Ramelow in Thüringen gewählt Triumph der Staatsräson

Verspäteter Amtseid: Bodo Ramelow (Linke) nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten. Foto: dpa/Martin Schutt

Die Wahl eines Ministerpräsidenten sichert Thüringen ein Minimum an Stabilität. Und was noch wichtiger ist: der AfD war kein neuerlicher Erfolg ihrer destruktiven Politik vergönnt, meint der StZ-Autor Armin Käfer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Demokratie ist ein wahres Minenfeld – zumindest in Thüringen. Bis zuletzt waren neuerliche Scharmützel nicht auszuschließen, die das Ansehen der Republik noch mehr beschädigt hätten. Immerhin ist es vier Monate nach der Landtagswahl nun aber gelungen, ohne weitere Eruptionen einen Ministerpräsidenten zu installieren. Bodo Ramelow darf das Amt vorerst behalten und einer beschleunigten Neuwahl entgegen verwalten. Eine antifaschistische Heldentat zur Abwehr rechtsextremer Verhinderungspolitik ist das nicht. Aber sehr wohl ein Triumph der Staatsräson über die Ranküne der AfD – und die strategische Dummheit in den Reihen von CDU und FDP. Diese beiden ehedem für staatstragend geltenden Parteien haben die Manöver der vergangenen Wochen nur schwer ramponiert überstanden.

 

Die AfD hat nichts unversucht gelassen, die Konkurrenz noch einmal vorzuführen – und mit ihr den gesamten parlamentarischen Betrieb als eine Schmierenkomödie, in der ziemlich viele Rollen tölpelhaft besetzt sind. Der taktische Umgang mit verfassungsgemäßen Verfahren entlarvt ihr zynisches Verhältnis zur Demokratie. Staatsbürgerliche Verantwortung bleibt für diese Herrschaften ein Fremdwort. Die Kandidatur von Björn Höcke, der mit richterlichem Segen „Faschist“ genannt werden darf, verfolgte allein den Zweck, andere Parteien und eventuelle Mehrheiten für Ramelow in den ersten beiden Wahlgängen zu diskreditieren. Höcke agierte als Galionsfigur für die destruktiven Absichten dieser Partei.

CDU und FDP im Abseits der Macht

CDU und FDP haben an diesem Mittwoch exakt den Part gespielt, den das Wahlergebnis von Ende Oktober ihnen zumisst: Sie bewegen sich im Abseits der Macht. Immerhin ist es ihnen gelungen, durch größtmögliche politische Abstinenz kein weiteres Unheil anzurichten. Die aberwitzige Idee in den Reihen der vormals blamierten Liberalen, sich der Wahl zu verweigern, um ja keinen neuerlichen Fauxpas zu riskieren, verrät viel über deren Verfassung. So demonstriert man nur eines: die eigene Entbehrlichkeit.

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Ramelow hat der CDU einen großen Dienst erwiesen, indem er öffentlich kundtat, er sei auf deren Stimmen nicht angewiesen. Die Christdemokraten waren in der absurden Situation, unter keinen Umständen für den moderaten Linken stimmen zu dürfen, aber zugleich darauf hoffen zu müssen, dass er Ministerpräsident wird. Sonst hätte kurzfristig eine Neuwahl angestanden, bei der sie nur verlieren konnten. Mit ihren Enthaltungen auch im dritten Wahlgang haben sie einen roten Teppich ausgerollt, über den Ramelow erneut in Richtung Staatskanzlei spazieren konnte – ohne gegen den Unvereinbarkeitsbeschluss der Bundes-CDU zu verstoßen. Dieser Beschluss tut so, als seien Leute wie Höcke und Ramelow gleichermaßen Feinde der Demokratie. Dabei handelt es sich bei dem einen um einen Rechtsextremisten, bei dem anderen um einen Sozialdemokraten, der mit den diktatorischen Erblasten seiner Partei persönlich nichts zu schaffen hat.

Minimum an Stabilität

Die Union hat sich in dieser Frage selbst eingemauert. Ein realitätsferner Schematismus, der an Borniertheit grenzt, muss vor Verhältnissen kapitulieren, wie sie in Thüringen herrschen. Das ist einer Partei unwürdig, deren lange Erfolgsgeschichte auf pragmatischer Politik beruht.

Die Wahl des Ministerpräsidenten nach dem Betriebsunfall im ersten Anlauf sichert Thüringen nun ein Minimum an Stabilität. Wie verlässlich der Stabilitätspakt ist, auf den sich Ramelows Minderheitsregierung stützen will, muss sich erst erweisen. Mehr als ein paar Monate bleiben ihr ohnehin nicht vergönnt. Alles, was sie nicht zuwege bringt, würde nur den Kräften nutzen, die für dieses Mal noch einmal unterlegen sind.

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