Beim Sieg des Radprofis Maximilian Schachmann bei den deutschen Straßenmeisterschaften in Degerloch haben die sechs Fahrer des Teams Equipe Stuttgart-Vaihingen erwartungsgemäß nichts mit dem Rennausgang zu tun. Ein Erlebnis war es für alle dennoch.

Bernhausen/Degerloch - Als der Radprofi Maximilian Schachmann vom Team Bora-hansgrohe am gestrigen Sonntagnachmittag nach 4:21:47 Stunden auf dem Georgiiweg unterhalb des Fernsehturms in Degerloch über den Zielstrich fuhr und seinen zweiten deutschen Meistertitel auf der Straße bejubelte, hatten sich die sechs Fahrer vom Bundesliga-Team Equipe Stuttgart-Vaihingen längst schon wieder von ihren Strapazen erholt gehabt. Denn keiner des Sextetts hat es im mit zahlreichen Profis und internationalen Topfahrern gespickten Feld ins Ziel geschafft – auch 150 andere Fahrer kamen nicht an. Darunter so prominente Sportler wie Roger Kluge (Team Lotto Soudal), der bei der Tour de France als „Anfahrer“ für seinen australischen Teamkollegen und Sprintstar Caleb Ewan fungiert. Oder Simon Geschke (Team Confidis), der bei der Tour 2015 die schwere Bergetappe von Digne-les-Bains nach Pra-Loup nach einer Solofahrt von 50 Kilometern für sich entschieden hatte.

 

Wilhelm Buchmüller hat aus dem Vaihinger Team am längsten mitgehalten

Aus dem Vaihinger Team hat der 23-jährige Wilhelm Buchmüller gestern am längsten mitgehalten. Nach der Hälfte der Distanz von 180 Kilometern war aber auch für den Studenten Schluss. Er wurde wie schon zuvor seine Teamkollegen Christopher Bork, Lukas Kegel und Adrian Zuger aus dem Rennen genommen, nachdem sein Rück-stand auf die Spitzengruppe im Ziel rund neun Minuten betragen hatte. „Ich wäre gerne noch ein paar Runden weitergefahren“, sagt der Quereinsteiger, der sich erst vor vier Jahren sein erstes Rennrad gekauft hat und seit zwei Jahren leistungsorientiert trainiert. Außer dem Tempo, das die Profis von der ersten von insgesamt 25 zu absolvierenden und 7,1 Kilometer langen Runden angeschlagen haben, hat ihm vor allem die Hitze zu schaffen gemacht. „Am Ende habe ich das Wasser gar nicht mehr getrunken, sondern nur noch über meinen Helm laufen lassen, um wenigstens etwas abzukühlen“, sagt der angehende Informatiker, der in Ruit wohnt. Alles in allem sei er aber dankbar, dass er bei diesem Event dabei sein durfte. „In so einem illusteren Feld fährt man schließlich nicht alle Tage“, sagt er.

Für Lukas Kegel ist ein Kindheitstraum in Erinnerung gegangen

Ganz ähnlich erging es Lukas Kegel, für den das Abenteuer deutsche Titelkämpfe nach sechs Runden zu Ende war. „Mehr ging nicht“, sagt der 20-jährige Vaihinger, der sich einen etwas anderen Rennverlauf gewünscht hätte. „Doch die Profis wollten uns Amateure gleich loswerden und haben deshalb sofort aufs Tempo gedrückt“, sagt Kegel. Wohl auch, um die Sturzgefahr so gering wie möglich zu halten. Schließlich beginnt am Samstag die Tour de France, bei der einige mit von der Partie sein werden. „Es gibt da schon Amateure, die technisch nicht so gut im Feld fahren. Da sind Stürze vorprogrammiert“, sagt Kegel. Für ihn seien die Meisterschaften dennoch ein tolles Erlebnis gewesen. „Da ist schon ein kleiner Kindheitstraum in Erfüllung gegangen“, sagt der Student, der sich seit zehn Jahren des Trikot des RSV Stuttgart-Vaihingen überzieht.

Benedikt Willi und Christian Baumann steigen freiwillig aus

Apropos Sturz: Nachdem der Tross in Bernhausen von Filderstadts Oberbürgermeister Christoph Traub zunächst neutralisiert auf die Strecke geschickt worden war, hat es gleich in der ersten Kurve nach dem „scharfen Start“ gescheppert. Der Plattenhardter Benedikt Willi, ebenfalls Equipe Stuttgart-Vaihingen, konnte einen Sturz zwar verhindern, musste aber von rund 70 Stundenkilometern auf null abbremsen. Es war der Anfang vom Ende für den 24-Jährigen. Nachdem sein Rückstand auf die Spitze in der zweiten Runde schon eine halbe Minute betragen hatte, stieg er kurz darauf freiwillig aus. „Das war ein mentales Problem. Für meine Heim-DM hatte ich mit mehr vorgestellt“, sagt er. Auch Teamkollege Christian Baumann beendete das Rennen freiwillig.

Für Christopher Bork, mit 33 Jahren der Senior im Vaihinger Team, und Adrian Zuger, vor vier Wochen bei den deutschen U-23-Meisterschaften am Sachsenring als Zwölfter bester Amateur, waren die Titelkämpfe nach acht Runden vorbei. „Es wird Zeit, dass wir mal wieder unter unseresgleichen fahren. Dann fühlt man sich nicht so wie der Depp“, sagt Bork. 440 Watt hat er in den ersten Runden am rund drei Kilometer langen Anstieg hinauf nach Degerloch getreten. „Da kann man nicht mal mit dem E-Bike viel ausrichten“, sagt der Gymnasiallehrer aus Pforzheim, der in der Vorbereitung auf die Titelkämpfe in der Nacht von Samstag auf Sonntag bis 1.30 Uhr Abiturprüfungen im Fach Politik korrigiert hat. Und während er an diesem Montagmorgen schon um 8 Uhr wieder im Klassenzimmer steht, „liegt der Profi um 10 Uhr erst einmal auf der Massagebank“, sagt er und lacht.

Für Christopher Bork war die DM eine ordentliche Wettkampfbelastung

Das Rennen sei für ihn aber eine „ordentliche Wettkampfbelastung“ gewesen, die es in diesem Jahr wegen Corona für Amateure noch nicht so oft gegeben hat. Und es war eine gute Vorbereitung auf das nächste Event am Sonntag in Chemnitz. Dort findet ein Qualifikationsrennen für die deutschen Meisterschaften der Kriteriumsfahrer Ende August statt, und die Vaihinger sind wieder mit einigen Fahrer dabei – dann ganz unter ihresgleichen.

Bei den Frauen hat gestern Lisa Brennauer aus Kempten den Titel gewonnen. In Aileen Schweikart (Platz 15), Hannah Fandel (23.) und Kerstin Pöhl (30.) kamen auch drei von sieben Fahrerinnen des RSV Stuttgart-Vaihingen ins Ziel.