Radfahrer beklagen die Zustände im Tunnel unter dem Flughafen auf den Fildern. Das Land hat den Bau einer separaten Radlerröhre geprüft – und verworfen. Werden nun die Autos aus dem Tunnel verbannt?
Der Flughafentunnel zwischen Stuttgart-Plieningen und Filderstadt-Bernhausen (Kreis Esslingen) ist ein Nadelöhr. Die Röhre ist eng, Autos können sie zwar in beiden Richtungen passieren, doch für Radfahrer und Fußgänger gibt es nur einen gemeinsamen, schmalen Weg. Der ist gerade einmal so breit wie ein Fahrradlenker. Bei Gegenverkehr wird es kompliziert, zwei Fahrräder kommen nicht aneinander vorbei. Radfahren auf der Fahrbahn ist aber verboten. Pedaleure, die den Tunnel aus diesem Grund meiden, müssen einen Umweg von mindestens fünf Kilometern in Kauf nehmen. Vor diesem Hintergrund kürte die bundesweit aktive Initiative Cycleride den Flughafentunnel im vergangenen Jahr zur schlechtesten Radverbindung in Deutschland und verlieh dafür den Negativpreis Goldener Pannenflicken.
Schon zuvor waren die beiden FDP-Landtagsabgeordneten Dennis Birnstock (Filderstadt) und Friedrich Haag (Stuttgart) aktiv geworden und hatten in einer Landtagsanfrage Verbesserungen gefordert. Auch der Filderstädter Oberbürgermeister Christoph Traub (CDU) thematisierte mehrfach den engen Flughafentunnel. Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) ließ in einer Machbarkeitsstudie untersuchen, ob ein gesonderter Geh- und Radwegtunnel parallel zum bestehenden B-312-Straßentunnel möglich wäre.
Eigener Radlertunnel geprüft
Nun liegt das Ergebnis vor. In einem Schreiben des Verkehrsministeriums an OB Traub heißt es, dass ein separater Tunnel aus mehreren Gründen nicht weiter verfolgt werde. Die Kosten seien zu hoch, die soziale Akzeptanz und die Sicherheit seien fraglich. Edgar Neumann, Sprecher des Verkehrsministeriums, ergänzt: „Der Tunnel würde sich unter der Start- und Landebahn befinden und müsste daher sehr tief liegen. Das würde auch bedeuten, dass Radfahrer ein nicht unerhebliches Gefälle beziehungsweise eine starke Steigung überwinden müssten.“ Kurzum: Die separate Radler-Röhre ist vom Tisch.
Stattdessen wartet das Haus von Winfried Hermann mit einer neuen Idee auf. Diese skizziert das Ministerium in Schreiben an Traub sowie an die beiden Landtagsabgeordneten Dennis Birnstock und Friedrich Haag. Im Kern geht es darum, Autos aus dem Tunnel ganz oder teilweise zu verbannen. Eine Sperrung des Tunnels für Autofahrer solle in einer erweiterten Machbarkeitsstudie betrachtet werden. Das Ergebnis könnte im Sommer vorliegen. Dabei gibt es zwei Varianten: Entweder es wird für motorisierte Fahrzeuge nur die Spur in Richtung Bernhausen freigegeben, sodass die Spur in Richtung Plieningen für Radfahrer und Fußgänger zur Verfügung steht. Oder Autos, Laster und Busse dürfen den Tunnel gar nicht mehr passieren. Ergänzend soll das Regierungspräsidium beide Möglichkeiten vertieft untersuchen und planen.
Verschiedene Randbedingungen müssen in die Studie einbezogen werden. So zum Beispiel die verkehrlichen Auswirkungen einer Tunnelsperrung, also die Antwort auf die Frage, auf welche Straßen die Autofahrer ausweichen würden. Auch die Verkehrsprognose 2035 spielt eine Rolle, also die prognostizierte Zahl an Autofahrern, die dann vermutlich noch unterwegs ist. Zudem müssen Lösungen für den Busverkehr sowie Polizei, Rettungsdienste und Feuerwehr gefunden werden. Darüber hinaus müsste das Land vom Bund die Zuständigkeit für die Strecke übernehmen und die Bundesstraße 312 zur Landesstraße herabgestuft werden. „Das Ziel ist eine sichere Nutzung des Tunnels durch Fußgängerinnen und Fußgänger sowie durch Radfahrerinnen und Radfahrer, die beim Bau des Tunnels leider vergessen wurden“, sagt Verkehrsminister Winfried Hermann und ergänzt: Selbstverständlich müsse auch der Busverkehr berücksichtigt und für Autos eine alternative Verkehrsführung gefunden werden.
Dass Verkehrsminister Hermann nun eine Komplett- oder Teilsperrung des Autotunnels in Betracht zieht, lässt bei den beiden FDP-Politikern die Alarmglocken schrillen. „Ziel des Verkehrsministers muss es doch sein, Barrieren abzubauen und keine neuen zu schaffen. Den Flughafentunnel für den Autoverkehr zu sperren kann daher absolut nicht die Lösung sein“, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der beiden. Selbst Hermann, dem sie vorwerfen, er wolle „das Auto am liebsten sofort ganz verbieten“ müsse klar sein, „dass eine Sperrung des Tunnels weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll ist“. Eine solche Maßnahme bedeute vielmehr eine zeitaufwendige Umfahrung und damit eine Mehrbelastung in den Anrainerkommunen. „Dem grünen Minister geht es offensichtlich viel eher einmal mehr darum, den Autofahrern das Leben so schwer wie möglich zu machen.“
Unterstützung bekommt Hermann von seinem Parteifreund Matthias Gastel. Der Bundestagsabgeordnete aus Filderstadt begrüßt, dass „das Land sich für den Fuß- und Radverkehr einsetzt“. Gastel schreibt: „Die viel zu lang hingenommene unerträgliche Situation für den Fuß- und Radverkehr schreit nach einer Lösung.“ Klar sei aber auch: „Eine einfache Lösung, die bei allen Beteiligten laute Jubelschreie auslöst, wird es nicht geben.“ Daher müssten alle möglichen zulässigen und finanzierbaren Varianten geprüft und abgewogen werden. Die betroffenen Städte seien in die Klärungsprozesse einzubinden. Zudem seien die Busverkehre bezüglich ihrer Fahrzeiten und Anschlüsse besonders zu berücksichtigen. „Das Ergebnis ist noch offen“, so Gastels Fazit.