Eine neue Leonberger Stadtteilführung im Ramtel, auch Klein Moskau genannt, bringt auch auf diese Frage eine Antwort.

Leonberg - Unter dem Motto „Kennen Sie Leonberg?“ hatte das Stadtmarketing erstmals zu einem Stadtteilrundgang durch das Ramtel eingeladen. Rund 20 Teilnehmer führte der Lokalhistoriker Gerd Jenner in einem Rundkurs um die Versöhnungskirche. Und hier im auf den ersten Blick unspektakulären Stadtgebiet gab es Spannendes zu entdecken.

 

Doch zunächst stand die Frage im Raum, ob es nun „das“ Ramtel oder „der“ Ramtel heißt? Unter den Teilnehmern war man sich uneinig, obwohl viele von ihnen bereits seit langer Zeit hier wohnen. Eine Teilnehmerin schlug vor, einfach nur „s’Ramtel“ zu sagen, um das Problem zu umgehen. Aber Gerd Jenner war gut vorbereitet und hatte die korrekte Antwort natürlich parat, „es heißt das Ramtel, weil der Name auf das Ramital zurückgeht, wie dieses Gebiet auf Eltinger Markung im 16. Jahrhundert hieß. Später wurde daraus dann das Ramtel, das übrigens adeliger Abstammung ist, denn aus einem Weinberg des Hauses Württemberg ist diese Siedlung entstanden.

Ein Gartenhäuschen für August Lämmle

Von den einstigen Weinbergen ist nicht mehr viel zu sehen, nur einige verwilderte Gärten entlang der Straße „Am Bockberg“ erinnern noch daran. Hier hatte auch der Lehrer und Mundartdichter August Lämmle 1937 ein Gartenhäuschen gebaut. Lämmle selbst wohnte in Bad Cannstatt. Als er im Krieg dort ausgebombt wurde, zog er 1944 ins Ramtel. „Er war somit der erste, der hier dauerhaft gewohnt hat“, erzählt Gerd Jenner. Im Jahr 1936 hatte Lämmle das Grundstück sehr günstig von der Stadt Leonberg gekauft, der jüdische Vorbesitzer hatte es unter Wert abgeben müssen. Ein fragwürdiger Kauf durch die durchaus kontrovers zu sehende Person August Lämmle. „Aber er gehört zur Geschichte des Ramtel“, ergänzt Jenner.

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Zu den weiteren Bewohnern dieses Gebietes zählten nach dem Zweiten Weltkrieg zahlreiche Heimatvertriebene aus den Ostgebieten, die hier Anfang der 50er Jahre Wohnungen, Siedlungs-Reihenhäuser und drei Hochhäuser bezogen. „Klein-Moskau“ wurde die Siedlung daher auch genannt. In einer der Hochhauswohnungen traf sich ab Ende der 1950er Jahre die Dichtergruppe „Leonberger Hain“ um den Dichter Eckhart Kleßmann, wie Gerd Jenner recherchiert hat. Mit wachsender Bevölkerung kamen bald eine Kirche und eine Schule hinzu, beides zunächst Baracken, bis zum Neubau 1963 bis 1965 in Hanglage über dem Stadtteil.

Die Versöhnungskirche ist unverwechselbar

Die Versöhnungskirche ist das markanteste Bauwerk im Ramtel. Die Kirchengemeinde gab dem Architekten Heinz Rall auch aufgrund der in der Nachkriegszeit begrenzten finanziellen Mittel den Auftrag für ein schlichtes Multifunktionsgebäude, das allerdings durch den weithin sichtbaren Turm unverwechselbar als Kirche zu erkennen ist. Es sollte eine Alltagskirche werden. Daher gibt es auch keine festinstallierten Sitzbänke, sondern Stühle. Noch heute verfügt die Kirche über eine außerordentlich gute Akustik. Ihren Namen Versöhnungskirche bekam die Kirche in Anlehnung an den Satz aus der Bergpredigt: „Gehe hin und versöhne Dich mit Deinem Bruder“, der in einem Betonstein im Eingangsbereich verewigt ist. Die damals 16-jährige Ursula Gohl hatte in einem Wettbewerb den Namen „Versöhnungskirche“ vorgeschlagen.

Heute ist das an die Autobahn direkt angrenzende Wohngebiet am Rübezahlweg eine gärtnerische Idylle geworden und auf dem Autobahndeckel ist ein kleiner Park mit Spielplatz entstanden. Dennoch bleibt der Autoverkehr in den engen Straßen des Ramtel eines der zentralen Themen der Zukunft.