Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, distanziert sich von rechtem Gedankengut in der Polizei. Vorwürfe, er selbst würde ebenso keine Berührungsängste mit Rechtspopulisten zeigen, wehrt er ab. Die AfD will er vielmehr „klein halten“.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Etliche Vorfälle den vergangenen Wochen, etwa in Sachsen, lassen in der Polizei Sympathien für rechte Parteien und Gruppierungen erkennen. In Bayern wird ein Polizist von einem „Reichsbürger“ erschossen, zugleich wird gegen Beamte wegen ihrer Nähe zu der Bewegung vorgegangen. Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) und Autor des Buchs „Deutschland in Gefahr“, geht auf Abstand zu rechtem Gedankengut in der Polizei.

 
Herr Wendt, hat es Sie überrascht, dass die „ Reichsbürger“ plötzlich auffällig werden?
Dass in Bayern auf Kollegen geschossen wurde, war sicherlich eine ganz neue Eskalationsstufe. Aber dass es ein Problem mit diesen Gruppierungen gibt, ist seit Jahren bekannt. Seit längerer Zeit schon als die Polizisten berichten uns dies die Gerichtsvollzieher, die viel früher aktiv werden und Vollstreckungsbescheide überbringen sollen. Die stoßen längst auf erheblichen Widerstand.
Sind die „Reichsbürger“ ein Fall für Überprüfungen durch den Verfassungsschutz?
Ganz bestimmt. Es gibt viele Gruppierungen, bei denen harmlose Spinner mitmachen, die man aber im Blick behalten muss. Von der Ablehnung unserer Gesetze hin zur verbalen Radikalisierung und dann zur Gewalt sind es für manchen nur kurze Schritte. Es geht hier aber auch um verfassungsfeindliche Bestrebungen. Deshalb ist es richtig, dass im Vorfeld der Begehung von Straftaten der Verfassungsschutz genauer hingucken muss, denn die Polizei wird ja erst bei Verdachtsmomenten tätig. Wir sind auch klar der Auffassung, dass wir eine zentrale Informationssteuerung brauchen: Die „Reichsbürger“-Verbände sind so heterogen, dass sie sich von einem Bundesland zum anderen verlagern können – da brauchen wir ein komplettes Lagebild.
In mehrere Bundesländern wie Bayern und Sachsen-Anhalt hat es zuletzt Disziplinarverfahren oder gar Suspendierungen von Polizisten wegen ihrer Nähe zu den „Reichsbürgern“ gegeben. Waren Ihnen diese als Anziehungspunkte für Polizeibeamte bekannt?
Ja, wir wissen auch aus anderen Bundesländern, dass es dies in Einzelfällen gegeben hat. Aber es sind auch immer wieder Disziplinarverfahren eingeleitet worden. In Thüringen soll es einen Polizeihilfsverein geben, der Kollegen unter dem Deckmantel einer Selbsthilfeeinrichtung für Polizeibeschäftigte ködert. Das ist glücklicherweise nicht so verfangen. So einen Verein muss man verbieten. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Landesregierungen ganz hart dagegen vorgehen. Und wir sind der festen Überzeugung, dass solche Leute im Polizeidienst gar nichts verloren haben.
Die Nähe von Polizisten zu den „Reichsbürgern“ wirkt absurd: Sie legen den Eid auf die Verfassung ab, die sie insgeheim ablehnen oder bekämpfen?
Das ist es nicht nur bei Polizisten, sondern bei Beamten insgesamt – ich würde auch nicht wollen, dass ein „Reichsbürger“ meine Kinder unterrichtet.
Die Polizei steht ohnehin in Verdacht einer Nähe zu Rechtspopulisten – grenzt sie sich nicht deutlich genug ab?
In der Gefahr schweben wir ja immer. Polizei muss das Versammlungsrecht schützen, das nun mal auch für rechte Gruppierungen gilt. Wenn sie das tut, gerät sie selbst schnell in Verdacht, selbst rechts zu sein. Dagegen kann man sich noch so heftig wehren unter Hinweis auf den gesetzlichen Auftrag, aber der Verdacht bleibt – in besonderer Weise gegen die Bundespolizei, die ja verdachtsunabhängige Kontrollen zur Verhinderung illegaler Migration vornehmen muss. Das ist ihr Auftrag, doch wenn sie den erfüllt, wird ihr sofort rechtes Gedankengut vorgeworfen.
Ist die Polizei bezüglich des rechten Gedankenguts ein Spiegelbild der Gesellschaft?
Es wird immer der Wunsch geäußert, die Polizei möge ein Spiegelbild der Bevölkerung sein. Ich hoffe und bin aber davon überzeugt, dass sie es nicht ist. In jeder Bevölkerung gibt es einen bestimmten Anteil von Kriminellen und Extremisten. Die möchte ich alle in der Polizei nicht haben. Wir brauchen auch keine Spiegelbilder, sondern Vorbilder. Von Beschäftigten des Staates und gerade von Polizisten wird eine vorbildhafte Funktion verlangt. Ich glaube, dass wir diesem Anspruch grundsätzlich gerecht werden. Der Vertrauensvorschuss der Bevölkerung ist ein wichtiges Kapital, das wir immer neu verteidigen müssen.
In einigen Bundesländern wie Bayern oder Sachsen wird der Polizei verstärkt der Vorwurf gemacht, für Straftaten von rechts weniger empfänglich zu sein als für Gewalt von links. Gibt es also regionale Unterschiede?
Früher war das mal Mecklenburg-Vorpommern, dann wieder ein westliches Bundesland. Die Kumulation mancher Ereignisse ist manchmal unglücklich für uns – dann steht die Polizei gerade dort besonders im Fokus. Doch ich denke, dass die weit überwiegende Anzahl aller Polizisten über jeden Verdacht erhaben ist. Wir wissen, dass wir als Beamte diesem Staat in ganz besonderer Weise positiv verpflichtet sind.