Händler, Gastronomen und Handwerker in Fellbach halten einen Radschnellweg an der Stuttgarter Straße für besonders unfallträchtig. Befürchtet wird auch der Wegfall von vielen Parkplätzen.

Fellbach - Sie hat von ihrem Friseursalon den Blick auf die belebte Kreuzung von Stuttgarter Straße und Esslinger Straße. Auch an diesem Vormittag ist trotz Sommerferien entlang des Straßenabschnitts viel los: Schwere Laster rollen auf der Verkehrsachse, auf dem Radweg sind einige E-Biker unterwegs, Autos parken auf den Stellplätzen am Rand ein oder biegen ab auf den Rewe-Parkplatz. Auch zahlreiche Passanten steuern mit ihren Einkaufstaschen den Vollsortimenter oder den Drogeriemarkt an.

 

Schon jetzt geht es auf der Verkehrsachse chaotisch zu

Ignazia Scoma kennt das. Seit 15 Jahren hat die Friseurmeisterin ihr Geschäft „Schauhair“ an der Stuttgarter Straße 53. Davor war sie fünf Jahre gegenüber im Centrum 30 ansässig. „Ich kenne den Standort sehr gut“, sagt die Fellbacher Geschäftsfrau und zeigt durch ihr Schaufenster nach draußen. „Hier muss ich auch besonders aufpassen, wenn ich aus der Tiefgarage fahre“, sagt sie. „Plötzlich sind Radler da beim Rausfahren, selbst wenn ich im Schneckentempo herauskrieche, muss ich sehr Acht geben, dass nichts passiert“, erzählt sie. Auf der Stuttgarter Straße sei schon jetzt „reinstes Chaos.“ Besonders chaotisch gehe es auf der Verkehrsachse zu, wenn im Kappelbergtunnel ein Unfall oder eine Sperrung etwa wegen Reinigung sei. „Dann wälzt sich hier der ganze Verkehr durch – und dann sollen dazu noch Radler kommen, die schnell von A nach B wollen? In erster Linie ist es zu gefährlich hier“, sagt Ignazia Scoma. Klar nutzen die Parkplätze auch ihre Kunden, aber das Gefahrenpotenzial sei aus ihrer Sicht noch schwerwiegender.

Umbauarbeiten zu der Trasse wären eine zusätzliche Belastung

Ähnlich äußert sich eine andere Gewerbetreibende in der Stuttgarter Straße. Schon jetzt gebe es immer wieder Konflikte oder unfallträchtige Situationen mit Autofahrern und Radlern, die jedoch deutlich langsamer unterwegs sind als auf einem geplanten Schnellweg. Für die Handelsstruktur an der Straße seien auch die Umbauarbeiten zur Trasse eine Belastung – besonders in Coronazeiten, in denen viele Betriebe erst wieder ihre Verluste durch den Lockdown aufholen müssten.

Für den Chef des ansässigen Rewe-Markts kommt die Variante nicht infrage

Eine klare Meinung über die Wahl der künftigen Streckenvariante hat Fritz Aupperle, der für die südliche Alternative zur Stuttgarter Straße votiert. „Für mich ist ganz klar, dass die Stuttgarter Straße für einen Radschnellweg eigentlich gar nicht infrage kommt“, sagt der Geschäftsführer des Rewe-Markts an der Stuttgarter Straße. Dabei sorgt sich der 66-Jährige in erster Linie um die Fußgänger: „Die Stuttgarter Straße ist stark frequentiert, da laufen einfach viele Menschen.“ Gerade ältere Fellbacher, die das Fahrrad nicht mehr nutzen können oder möchten, kommen nach seiner Erfahrung oft zu Fuß zum Einkaufen in die zahlreichen Nahversorger. Lebensmittelmärkte, Banken, ein Drogeriemarkt, ein Sanitätshaus und andere Frequenzbringer sind dort dicht beieinander konzentriert. „Ich halte es für unheimlich gefährlich, dort einen Radschnellweg zu bauen“, sagt Fritz Aupperle. Hinzu kommt nach seiner Überzeugung das Problem wegfallender Parkplätze. „Wir haben schon jetzt ein großes Problem mit den Parkplätzen“, sagt Aupperle. Vor und hinter seinem eigenen Rewe-Markt gibt es zwar genügend Stellplätze für die Kunden, das ist aber beileibe nicht überall so. Postkunden beispielsweise sind auf die Kurzzeitparkplätze an der Stuttgarter Straße angewiesen.

GHV-Chef Bernd Köhler ergreift deutlich Position für Sorgen der Händler

Bernd Köhler, Vorsitzender des Gewerbe- und Handelsvereins, ergreift deutlich Position für die Anliegen der Händler. „Ich kann nicht nachvollziehen, dass solche eine Variante überhaupt zur Diskussion steht, bei der 129 Parkplätze wegfallen sollen“, sagt er. Gerade hätten viele Händler und Gewerbetreibende die Coronakrise einigermaßen überstanden, dann wäre der Bau des Radschnellwegs durch diese zentrale Achse der nächste Schlag gegen den Fellbacher Handel und die Gewerbetreibenden.

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„Ich kann nicht nachvollziehen, dass dort ein einziger Parkplatz wegfallen soll“, macht Köhler deutlich. Die Parkplätze seien eine wesentliche Existenzgrundlage für die Händler. Daran werde sich auch nichts ändern, solange zum Glück nicht alles über den Online-Handel laufe. „Man muss Prioritäten setzen und fragen, was vorgeht“, sagt der GHV-Chef. Außerdem könne nicht jeder alles mit dem Rad transportieren. Auch ältere Menschen müssten berücksichtigt werden. „Nicht jeder ist in der Stadt 35 Jahre alt und mit dem Radanhänger unterwegs.“

Die Stuttgarter und Schorndorfer Straße sei auch eine Achse, von der Kunden und Passanten in die angrenzenden Straßen zu Fuß gehen. Die Parkplätze seien jetzt schon knapp. „Wir als GHV fordern dazu auf, sich über die negativen Folgen der Trasse intensiv Gedanken zu machen“, sagt Köhler und möchte von dieser Variante Abstand nehmen. Der GHV stehe in diesem Punkt eng an der Seite der Händler. Für unfallträchtig hält er die Trasse ebenso. „Es sind x-Zebrastreifen und Querungen, das geht gar nicht zusammen mit einer Radschnelltrasse.“