Das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart spielt mit dem Harfenisten Xavier de Maistre im Beethovensaal. Am Pult: Dirigent Hugh Wolff.

Stuttgart - Zu Beginn des Jahres 1807 komponiert Beethoven die Ouvertüre zu Heinrich von Collins Trauerspiel „Coriolan“. Er hat keinen Auftrag dazu. Doch der Feuerkopf, dessen größter Traum der Oper gilt, hofft, sieben Jahre nach der Uraufführung seiner Ouvertüre zum Ballett „Die Geschöpfe des Prometheus“ am Wiener Hofburgtheater wieder an das Haus zurückzukehren. Der Plan scheitert, aber grandios: Mit „Coriolan“ gelingt Beethoven der Prototyp der konzertanten Programmouvertüre und (so Goethe) eine Musik von schlagfertiger Bestimmtheit.

 

Das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart eröffnete nun mit diesem so wunderbar raspeligen, knorrigen Opus sein Konzert im Beethovensaal. Am Pult stand Hugh Wolff. Er hatte den Dirigentenstab kurzfristig für den erkrankten Constantinos Carydis übernommen. Wolff, der es versteht, sich auf dem mittlerweile fast zu glatt geputzten Parkett der historischen Aufführungspraxis genauso virtuos zu bewegen wie im Dickicht der zeitgenössischen Musik; Wolff also zeigte Kante bei der Coriolan-Ouvertüre, fügte mit ruhiger bestimmender Hand zusammen, was vordergründig betrachtet unvereinbar aufeinander- prallt. Dass er die Hornpartien von Naturhörnern spielen ließ, war gut für die dunkle Grundierung, die Beethoven intendiert hat.

Saftig-knackig gespielte Ohrenputzer

Nach dem saftig-knackig gespielten Ohrenputzer ging es danach erst einmal sanfter weiter. Mit Debussys Danses für Harfe und Streichorchester stand ein Werk auf dem Plan, das es nicht gäbe ohne den Wettstreit der Harfenbauer Pleyel und Erard. Die Geschichte ist so hübsch wie verwickelt, eigentlich fast interessanter als Debussys Versuch, für die Harfe zu schreiben. Doch aus dem zarten Gewölk lässt sich einiges machen, allerdings nur von Meistern.

Aus dieser Riege war mit Xavier de Maistre einer der Ersten zu Gast. Sage nach seiner Interpretation nur keiner mehr, Debussy habe die Danses" nicht doch polyphon gedacht, habe nicht akribisch Klangfarbe über Klangfarbe geschichtet, habe keinen Wert auf ausgefeilte Phrasierung gelegt. Xavier de Maistre hat den glänzenden Gegenbeweis geliefert.

Henriette Renié

Dennoch, originäre Musik für Harfe ist aus anderem Stoff gemacht, aus solchem wie ihn Henriette Renié zu wirken verstand. Sie war die Harfenistin ihrer Zeit und wusste überdies blendend für ihr Instrument zu komponieren. Ihr Harfenkonzert in c-Moll, uraufgeführt 1901, verlangt wenigstens stupende Fingerfertigkeit. Worin das Mehr besteht, nämlich in der perfekten Balance der melodischen Linie, in der Kunst des Belcanto auf der Harfe – man wird es wohl nur von einem Musiker wie Xavier de Maistre so schön zu hören bekommen. Hugh Wolff und das RSO standen ihm kongenial zur Seite stehen. Stürmischer, ja rasender Applaus, den de Maistre mit dem launigen Carnaval de Venise von Felix Godefroid quittierte.

Das RSO in großer Besetzung und Hugh Wolff glänzten abermals und zum phänomenalen Schluss mit der Tondichtung „Also sprach Zarathustra“" von Richard Strauss. Kein plüschig-pathetisches Gesums gab es, auch keinen inhaltsleeren Schönklang. Wie hat doch Strauss selbst gesagt? „Meine sinfonischen Dichtungen sind nur die Vorbereitung zur Salome" gewesen.“ Hugh Wolff hat Strauss beim Wort genommen und kompromisslos das rhetorisch Zerklüftete herausgearbeitet. Bravo!