Kopfschmerzen, Schwindel, Hörverlust, Übelkeit – im Jahr 2016 geht es US-Diplomaten in der kubanischen Hauptstadt Havanna über Nacht schlecht. Das Rätsel des Havanna-Syndroms.

Freizeit und Unterhaltung: Theresa Schäfer (the)

Es ist eine rätselhafte Geschichte: Im Jahr 2016 klagten mehrere in der kubanischen Hauptstadt Havanna lebenden US-Diplomaten über mysteriöse Gesundheitsbeschwerden. Schwindel, Übelkeit, Kopfweh, Hörverlust – den Amerikanern ging es praktisch über Nacht schlecht. Das Phänomen wurde auf das Kürzel Havanna-Syndrom gebracht.

 

Inzwischen gehen die US-Geheimdienste offenbar mehrheitlich davon aus, dass kein „ausländischer Gegner“ für die rätselhaften Gesundheitsprobleme der Diplomaten verantwortlich war. Die gemeldeten Beschwerden seien stattdessen wahrscheinlich das Ergebnis von Vorerkrankungen, anderer Krankheiten oder Umweltfaktoren, hieß es in einem am Mittwoch veröffentlichtem Bericht. Neuen Hinweisen werde man aber nachgehen, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price.

Wann tauchte das Havanna-Syndrom das erste Mal auf?

Zum ersten Mal berichtet wurde von den seltsamen Gesundheitsbeschwerden im Jahr 2016. Dutzende US-Diplomaten und deren Angehörige, aber auch kanadische Staatsbürger, die in Havanna im Einsatz waren, litten unter plötzlichen Gesundheitsproblemen wie Benommenheit, Müdigkeit und Kopfschmerzen sowie Hör- und Sehproblemen. Später wurden auch Fälle aus China, Deutschland, Australien, Russland, Österreich und sogar Washington gemeldet.

Die Betroffenen gaben an, dass die Symptome begannen, nachdem sie etwa ein seltsames Geräusch hörten oder einen starken Druck in ihrem Kopf spürten. Die US-Regierung schloss daraufhin nicht aus, dass es sich dabei um eine Art Angriff handeln könnte - es wurde aber immer betont, dass man nicht wisse, was dahinterstecke. Eine These war, ein feindlicher Staat könne Akustik- oder Elektroschallwaffen gegen die Botschaftsmitarbeiter eingesetzt haben.

Das Havanna-Syndrom hatte auch deswegen immense diplomatische Sprengkraft, weil die USA erst ein Jahr zuvor auf Initiative des damaligen US-Präsidenten Barack Obama erst wieder diplomatische Beziehungen mit Kuba aufgenommen hatte. Im Jahr 2017 wies die Trump-Regierung aufgrund der mysteriösen Vorkommnisse in Havanna mehrere kubanische Diplomaten aus. Kuba war empört und bestritt, irgendwas mit den Gesundheitsproblemen der Amerikaner zu tun zu haben.

Zu welchem Schluss kommen jetzt die Geheimdienste?

Laut der „Washington Post“ haben die US-Geheimdienste nun weit mehr als tausend Fälle in Dutzenden Ländern überprüft – und kamen zu dem Schluss, dass es „sehr unwahrscheinlich“ sei, dass ein ausländischer Gegner für die Symptome verantwortlich sei. Es gebe in der Bewertung aber immer noch Lücken und es sei außerdem schwierig, Informationen über ausländische Gegner zu sammeln, hieß es weiter. Man habe aber medizinische, umweltbedingte und soziale Faktoren identifiziert, die viele von Betroffenen gemeldete Beschwerden plausibel erklären könnten.

Noch im vergangenen Jahr war ein unabhängiges Expertengremium zu dem Schluss gekommen, dass manche Fälle des Havanna-Syndroms durch eine Art gezielten Einsatz elektromagnetischer Strahlung ausgelöst worden seien könnten. Es gebe „mehrere plausible Wege“ elektromagnetische Impulse eines bestimmten Frequenzspektrums derart gezielt einzusetzen, hieß es damals in dem von Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines und CIA-Direktor William Burns veröffentlichten Bericht. Andere Hypothesen wie nur der Einsatz chemischer oder biologischer Substanzen wurden angesichts der beobachteten Symptome als nicht plausibel gewertet.

Price vom Außenministerium machte nun deutlich, dass die Zahl der gemeldeten Fälle „von anomalen Gesundheitsvorfällen“ seit 2021 zurückgegangen sei. Die aktuellen Erkenntnisse der Geheimdienste „stellen die Erfahrungen und Symptome, die unsere Kollegen und ihre Familienangehörigen in den vergangenen Jahren gemeldet haben, in keiner Weise in Frage“, betonte er. Die oberste Priorität sei nach wie vor die Gesundheit und Sicherheit aller Kolleginnen und Kollegen. Ähnlich äußerte sich das Weiße Haus. Die US-Regierung sei nach wie vor überzeugt, dass diejenigen, die unter den Symptomen litten, weiterhin zusätzliche finanzielle Unterstützung erhalten sollten, sagte die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, Karine Jean-Pierre.

Was sagen die Betroffenen?

Viele der Betroffenen glauben aber, sie seien Opfer eines vorsätzlichen Angriffs geworden. Immer wieder fällt dabei auch Russland als möglicher Verursacher der Beschwerden. Dafür gebe es keine „glaubwürdigen Beweise“, hieß es nun in dem Bericht der Geheimdienste. Die betroffenen Diplomaten warfen der US-Regierung in der Vergangenheit auch immer wieder vor, die Symptome herunterzuspielen. „Der jüngsten Einschätzung der US-Geheimdienste mangelt es an Transparenz, und wir stellen die Richtigkeit der angeblichen Ergebnisse weiterhin in Frage“, zitierte die „New York Times“ einen Opferanwalt. Manche leiden bis heute unter gesundheitlichen Langzeitfolgen des mysteriösen Havanna-Syndroms.