Bücherwürmer haben sie zum Fressen gern: die neue Bibliothek. Lediglich die Namensfrage machte den Stuttgartern noch zu schaffen.

Lieber Bücherwurm!

 

In Stuttgart ist eines der größten Artenschutzprojekte aller Zeiten angelaufen. Die Stadt investiert 79 Millionen Euro in ein Habitat für Bücherwürmer, einer Spezies, die zuletzt als ausgestorben galt. Nur da und dort deuteten Papierfetzen in grünen Tonnen darauf hin, dass einzelne Exemplare der Gattung noch in Stuttgart leben - bei näherer Betrachtung stellten Forscher jedoch fest, dass es sich lediglich um Werbeprospekte von Supermarktketten handelte. Bissspuren des gemeinen Bücherwurms oder gar Leseohren fanden sie nicht.

Das soll sich nun ändern. Künftig sollen die Bücherwürmer in Stuttgart wieder gehätschelt und fett gepäppelt werden, bis sie kaum mehr zwischen zwei Buchdeckel passen. Zu diesem Zweck dürfen sie in ihrer Aufzuchtstation auf neun Stockwerken Aufzug fahren, Leseinseln bevölkern und Bibliothekarinnen schlüpfrige Fragen stellen.

Auch an Bücherwürmer mit eingebauter Lese- und Rechtschreibschwäche wurde gedacht. Für sie gibt es ein Café und ein als Dachterrasse getarntes Solarium: "Wegen voll geil die nahtlose Bräune, weisch?"

Nur eine Name fehlte der Bibliothek noch

Lange Zeit offen blieb nur die Namensfrage. Die schlicht geniale Idee "Bibliothek21" scheiterte am wiederholten Protest eines Tausendfüßers, der sich Montag für Montag abfällig dazu äußerte. Anschließend geriet die Debatte in eine absurde Schieflage: Auf dem Schillerplatz drohte das Denkmal eines Dichterfürsten umzukippen - Schiller soll sich persönlich dagegen verwehrt haben, dass die Bibliothek Räuberwürfel genannt wird. Er befürchte Verwechslungsgefahr mit dem Räuber Hotzenplotz.

Im Übrigen reiche es ihm schon, dass manche glaubten, nach ihm sei ein Wein benannt. Ihn, Schiller, könne sowieso niemand vom Sockel stoßen. Er sei und bleibe die Nummer eins. Ob Goethe auf der Ersatzbank grantele, sei ihm reichlich schnurz. Er habe mehr Facebook-Freunde als Goethe, Uhland und Hegel zusammen.

Wie wäre es mit Yi-Pod oder Yi-Pad?

Die Namensfindungskommission überlegte daraufhin, die Bibliothek nach ihrem Erbauer zu benennen - dem koreanischen Architekten Eun Young Yi, der zuvor die Cheopspyramiden, das Pantheon und die Akropolis entworfen hatte. Kurzfristig standen mehrere Namen zur Auswahl: Yi-Pod, Yi-Pad, Yi-Phone und Yi-Cube. Letztlich überlegte es sich die Stadt dann doch anders, weil sie Markenrechtsklagen der Firma Apple befürchtete.

Nicht durchsetzen konnte sich auch der von Hollywoodstudios favorisierte Name Stammheim zwei. Jetzt heißt das Ding halt "Bibliothek am Mailänder Platz". Die Bücherwürmer haben sie zum Fressen gern.

Mit freundlichen Grüßen,
Erik Raidt