An der Spitze des Philologenverbands steht jetzt ein Physiker. Ralf Scholl will als Interessenvertreter der Gymnasien kein Blatt vor den Mund nehmen.

Stuttgart - Ralf Scholl ist ein entschlossener Mann. Der Lehrer für Mathematik und Physik spricht jetzt für die Gymnasiallehrer im Südwesten. Dabei wird er wohl kein Blatt vor den Mund nehmen. Der neue Vorsitzende des baden-württembergischen Philologenverbands (PhV) versteht sich als „absoluten Pragmatiker“ und gibt sich konsequent: „Ich bestehe darauf, dass die Probleme wahrgenommen und nicht schöngeredet werden.“ Sonst gehe es nicht vorwärts.

 

Seine Richtung heißt Vorwärts

Vorwärts ist die Richtung des 1960 im thüringischen Gotha geborenen drahtigen Endfünfzigers. Er durfte als einer der Besten im Kreisgebiet ab der dritten Klasse die Eliteschule mit erweitertem Russischunterricht besuchen. Als Zwölfjähriger kam er mit seiner Mutter in den Westen, nach Heidelberg. Rechtzeitig zu den Olympischen Spielen, bei denen er „zu den Besseren“ hielt. Die Bundesdeutschen, feixt der Tanzsportler, hätten ja „nicht so furchtbar viel zu bieten gehabt“.

Zügig lernte der Gymnasiast zwei Jahre Latein nach. Der Ehrgeiz zahlte sich aus. 1,0 war das Abi, stolz berichtet er von der Aufnahme in die Studienstiftung des deutschen Volkes. Auf das Physikdiplom an der ETH Zürich folgte nach einigen Jahren an der Privatuniversität Witten-Herdecke innerhalb kürzester Zeit das Staatsexamen in Mathematik und Physik. Nach einem Einsatz an der deutschen Schule in Prag und einem Abstecher in die Wirtschaft, kam er 2003 in den Schuldienst in Baden-Württemberg. Scholl unterrichtete am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Stuttgart-Sillenbuch und am Paracelsus-Gymnasium in Hohenheim und war Vorsitzender im Hauptpersonalrat des Kultusministeriums.

Ein strenger Lehrer

Als Lehrer hat er sich den Ruf der Strenge erarbeitet. Mit sparsamer Geste macht er klar, „von laissez faire halte ich gar nichts.“ Vorwärts ist die Richtung, die er auch für seine Schüler vorgesehen hat. „Aufgabe des Lehrers ist, die Schüler an Grenzen zu führen und die Grenzen allmählich weiter hinauszuschieben. Wenn Schüler, die sich für Zweierschüler halten, auf 2,7 stehen, dann beginnen sie zu arbeiten.“ Das Gymnasium ist nach Auffassung seines ersten Lobbyisten, „einzig und allein auf die kognitive Begabung angelegt.“ Scholl tritt entschieden für die Parallelität von acht- und neunjährigem Gymnasium ein. Das entspreche dem Wunsch der Eltern und der Leistungsfähigkeit der Schüler: „Wenn man alle in einen Topf wirft, sind die tonangebend, die nicht so viel können“, konstatiert der Pädagoge.

Ralf Scholl hält von „Sonntagspädagogen“ wenig. Ganz alte Schule sagt der leidenschaftliche Tangotänzer, der es zur Trainer B-Lizenz im Tanzsport gebracht hat: „Ich bin ein Verfechter der täglichen Übungszeit.“ So lange bis der Stoff sitzt. Und Einsen gibt es nur für selbstständiges Denken.

Enttäuscht von der grün-roten Bildungspolitik

Er sei ein Grüner gewesen, erzählt er und muss lachen. Doch die grün-rote Bildungspolitik von 2011 bis 2016 hat ihn „kuriert“. Apolitisch ist er deshalb nicht geworden: „Man kann nur auf der politischen Ebene etwas ändern.“ Änderungsbedarf sieht er genug: „Lehrer ist ein Hochstressjob und die Rahmenbedingungen entwickeln sich negativ.“

An erster Stelle stört den Verbandschef die Unterrichtsverpflichtung der Gymnasiallehrer: „25 Stunden in der Woche sind hart an der Kante des dauerhaft Machbaren“. Scholl führt Bayern ins Feld mit seinen 23 Stunden für wissenschaftliche Lehrer und fordert zusätzliche Stellen. Richtig laut wird er in seinem „untypisch aufgeräumten Büro“, wenn die Rede auf die Gymnasiallehrer kommt, die sich mangels anderer Stelle für den Dienst in der Grundschule gemeldet haben. Dass diese Kollegen nach einiger Zeit eine Garantie auf Einstellung an einem Gymnasium haben, ist für Scholl eine Fehlplanung. „Wir werden dagegen Sturm laufen. Eine Probezeit für die Oberstufe muss her“, kündigt er an. Er wird seinen Forderungen Nachdruck verleihen. Er wisse schon wie, schmunzelt er.