Kommunen im Land wollen das Prädikat "fahrradfreundlich" erhalten. Baden-Württemberg will "Fahrradland Nummer 1" werden.

Stuttgart - Den Reden sollen Taten folgen auf dem Weg des Landes zum "Fahrradland Nummer 1", das die Politik gern als Ziel propagiert. Dazu gehört die von einem Runden Tisch geforderte Arbeitsgemeinschaft der fahrradfreundlichen Kommunen, abgekürzt AGFK BW. Bereits in den nächsten Wochen soll die Gründung erfolgen. Die Geschäftsstelle ist bei der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg eingerichtet.

Und sie wird von den Kommunen finanziert. 3000 Euro soll der Jahresbeitrag betragen. "In diesen schwierigen Zeiten bereitet uns das durchaus Kopfzerbrechen", erklärt der Tübinger OB Boris Palmer. Neben Tübingen wollen sich 14 Städte und drei Landkreise von Beginn an an dieser Arbeitsgemeinschaft beteiligen. Zu den weiteren Städten gehören Friedrichshafen, Karlsruhe, Mannheim, Leonberg und Esslingen, die Landkreise sind der Bodenseekreis sowie die Kreise Göppingen und Karlsruhe.

"Die Zusammenarbeit ist außerordentlich wichtig", hebt Verkehrsstaatssekretär Rudolf Köberle (CDU) hervor. Das Land setze auf eine breite Bewegung zugunsten des Radverkehrs. "Wir müssen das Klima für den Radverkehr verbessern", sagt Köberle. Konkret geht es um Radwege, um die Sicherheit beim Radverkehr, um Abstellplätze für Fahrräder oder um eine stärkere Verknüpfung von Fahrrad und öffentlichem Nahverkehr. Dazu gehört auch, dass es in den Kommunen einen Ansprechpartner für das Thema gibt. Die Stadtverwaltungen der Städte im Bündnis müssen dem Fahrrad hohe Priorität einräumen. Ideell und materiell muss der Radverkehr unterstützt werden, heißt es in einem Papier der Stadt Leonberg zum Thema AGFK.

Mehr Zuschüsse als Belohnung?


Rudolf Köberle hält es für sinnvoll, diese Städte zu belohnen. "So eine Kommune sollte bei den Zuschüssen bevorzugt werden", lockt der CDU-Politiker. Doch genau um diese Zuschüsse gibt es immer wieder Streit. In die Radwege in den Städten fließt nämlich nur recht selten Geld vom Land. Das hängt mit der Bagatellgrenze von 200.000 Euro zusammen. Was weniger kostet, ist nicht förderfähig. Darunter fallen viele Radwege in den Städten. "Im Grund bekommen wir für die Radwege nichts vom Land", sagt Boris Palmer. "Tübingen fehlt das Geld, um alle notwendigen Radwege alleine zu finanzieren, wenn es einen Zuschuss gäbe, dann könnten wir Lücken schneller schließen."

Thomas Baur, der Landeschef des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC), hält die Förderbestimmungen für völlig unzulänglich. Der Zuschuss beträgt - wenn er denn gezahlt wird - maximal 30 Prozent. Baur fordert seit langem eine Senkung der Bagatellgrenze auf 50.000 Euro und eine Förderung von 50 Prozent. Palmer kritisiert auch, dass Radwege außerorts vom Land nur finanziell unterstützt werden, wenn sie parallel zu einer Straße verlaufen. Die Themen sind in Stuttgart längst bekannt und werden von Rudolf Köberle inhaltlich auch unterstützt. Doch in der Praxis haben sich diese Vorgaben trotz mancher Gespräche auch zwischen den Regierungsparteien noch nicht groß geändert.

Bundesratsinitiative geplant


Der Staatssekretär sieht nicht nur da Handlungsbedarf, sondern auch bei der Bundesgesetzgebung. Ihn treibt um, dass der Bau von Radwegen ausgeglichen werden muss, indem andernorts Grünflächen geschaffen werden. "Dadurch werden die Radwege teurer", kritisiert er, obwohl sie doch eigentlich bereits einen Beitrag für die Ökologie leisteten. "Das ist überzogen", findet er. Köberle sammelt Mitstreiter für eine Bundesratsinitiative, um dieses Gesetz zu ändern. Viele Bundesländer haben bereits Zustimmung signalisiert, sagt er.

Entscheidend ist für Köberle eine Selbstverpflichtung der Städte. Er spricht von der Schaffung eines "fahrradfreundlichen Klimas". Das Zweirad soll bei Parkplätzen berücksichtigt werden, beim Städtebau allgemein und bei der Infrastruktur im Besonderen. Dazu soll in den städtischen Haushalten Geld zur Förderung des Radverkehrs auftauchen. Zahlen werden freilich nicht genannt. Die Landesregierung betont die Erfolgskontrolle. Die Vorgaben des AGFK müssten eingehalten werden, erklärt Köberle. Und die Fortschritte sollen regelmäßig dokumentiert werden. Der Staatsekretär verweist auch auf den Lohn solcher Taten. Das Prädikat "Fahrradfreundliche Stadt" ließe sich schließlich touristisch vermarkten.

Baden-Württemberger sollen umsteigen


Ein ähnliches Bündnis besteht seit einigen Jahren in Nordrhein-Westfalen. Dort ist von Modellstädten die Rede, die konkrete Vorgaben zu erfüllen haben. Eine Kernforderung ist die Anhebung des Radverkehrsanteils auf 25 Prozent. Diese Zahl taucht in den Vorgaben der dem Radverkehr zugetanen Städte in Baden-Württemberg nicht auf. Genau das kritisiert Thomas Baur vom ADFC: "Moderne Planungselemente des Radverkehrs wurden in NRW niedergeschrieben", sagt er und fährt fort: "In Baden-Württemberg hat man Nordrhein-Westfalen übernommen, wo es nicht wehgetan hat, und sonst ist es verwässert worden." Nordrhein-Westfalen gilt als Fahrradland Nummer 1 in der Republik.

Der "Runde Tisch Radverkehr" hat sich hierzulande vorgenommen den Fahrradanteil an allen zurückgelegten Wegen bis 2015 zu verdoppeln, von zehn auf 20 Prozent. Das dürfte allerdings kaum reichen, um das Land an die Spitze zu bringen. In Münster (NRW) liegt der Anteil bereits bei 40 Prozent, Freiburg liegt mit 28 Prozent ein Stück zurück, in Tübingen beträgt der Anteil bereits 20 Prozent.