Vom Talent zum Star: Erstmals nach Platz vier bei der Tour de France fährt der Kapitän des Teams Bora-hansgrohe bei einem wichtigen Rennen in der Heimat – und ist selbst gespannt, was ihn bei der Deutschland-Tour erwartet.

Hannover - Klar, innerhalb von vier Wochen verändert sich ein Mensch normalerweise nicht. Emanuel Buchmann ist da keine Ausnahme. Der Radprofi ist immer noch schüchtern, zurückhaltend, bescheiden. Ein Leisetreter. Kein Lautsprecher. Und dennoch ist etwas anders – Buchmann hat eine neue Rolle. Aus dem talentierten Rundfahrer, der sich in Ruhe entwickeln konnte, ist bei der Tour de France der Star des deutschen Radsports geworden. Mit spürbaren Folgen.

 

Zwei kleine nationale Kriterien hat Buchmann nach seinem erstaunlichen vierten Platz bei der Grand Boucle bestritten. Das Echo in der Heimat auf seine Leistungen im französischen Hochgebirge war massiv. „Ein Selfie nach dem anderen, nur noch Autogramme – ich bin zu nichts anderem mehr gekommen“, sagt Buchmann, „es war auch schön.“ Aber vor allem eines: gewöhnungsbedürftig.

Buchmann ist nicht zum Entertainer geboren

Der 26-Jährige aus dem beschaulichen Ravensburg kann wenig anfangen mit dem Rummel um seine Person. Medienanfragen erledigt er professionell, auch weil er weiß, wie wichtig Aufmerksamkeit für seinen Sport ist. Und dennoch sind Interviews für ihn eher Last als Lust. Auch der Auftritt zuletzt im ZDF-Sportstudio zeigte, dass er einfach nicht zum Entertainer geboren ist. Buchmann lässt lieber Taten sprechen, große Worte sind nicht sein Ding. Von einem Thema mal abgesehen.

Wenn es um seine Ambitionen bei der Tour de France geht, zeigt sich der beste Rundfahrer des deutschen Rennstalls Bora-hansgrohe erstaunlich offensiv. Im Sattel fehlt es ihm noch an der Fähigkeit, an steilen Anstiegen zu attackieren. Verbal nicht – zumindest in diesem speziellen Fall. „Der Tour-Sieg war schon in diesem Jahr gar nicht mehr so weit weg, ich bin mir ziemlich sicher, dass dies kein Eintagsfliegenereignis gewesen ist“, sagt Buchmann, der in Paris 1:56 hinter dem Sieger Egan Bernal (Kolumbien) und gar nur 25 Sekunden hinter dem drittplatzierten Steven Kruijswijk (Niederlande) lag, „ich bin überzeugt davon, dass es möglich ist, die Tour ohne Doping zu gewinnen.“

Buchmann will den Beweis antreten. Sein Plan: 2020 möchte er auf dem Podium stehen. Und sich danach weiter verbessern.

Doch das ist Zukunftsmusik. Die Gegenwart spielt in den nächsten Tagen in der Mitte Deutschlands. Zwischen dem Start in Hannover und dem Ziel in Erfurt werden bis zum Sonntag die vier Etappen der Deutschland-Tour ausgetragen. Die Rundfahrt ist interessant. Weil sie trotz der parallel laufende Vuelta prominent besetzt ist. Weil sie im zweiten Jahr nach ihrer Neubelebung auf gutem Weg ist, sich einen festen Platz im Kalender zu sichern. Und weil sich zeigen wird, ob es Emanuel Buchmann und seinen Kollegen tatsächlich gelingen kann, das Interesse am Radsport hierzulande nachhaltig zu steigern. „Ich freue mich auf die deutschen Fans“, sagt der ehrgeizige Profi aus Ravensburg, „ich möchte die Stimmung so gut wie möglich genießen.“

Neue Aufgabe bei der Deutschland-Tour

Dabei ist nicht nur seine Rolle als Vorzeigefahrer neu. Auch seine Aufgabe im Bora-Team wird eine andere sein als noch bei der Tour de France. Vom Kapitän zum Wasserträger. Da es übertrieben wäre, das Profil der Deutschland-Tour als hügelig zu bezeichnen, haben Bergspezialisten keine Siegchance. Bora-hansgrohe setzt deshalb vor allem auf Sprinter Pascal Ackermann, für ihn wird das komplette Team arbeiten. „Er hat einige gute Chancen, erfolgreich zu sein“, sagt Emanuel Buchmann, „meinen Stärken kommt dieses Profil nicht entgegen. Für die Zukunft würde ich mir auch bei der Deutschland-Tour eine echte Bergetappe wünschen.“

Ob das Wort des 60-Kilogramm-Profis Gewicht hat? Muss sich zeigen. Bisher wird über große Veränderungen jedenfalls noch nicht nachgedacht. „Das Rennen funktioniert so, wie es ist“, sagt Claude Rach von Veranstalter Aso, die auch die Tour de France organisiert, „wir wollen die Deutschland-Tour langsam weiterentwickeln.“ Es ist ein Weg, den Emanuel Buchmann mitgeht – und der ihm bestens bekannt ist. Denn genau so hat auch er sich seine neue Rolle im Radsport erarbeitet: Schritt für Schritt.