Ramadan im Kreis Böblingen Fastenbrechen unterm Kruzifix

Längst kein Tabu mehr: interreligiöses Fastenbrechen unter dem Kruzifix im katholischen Gemeindezentrum Foto: Archiv/Andreas Senn

Die Idee des gemeinsamen Essens nach Sonnenuntergang findet immer mehr Anhänger in Böblingen und Sindelfingen – unter Moslems und Christen. In Böblingen stärkt es die Bande zwischen den Religionen.

Böblingen: Jan-Philipp Schlecht (jps)

An diesem Freitag wird es wieder soweit sein: Wenn die Sonne hinter dem Horizont versunken ist, wird im katholischen Gemeindezentrum St. Bonifatius in der Sindelfinger Straße in Böblingen festlich aufgetischt. Dort steigt zum dritten Mal das interreligiöse Fastenbrechen, das im arabischen Sprachraum Iftar heißt und sich im Kreis Böblingen einer wachsenden Beliebtheit erfreut. Auf den ersten Blick mag es seltsam anmuten: eine ursprünglich islamische Tradition unter dem Kruzifix in St. Bonifatius zu pflegen. Doch das Tabu, wenn es überhaupt eines war, ist längst gebrochen.

 

Dafür gesorgt haben zwei Böblinger Vereinigungen, die sich über die gemeinsame Pflege von religiösen Bräuchen immer näherkommen: Der Verein „Vision für ein besseres Miteinander“, in dem der Böblinger Geschäftsmann Oktay Keskin eine treibende Kraft ist, sowie das interreligiöse Projekt „Dem Himmel nah“, das der katholische Pastoralreferent Andreas Senn ins Leben gerufen hat. Fand das Fastenbrechen bis 2022 noch im Böblinger Treff am See statt, zog man 2023 aus Platzgründen nach St. Bonifatius.

„Wir wollten dem Fastenbrechen mehr Raum geben, es öffnen und niederschwellig gestalten“, sagt Senn. Er kennt die verschiedenen Glaubensrichtungen von seinem interreligiösen Projekt „Dem Himmel nah“, in dem er unter anderem schon gemeinsame Osterfeuer auf dem Flugfeld entfacht hat und das Projekt seitdem am Brennen hält. „Durch die Begegnung mit Vertretern anderer Glaubensrichtungen spüren viele: Die beißen gar nicht.“

Vorbehalte gegenüber dem Islam abzubauen, ist auch für Keskin eine wichtige Triebfeder: „Wer uns nicht kennt, hat zum Teil Vorbehalte. Das finden wir schade. Wer uns kennt, wird sehen, dass wir etwas weitergeben wollen in die Gesellschaft und sehr offen sind.“ Beim genaueren Hinsehen wird zudem deutlich, dass das Fasten tatsächlich ein verbindendes Element zwischen vielen Religionen ist. „Jede Glaubensrichtung hat eine asketische Tradition, indem sie sich darauf besinnt, was der einzelne wirklich zum Leben braucht“, sagt Senn.

Lichtermeer beim Fastenbrechen auf dem Sindelfinger Marktplatz 2024 Foto: Archiv/Stefanie Schlecht

Im Christentum gibt es eine Bandbreite des Verzichts: Von alkoholfreien Wochen bis zur Abstinenz von elektronischen Medien oder Süßigkeiten. Der Zeitraum hingegen ist festgelegt auf die Wochen zwischen Aschermittwoch und Ostern. Wesentlich strikter sind die Regeln im Islam. „Was viele nicht wissen: Das islamische Jahr hat nur 355 Tage“, sagt Oktay Keskin. „Daher verschiebt sich der Ramadan jedes Jahr um zehn Tage nach vorne.“ 2025 dauert die Abstinenzphase von 1. bis zum 30. März, in der zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang nichts zu sich genommen werden soll.

Zentrales Thema: Menschenwürde

Das Fastenbrechen stellen beide in diesem Jahr unter das Thema Menschenwürde. Ein Wert, der im Islam sehr wichtig sei, sagt Keskin. Andreas Senn: „Wir stehen vehement dafür ein, einen Beitrag gegen Rassismus zu leisten.“ Am Montag, 17. März, findet daher um 17 Uhr ein multireligiöses Friedensgebet im Ökumenischen Gemeindezentrum auf der Diezenhalde statt. Dort kommen Impulse aus dem Judentum, Christentum, der Orthodoxie, dem Islam und der Bahà’i-Religion. Die Aktion findet im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus statt. Mitglieder und Unterstützer des Vereins „Landkreis Böblingen bleibt bunt“ haben sie mit initiiert.

Das interreligiöse Fastenbrechen in Böblingen steigt am Freitag, 14. März ab 18 Uhr, (Sonnenuntergang: 18.28 Uhr). Veranstaltungsort ist das Gemeindezentrum St. Bonifatius am gleichnamigen Platz. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten.

In Sindelfingen laden Vertreter der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüş, die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion und der Nationale Verein türkischer Arbeitnehmer Sindelfingen zum Iftar-Fest am Sonntag, 23. März auf den Marktplatz. Das Programm beginnt um 17 Uhr, die Sonne geht um 18.47 Uhr unter.

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