Region: Verena Mayer (ena)

Und viele wurden es, weil die Tätigkeit lukrativ erschien. Über Jahrzehnte war klar, wie ein anständiges Begräbnis auszusehen hat. Ein hochwertiger Sarg und eine angemessene Trauerfeier hatten ihren Preis – und über den wurde nicht verhandelt. Ende der 90er Jahre dann, als Särge auch aus Osteuropa kamen und Steine aus Indien und als Krematorien plötzlich privat betrieben werden durften, entdeckte eine neue Bestatter-Gattung den Markt: der Discountbestatter.

 

Das Image des Geschäftemachers mit dem Tod blieb düster. Und hat nicht jeder schon mal von einem gehört, der Luxussärge gegen Billigkisten ausgetauscht hat? Oder der Urnen hortete, statt sie auf See zu bestatten?

An dem großen Holztisch im Besprechungszimmer hat Antonia Baum Platz genommen. Im Hintergrund flackert eine weiße Kerze. Die schwarz gekleidete Dame erzählt Rahel Merks, dass sie froh ist, dass sie sich mit Arbeiten im Garten ein bisschen ablenken kann und dass die Abende jetzt im Sommer nicht so lang sind. Rahel Merks lächelt verständnisvoll und gießt Antonia Baum ein Glas Mineralwasser ein. Vorige Woche ist ihr Ehemann beerdigt worden. Heute gibt sie eine Anzeige in Auftrag.

„Herzlichen Dank für die überaus große Anteilnahme und Herzlichkeit beim Abschied meines lieben Mannes, unseres guten Vaters und Opas“, tippt Rahel Merks wunschgemäß in den Computer. Auf einem riesigen Bildschirm an der Wand erscheint sogleich die Anzeige, wie sie in der Zeitung aussehen wird.

„Mit oder ohne Porträtfoto?“ – „Mit!“

Erst lernte sie Kindergärtnerin

Kurzer Halt beim Krematorium. Die Asche von Eduard Alt abholen. Am nächsten Tag ist die Beisetzung. „Haben wir noch jemand hier“, überlegt Rahel Merks laut, als sie die Urne entgegennimmt. Nein. Gut. Papiere unterschreiben. Und auf Wiedersehen.

Rahel Merks hat einen Kindergarten in der Schweiz geleitet, bevor sie Bestatterin wurde. Als sie ihren heutigen Mann Stefan kennenlernte, ließ sie Beruf und Heimat hinter sich, zog nach Lauchheim, lernte alles, was man wissen muss, um als Gärtnerin und Floristin den Familienbetrieb in ein blühendes Unternehmen zu verwandeln. Eines Tages stand der Lauchheimer Bestatter im Laden. Er sagte, er wolle sich bald zur Ruhe setzen und fragte, ob die Merks seine Geschäfte übernehmen wollten. Merks waren baff: Bestattungen?

Die Eheleute zögerten. Nicht, weil sie sich davor ekelten, verkohlte Unfallopfer von den Straßen zu klauben oder weil sie keine Ahnung hatten, wie man mit einem Drogentoten umgeht, der vier Tage bei sengender Hitze unbemerkt in der Wohnung lag. Ihre Bedenkzeit zog sich auch nicht deshalb zwölf Monate hin, weil sie wussten, dass sie viele schreckliche Dinge sehen, riechen und fühlen würden. Oder weil sie nicht wussten, ob sie es ertragen würden, der Frau, der sie neulich noch einen Brautstrauß gezaubert haben, wenige Wochen später einen Witwenstrauß binden zu müssen.

Wenn die Merks’ auch in Bestattungen machen, dann wollen sie es richtig machen. Nur, wie geht richtig?

In jenem Jahr 2003 ist Bestatter noch kein Lehrberuf. Es gibt keine Schule, wo man lernen kann, wie man Leichen professionell wäscht und ankleidet oder wie man halb verweste Tote für einen letzten Blick ansehnlich gestaltet. Oder wie man verzweifelten Angehörigen begegnet. Bestattungsunternehmer kann im Prinzip jeder werden.

Ein kultureller Wandel

Und viele wurden es, weil die Tätigkeit lukrativ erschien. Über Jahrzehnte war klar, wie ein anständiges Begräbnis auszusehen hat. Ein hochwertiger Sarg und eine angemessene Trauerfeier hatten ihren Preis – und über den wurde nicht verhandelt. Ende der 90er Jahre dann, als Särge auch aus Osteuropa kamen und Steine aus Indien und als Krematorien plötzlich privat betrieben werden durften, entdeckte eine neue Bestatter-Gattung den Markt: der Discountbestatter.

Das Image des Geschäftemachers mit dem Tod blieb düster. Und hat nicht jeder schon mal von einem gehört, der Luxussärge gegen Billigkisten ausgetauscht hat? Oder der Urnen hortete, statt sie auf See zu bestatten?

An dem großen Holztisch im Besprechungszimmer hat Antonia Baum Platz genommen. Im Hintergrund flackert eine weiße Kerze. Die schwarz gekleidete Dame erzählt Rahel Merks, dass sie froh ist, dass sie sich mit Arbeiten im Garten ein bisschen ablenken kann und dass die Abende jetzt im Sommer nicht so lang sind. Rahel Merks lächelt verständnisvoll und gießt Antonia Baum ein Glas Mineralwasser ein. Vorige Woche ist ihr Ehemann beerdigt worden. Heute gibt sie eine Anzeige in Auftrag.

„Herzlichen Dank für die überaus große Anteilnahme und Herzlichkeit beim Abschied meines lieben Mannes, unseres guten Vaters und Opas“, tippt Rahel Merks wunschgemäß in den Computer. Auf einem riesigen Bildschirm an der Wand erscheint sogleich die Anzeige, wie sie in der Zeitung aussehen wird.

„Mit oder ohne Porträtfoto?“ – „Mit!“

„Das, wo Ihr Mann lächelt, oder das, wo er den Anzug trägt?“ – „Das im Anzug!“

„Farbig oder schwarz-weiß?“ – „Farbig!“

Jetzt noch die Schrift etwas größer und mittig setzen und einen feinen Rand drumrum. Sehr schön sieht das aus. Ab mit der Anzeige zur Lokalzeitung, damit sie bald erscheint. Ob man wohl auch noch einen Satz Sterbebildchen bestellen könnte? Die 500 Stück bei der Beerdigung waren schnell vergriffen – gar kein Problem. Rahel Merks wird sie gleich im Büro nebenan drucken. Dort, wo auch die Kondolenzbücher gebunden werden, die Fotos der Verstorbenen enthalten, und die Trauerschleifen ihre Beschriftung erhalten. „In dankbarer Erinnerung“ , „Du fehlst“, „In Liebe“.

Wer glaubt noch, dass Bestatter nur Leichen versorgen und Särge zunageln?

Anfang dieses Jahrtausends wird das Sterben unterhaltsam. Die amerikanische Serie „Six feet under“ erzählt die komischen, tragischen, alltäglichen Geschichten der Familie Fisher, die ein Bestattungsunternehmen führt. Der Sender Vox begleitet für eine Reality-Soap die Familie Kuckelkorn, die ein Bestattungsunternehmen führt. Die Kamera ist dabei, als der Chef nach Thailand fliegt, um bei der Einbalsamierung der Tsunami-Toten zu helfen. Und sie begleitet ihn zu seinen Festen mit dem Karnevalsverein. Der Norddeutsche Rundfunk zeigt den Berufsalltag der Familie Maury, die ein Bestattungsunternehmen führt. Der unbedarfte Zuschauer lernt, dass eine Friedhofskapelle in den Vereinsfarben eines verstorbenen Fußballtrainers dekoriert werden kann und dass das Trauerlied für einen toten Motorradfahrer auch in Form einer röhrenden Kawasaki ertönen kann. Die reale Bestatterbranche verzeichnet in diesen Jahren eine rapide steigende Zahl an Bewerbungen. Und im Sommer 2007 bricht hochoffiziell eine neue Zeitrechnung an: Die Ausbildung zur Bestattungsfachkraft ist nach einer mehrjährigen Erprobungsphase anerkannt.

Das letzte Fest

Rahel Merks und ihr Mann nehmen jährlich zwei neue Lehrlinge auf. Bewerbungen haben sie fast hundert Mal so viele. „Der Beruf erwacht“, sagt die schönste Bestatterin Deutschlands, die die Grundlagen ihres zusätzlichen Berufs schließlich in Ulm gelernt hat. Ein Jahr lang fuhren sie und ihr Mann, so oft sie konnten, zu dem Bestatter ihres Vertrauens.

Wer stirbt, kann heutzutage wählen zwischen Erdbestattung, Feuerbestattung und Seebestattung. Die Überreste können in selbst bemalten Särgen ruhen, in biologisch abbaubaren Urnen oder zu einem Diamanten gepresst werden. Bei Rahel Merks kann man sogar die Asche vom Heißluftballon aus verstreuen. Und in Bremen gibt es bereits die Möglichkeit, verbrannte Angehörige im eigenen Garten aufzubewahren. Es kommt halt darauf an, ob man ein paar Hundert oder ein paar Tausend Euro ausgeben kann oder will für das, was Rahel Merks „das letzte Fest“ nennt.

Das Problem ist, dass kaum jemand dieses Fest so plant wie andere Feste. Und wenn es zu spät ist, dann haben die Hinterbliebenen in der Regel keinen Kopf, um über Blumenschmuck nachzudenken, über den Text für die Traueranzeige oder darüber, ob bei der Beerdigung Musik spielen soll. Manche, stellt Rahel Merks immer wieder fest, wissen nicht einmal, ob die Person, mit der sie ihr Leben verbracht haben, verbrannt werden möchte oder nicht.

Es gibt 4000 Bestattungsunternehmen in Deutschland. Jährlich sterben hier etwa 860 000 Menschen, Tendenz steigend. Trotzdem muss der Bundesverband Deutscher Bestatter in seiner Öffentlichkeitsarbeit noch immer viel Mühe darauf verwenden, das Vorurteil vom dürren schwarzen Mann mit Zylinder und Leichenbittermiene aus der Welt zu schaffen und dem Tod sein Tabu zu nehmen.

Rahel Merks hat ein Foto von sich bei einem Wettbewerb eingereicht, ein paar Zeilen über sich geschrieben und ist unter 47 Bewerberinnen zur schönsten Bestatterin Deutschlands gekürt worden. Seither kann sie sehr öffentlichkeitswirksam erzählen, dass der Tod seinen Schrecken verliert, wenn man sich bewusst mit ihm beschäftigt.

Ist die Erfindung der Miss Abschied womöglich gar keine so gruselige Idee gewesen?