Mehr als 4000 Teilnehmer sind am Sonntag über autofreie Straßen aus der Region auf den Schlossplatz nach Stuttgart geradelt. Landesverkehrsminister Winfried Hermann begleitete die Gruppe von Filderstadt (Kreis Esslingen) in die Landeshauptstadt.

Stuttgart - Mehr Anstrengungen der Kommunen, den Radverkehr auszubauen, hat am Sonntag Winfried Hermann (Grüne) gefordert. Mit dem Landesverkehrsminister sind mehr als 4000 Radler bei der ersten Radsternfahrt im Land von Waiblingen, Plochingen, Ludwigsburg und Filderstadt-Bernhausen zum Schlossplatz in Stuttgart gefahren. Unterwegs konnten sich die Teilnehmer auf autofreien Fahrbahnen wie Könige der Straße fühlen – wenigstens für zwei Stunden. Hermann forderte von den Kommunen „Parkstreifen zu Radstreifen umzubauen“. Das Land unterstütze beim Wegebau und der Ausschilderung von Radwegen. „Unser Ziel ist, den Radverkehr bis 2020 zu verdoppeln“, sagte Hermann. Deshalb gebe es auch erstmals ein eigenes Fahrradreferat im Verkehrsministerium.

 

„Sie alle haben heute gezeigt, dass Radfahren sehr viel Spaß machen kann“, sagte Hermann auf den Schlossplatz. Er dankte allen Teilnehmern für die wunderbare Atmosphäre und die gelungene Demonstration für eine neue Mobilitätskultur. „Bei der Radsternfahrt im nächsten Jahr sind wir bestimmt noch viel mehr.“

Mehr als 100 freiwillige Ordner im Einsatz

Für die ADFC-Landesvorsitzende Gudrun Zühlke gilt es nun, „diesen Radfahrspaß in den Alltag zu retten“. Sie habe sich unterwegs sehr über die geduldigen Autofahrer und die disziplinierten Radler gefreut. Der ADFC hatte die Sternfahrt mit mehr als 100 Ordnern unterstützt. Die Polizei war mit 40 Raureitern und 20 Streifenwagen im Einsatz.

In Bernhausen – einem der vier Startpunkte – hatte sich schon vor 10 Uhr ein buntes Radlervolk aus allen Altersgruppen an der S-Bahnstation versammelt. Als Gefährt waren außergewöhnliche Liege- und Klappräder, federleichte Rennmaschinen, schnittige Trekkingbikes, gemütliche Hollandräder sowie antrittsstarke Pedelecs vertreten. Gegen 10 Uhr rollte der Pulk los – zu der rund 17 Kilometer entfernten Landeshauptstadt. Kurz nach Bernhausen wurde der Flughafentunnel auf der normalerweise den Autos vorbehaltenen Fahrbahn durchquert. „Hier stinkt es aber immer noch nach Auto“, befand ein Radler. Im Alltag müsse er den Tunnel auf einem viel zu schmalen Weg für Fußgänger passieren.

Abfahrt über die Neue Weinsteige

Nach den Zwischenstationen Plieningen und Birkach ging es dann zur Mittleren Filderstraße. Auf dieser Bergetappe zog sich das Feld etwas auseinander. Am Straßenrand wurden eilig Schläuche gewechselt und abgesprungene Ketten wieder auf Ritzel und Kettenblatt gehievt. Beim Fernsehturm kam der Pulk Radler wieder zusammen. Die Schlussetappe über die Neue Weinsteige bergab zum Schlossplatz war dann für alle Teilnehmer nur noch Vergnügen pur.

ADFC: Im Alltag fehlen noch viele Wege

Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) begrüßt und begleitet die Radsternfahrt Stuttgart. „Die ermöglicht es, Radlern die Utopie des autofreien Verkehrs für ein paar Stunden zu erleben“, sagt die ADFC-Landesvorsitzende. Auf lange Sicht brauche es für die Förderung des Radverkehrs aber nicht nur Events, sondern Änderungen im Alltag. „Einmal im Jahr mit dem Rad durch den Flughafentunnel fahren zu können, ist zu wenig. Die Verbindung zwischen Bernhausen und Plieningen muss dauerhaft geöffnet werden.“ Radfahrer benötigten durchgehende und gut ausgeschilderte Verbindungen. Es gebe zwar ein Konzept für die Hauptradrouten, doch Umsetzung dauere zu lange. Auch für die Öffnung von Einbahnstraßen oder bessere Ampelschaltungen fehlten Sachbearbeiter. Insgesamt sei Stuttgart ein typisches Abbild des ganzen Landes. „Einzelne kleine Gebiete sind für Radfahrer sehr gut erschlossen“, so Zühlke. Oft fehle es aber an vielen Stellen an weiterführenden Verbindungen für Alltagsradler.

Naturfreunde-Radgruppe: Radler auf ungeeignete Wege verbannt

Für die Naturfreunde Radgruppe Stuttgart ist die Sternfahrt eine Werbung für das Radfahren. Dafür müsse aber mehr getan werden. „Von der kostenlosen Fahrradmitnahme im Nahverkehr sind wir meilenweit entfernt“, sagt der Vorsitzende Peter Pipiorke.

In Stuttgart fehle eine touristische Wegweisung. Selbst am Neckarradweg gebe es keine Hinweise auf Sehenswürdigkeiten wie Grabkapelle, Fernsehturm oder Schloss Solitude. „Und auf den wenigen bestehenden Radwegen sind Radler gefährdet“, so Pipiorke. Vor allem in der Theodor-Heuss-Straße sei der Radstreifen sehr schmal und zudem oft zugeparkt. „Radler werden auf ungeeignete Gehwege verbannt. Oft gibt es fünf Zentimeter hohe und scharfkantige Bordsteinabsenkungen.“ Das abschreckendendste Beispiel sei der so genannte Radweg vor dem Hauptbahnhof. Dort müssten Radler sich zwischen Autos und Falschparkern durchkämpfen. Die Stadtverwaltung schaue tatenlos zu und verteile lieber Aufkleber mit dem Motto „Fahr Rad in Stuttgart“.