Rainer Häußler, der letzte Bürgermeister von Musberg, wird 80 Jahre alt. Zeit für eine Rückschau, in der er ein Kapitel am liebsten aussparen würde: den Ringer-Streit.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Musberg - Wenn Rainer Häußler will, liegt ihm Musberg zu Füßen. „Aber bloß optisch“, sagt er und lacht. Nämlich dann, wenn er auf die Terrasse seiner Wohnung im fünften Stock tritt und runterschaut. Es dürfte wenige Orte in Musberg geben, von denen aus sich das Dorf so gut überblicken lässt. Keine schlechte Sache für einen, der hier einmal Bürgermeister war.

 

Das ist lange her. Rainer Häußler ist jetzt 80, und zwar auf den Tag genau am 24. Januar. Am 27. Januar lädt die Stadt Leinfelden-Echterdingen ihm zu Ehren zu einem Empfang ein. Dann wird sicherlich einiges zur Sprache kommen von dem, was der Mann mit dem sympathischen Lächeln alles für die Menschen hier getan hat. Doch für alles dürfte die Zeit knapp werden, denn Häußler hatte genau genommen nie einen anderen Job – bis auf seine Lehr- und Berufseinsteigerzeit, in der er durch verschiedene Kommunen in der näheren Umgebung tingelte und Erfahrungen sammelte.

Bei seiner Ausbildung in Schlaitdorf hat er Entscheidendes gelernt

In Schlaitdorf zum Beispiel hat er seine dreijährige Lehrzeit absolviert. Die Gemeinde hatte damals 820 Einwohner, entsprechend schlank war die Verwaltung. „Wenn der Bürgermeister nicht da war, dann war ich allein“, sagt er und lacht verschmitzt. Doch es steckt noch viel mehr in diesem Satz als Koketterie. Denn Rainer Häußler hat genau dabei Entscheidendes gelernt. Und zwar auch, dass Bürgermeister zu sein, kein Ding der Unmöglichkeit ist. So ist er denn auch im Alter von gerade einmal 26 Jahren in Musberg zum Bürgermeister gewählt worden. Es war aber auch eine günstige Zeit für seinen Berufswunsch. „Es gab die Tendenz, dass die jüngsten Bewerber die besten Chancen haben“, erzählt er.

Dass ihm die Leute auf der Straße auch heute noch freundlich und zugewandt begegnen, verbucht er als Ernte für die Art, wie er sein Amt einst verstanden hat. Darauf ist er stolz. „Natürlich ist es wichtig, dass die Finanzen einer Gemeinde stimmen“, sagt er. „Aber fast wichtiger ist es, dass man sich wohlfühlt und gut miteinander auskommt.“ Kein Wunder, dass es ihn schmerzt, was seit ein paar Jahren in seinem Musberg los ist. Der Ringer-Streit hat es ja mittlerweile zu bundesweiter Bekanntheit gebracht.

Am liebsten würde Rainer Häußler gar nichts dazu sagen

Er hat sich vor etwa fünf Jahren als Schlichter versucht, und im Januar 2016 kam es zu einer Vereinbarung zwischen den Ringern und dem TSV Musberg, die sich vorher erbittert in den Haaren lagen. Es sah gut aus, doch letztlich waren ein paar finanzielle Details nicht ausreichend geklärt, weshalb der Streit erneut aufflammte – und seither nicht wieder erloschen ist. Ein Riss geht durch Musberg, er spaltet Familien, Schulen, Kindergärten. Um ihn nicht noch zu vergrößern, würde Rainer Häußler am liebsten gar nichts dazu sagen, auch wenn ihn der Streit umtreibt wie wenige Themen den Ort betreffend. Wenn er über all das spricht, sitzt ihm ein Frosch im Hals. Und als würde der Himmel mitspielen: Kaum ist das Thema gewechselt, verziehen sich die Wolken draußen vor seinem Fenster, und die Sonne lacht wieder auf den Esstisch.

Rainer Häußler war Musbergs letzter Bürgermeister. Im Januar 1975 ist das Dorf in die damals neu geschaffene Stadt Leinfelden-Echterdingen eingemeindet worden. Dass das nicht jedem gefallen hat, ist klar. Doch für Rainer Häußler war es in Ordnung. Er wurde Bürgermeister für Kultur, Soziales und Ordnung in L.-E., und er hatte plötzlich wieder einen Chef. „OB Schweizer war ein väterlicher Freund“, erzählt er. Daher sei ihm der Wandel leicht gefallen. Mit 59 Jahren war dann Schluss. Er hätte sich zwar noch einmal aufstellen lassen können, doch Häußler verzichtete. „Ich wollte selbst entscheiden, wann ich gehe“, sagt er. Wäre er geblieben, hätte er vorzeitig ausscheiden müssen. Damals durfte ein Bürgermeister nicht älter als 65 Jahre alt sein. Doch 59 ist ja kein Alter. War er dann einfach daheim? Rainer Häußler winkt ab. Und seine Frau, die gerade den Kaffee und die Brezeln auf den Tisch gestellt hat, sagt von der Tür aus: „Nein, das wäre aber auch nicht gut gewesen.“ Beide lachen.

Er hat einen Sack voller Ehrenämter angeboten bekommen

Rainer Häußler hat also weitergemacht. Er hat einen Sack voller Ehrenämter angeboten bekommen, und einige angenommen. Er saß noch zehn Jahre nach der Amtszeit für die Freien Wähler im Kreistag, er war der Vorsitzende vom Kreisseniorenrat und im Vorstand des Landesseniorenrats. Zudem machte er für die Freien Wähler 13 Jahre lang die Geschäftsführung, ihr Schatzmeister ist er heute noch. „Um nur das Wichtigste zu nennen“, sagt er.

In der Gemeinde, die längst seine Heimat geworden ist, hat sich der aus Stuttgart stammende Häußler mit ehrenamtlichem Engagement zurückgehalten. Absichtlich. Da wäre zu viel vermischt worden, sagt er. Das Gestern und das Heute. Verbunden ist er mit Musberg trotzdem. Und das nicht nur, weil es ihm zu Füßen liegt, wenn er auf seine Terrasse tritt und runterschaut.