongs Darstellung erinnert Layla an andere zornige, kämpferische und idealistische Jugendliche, die etwa 1968 gegen das Erbe des Faschismus und den Vietnamkrieg protestierten oder die sich in den achtziger Jahren in der AKW-Bewegung stark machten. Wie für viele damalige Aktivisten ist es auch für Layla nur ein kleiner Schritt von militanter Aufmüpfigkeit zum organisierten Terrorismus. Layla und deren Schwarm Abdel zeichnet der Film jedoch nicht als überzeugte Extremisten, sondern als trotzige, verblendete Kinder, die den Ernst der Lage nicht richtig einschätzen. Erst als die beiden heimlich heiraten und nach Jordanien durchbrennen, wird Layla die Tragweite ihrer Entscheidung allmählich bewusst.

In Amman, nahe der syrischen Grenze, erlebt sie zum ersten Mal die Schattenseiten der strengen Koran-Auslegung und die konkreten Auswirkungen extremistischer Gewalt. De Jongs Beschreibung dieses Werdegangs ist psychologisch fundiert und nachvollziehbar. Dass der Film keine Lösungen präsentiert, ist der Komplexität des Themas geschuldet. Zurück bleibt Ratlosigkeit, wie man dem Phänomen des Terrorismus, ganz gleich in welcher Form, die Stirn bieten soll.

Layla M. Belgien, Niederlande, Deutschland, Jordanien 2016. Regie: Mijke de Jong. Mit Nora El Koussour, Ilias Addab, Mohammed Azaay. 98 Minuten. Ab 12 Jahren. In Stuttgart im Kino Atelier.