Die Manager der Bahn feiern, dass die S-Bahnen pünktlicher geworden seien. StZ-Kolumnist Erik Raidt fragt sich, ob sie endgültig bahnsinnig geworden sind.

Stuttgart - Immer wieder melden sich verwirrte Fahrgäste bei der Deutschen Bahn. Sie sagen, dass sie ursprünglich nicht per Anhalter durch die Galaxis reisen wollten, sondern nur von der Haltestelle Schwabstraße bis zum Hauptbahnhof. In der Praxis kam das manchmal allerdings auf das Gleiche heraus. Unsere S-Bahn hat ständig Rücken, darüber hinaus diagnostizierten Ärzte weitere Nebenerkrankungen: Betagte Stellwerke wurden von Experten des Landesmuseums für die Sammlung zur Keltenzeit beschlagnahmt, die Signalanlagen sind untereinander derart zerstritten, dass sie dringend einen Schlichter benötigen. Weichen wurden dabei beobachtet, wie sie während ihrer Arbeitszeit Sirtaki tanzten.

 

Der S-Bahn ist gelungen, woran viele zuvor kläglich gescheitert waren: Sie hat die Begriffe „schwäbisch“ und „pünktlich“, die über Jahrzehnte miteinander verheiratet waren, endgültig entkoppelt. Bei einem sogenannten S-Bahn-Gipfel haben sich die Manager der Bahn für ihre Erfolge bei der Entschleunigung der Stadtgesellschaft nun selbst gefeiert: „In unserer Königsdisziplin – der Pünktlichkeit unter drei Minuten in der Hauptverkehrszeit – haben wir uns um über fünf Prozentpunkte auf nunmehr 80,8 Prozent verbessert“, sagte ein Sprecher.

S-Bahnen zwitschern im Geäst

Im weiteren Verlauf der Gipfelgespräche kündigte die Bahn ein Innovationsfeuerwerk an: Das Unternehmen denkt über die Abschaffung der Pferdestraßenbahnen nach, bereits im Herbst 2019 könnten die Waggons nicht mehr von Kerzen erhellt, sondern mit elektrischem Licht erleuchtet werden. Eines fernen Tages würden an allen Stationen Wundermaschinen aufgestellt, die in der Lage seien, Menschen über mehrere Ebenen hinauf und hinunter zu transportieren.

Nach dieser Ankündigung sollen sich einige der anwesenden Politiker vor Freude weinend in die Arme gefallen sein. Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn hingegen sank auf seine Knie und landete dabei mitten in einem Haufen von Feinstaub. Er murmelte, dass er die S-Bahn liebe, dass er immer an die Bahn geglaubt habe und dass in dieser Stadt ein herrlicher Verkehr herrsche.

Der Verkehr sei für ihn geradezu die Königsdisziplin der Politik, er selbst beobachte vom Auto aus bei heruntergelassener Fensterscheibe mit Freude, dass die Bäume blühten, die S-Bahnen fröhlich im Geäst säßen und dabei lustige Lieder zwitscherten.

Keine Frage, Kuhn war vom Bahnsinn befallen. Die S-Bahnen kreisen in Stuttgart in einem Paralleluniversum. Grüße von der Kurzstrecke, Erik Raidt