Ramadan in Esslingen „So wird der Segen größer“ – Geflüchtete brechen gemeinsam das Fasten

Mehmet Aslan (links) und Kamal Osman freuen sich auf ihren Gewürzreis. Foto: Roberto Bulgrin

Während des Ramadans legen viele Muslime besonderen Wert auf Gemeinschaft. Geflüchteten fehlt es jedoch oft an sozialen Kontakten. Umso mehr schätzen sie Treffen zum Fastenbrechen – wie beim Esslinger Stadtjugendring.

Volontäre: Valentin Schwarz (vas)

Auf den Biertischen stehen Teller voll würzigem Reis, gespickt mit Rosinen und veganem Hähnchenersatz. Dazu gibt es Fladenbrot, Knoblauchjoghurt sowie einen Salat aus Gurken, Tomaten, frischer Minze und Granatapfelkernen. Und als Nachtisch: Datteln, Wassermelone und zuckrige arabische Desserts.

 

Rund 20 Menschen warten in einem kleinen Haus auf dem Hof des Esslinger Stadtjugendrings darauf, diese Köstlichkeiten verspeisen zu können. Die meisten der Anwesenden – allerdings nicht alle – sind muslimischen Glaubens. Sie verzichten derzeit während des Ramadans von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf Essen und Trinken. Gegen 18.30 Uhr ist es dann soweit: Das „Iftar“ – das Mahl des täglichen Fastenbrechens – beginnt.

Fastenbrechen in Esslingen hilft Geflüchteten

Kamal Osman sagt über das Treffen in der Pliensauvorstadt: „Das ist besser, als alleine zuhause zu essen.“ Der 29-Jährige ist vor vier Jahren aus den kurdischen Gebieten in Nordsyrien nach Deutschland gekommen. Nach dem Grund für seine Flucht gefragt, antwortet er knapp: „Wegen des Krieges.“ Zwar hat er sich in der neuen Heimat inzwischen gut eingefunden und beim Kirchheimer Betrieb Schempp-Hirth eine Ausbildung zum Flugzeugbauer absolviert. Doch ihm fehlt seine Familie, die er in Syrien zurückgelassen hat.

Umso mehr freut Osman die Möglichkeit, das Fasten in der Gemeinschaft zu brechen. Er sagt: „Es macht Spaß, hier mit Menschen aus anderen Ländern wie der Türkei, Afghanistan und Deutschland zusammenzukommen.“ Seinem Landsmann Mohammad Almekhelf geht es ähnlich. „So viele Leute sehe ich nicht oft“, sagt der 22-Jährige.

 

Zwar gibt es einige Dinge, die Almekhelf an Deutschland schätzt, insbesondere im Vergleich zu den Verhältnissen in Syrien. Die politische Meinungsfreiheit etwa. Oder das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, das auch für queere Menschen gilt. Und die Nähe zu den Alpen, von denen der leidenschaftliche Wanderer schwärmt. Sich sozial auszuleben, falle ihm in Deutschland allerdings schwer.

Soziale Hürden für Geflüchtete in Deutschland

„Hier müssen die Leute immer auf einen Termin und haben keine Zeit“, sagt Almekhelf, der seit anderthalb Jahren in Esslingen lebt. Ihm selbst gehe das längst ähnlich. „Das ist nicht gut für das Sozialleben.“ Besonders junge Leute hätten es in dieser Hinsicht nicht leicht. In Syrien fänden trotz des Krieges ständig Partys und andere Veranstaltungen statt. Das sei in Deutschland viel weniger ausgeprägt. „Ich finde es auch komisch, dass hier kaum Kinder auf der Straße spielen“, fügt Almekhelf hinzu.

Um die hiesige Kultur – und auch den schwäbischen Akzent – besser zu verstehen, würde er sich gerne häufiger mit Muttersprachlern austauschen. Doch dazu komme es kaum. Unter anderem, weil ihm bislang der berufliche Kontakt fehle. Für einen Minijob erhalte er keine Arbeitserlaubnis und ein Vollzeitjob lasse sich zeitlich nicht mit seinem Sprachkurs vereinbaren.

Für viele bleibt es beim „Iftar“ des Projekts Yalla Salim nicht bei einer Portion. Foto: Roberto Bulgrin

Treffen wie das „Iftar“ beim Stadtjugendring sind für Almekhelf deshalb ein wichtiger sozialer Ausgleich. Mit Osman habe er sich direkt angefreundet. Und mit dem Essen sowieso. „Dem Reis gebe ich elf von zehn Punkten“, lobt er.

Geflüchtete kochen beim Fastenbrechen in Esslingen

Auch Mehmet Aslan hat sich stundenlang auf das Mahl gefreut. „Bis 15 Uhr ist das Fasten für mich kein Problem.“ Danach setze jedoch der Hunger ein. Aber das gehöre als gläubiger Muslim nun einmal dazu, sagt der 27-Jährige, der vor zwei Jahren aus der Türkei nach Esslingen gekommen ist. Hier arbeitet er nun als Krankenpfleger, will nach einer Ausbildung aber wieder wie in der Türkei als Grafikdesigner tätig werden. Das Fastenbrechen in der Gruppe ist für Aslan ein schöner Moment. „Ich denke, dass der Segen größer wird, wenn Menschen mit Liebe zusammenkommen und gemeinsam essen“, sagt er. Veranstalter des Treffens ist das Projekts Yalla Salim, das sich an junge, männliche Geflüchtete richtet. Die dafür zuständige Sozialarbeiterin Alexandra Vogel erzählt: „Viele brechen das Fasten gerne in der Gemeinschaft.“ Man wolle deshalb auch denjenigen, die ohne ihre Familie in Deutschland leben, die Möglichkeit dazu geben.

Gleichzeitig legt Vogel Wert darauf, dass sich die Anwesenden nicht nur bedienen lassen. Einige von ihnen habe sie im Voraus gebeten, beim Kochen zu helfen und den Raum herzurichten.

Viel Überzeugungskraft sei dafür aber nicht notwendig gewesen. Geflüchtete hätten häufig ohnehin das Bedürfnis, sich einzubringen. Vogel sagt: „Je wohler sich die Menschen irgendwo fühlen, desto mehr machen sie von sich aus.“

„Iftar“-Treffen in Esslingen

Für alle
Der Ramadan dauert in diesem Jahr bis zum 30. März an. Währenddessen gibt es in Esslingen zahlreiche Treffen zum Fastenbrechen. So findet in der Yunus-Emre-Moschee jeden Abend ein gemeinsames „Iftar“ statt. Dazu sind alle Menschen eingeladen, unabhängig von der Region. Selbiges gilt für eine Veranstaltung im Jugendhaus Nexus am 28. März.

Für Gruppen
Die Esslinger Antidiskriminierungsstelle richtet am 21. März in der Mensa der Herderschule ein Fastenbrechen speziell für Frauen aus. Die „Iftar“-Treffen im Kulturpalast des Stadtjugendrings in der Stuttgarter Straße 2 sind eine Kooperation zwischen dem Esslinger Jugendbüro und dem Projekt Salim. Hier können immer mittwochs Menschen aller Religionen zwischen 14 und 27 Jahren teilnehmen.

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