In Berlin eskaliert der Konflikt zwischen Linksextremen und Staat nach der Teilräumung eines Wohnprojekts. Für Samstag fürchten die Sicherheitsbehörden Randale.

Berlin - Die Botschaft auf dem Video ist eindeutig: Meterhoch lodern die Flammen aus brennenden Autos, Vermummte werfen Molotowcocktails, prügeln auf Polizisten ein – so ruft die linksextremistische Szene für diesen Samstag zur Krawallen in Berlin auf. „Solidarität mit der Rigaer 94“ heißt der Titel des Propagandafilms. Zu besseren Verständlichkeit erfolgt der Aufruf „Kommt nach Berlin“ zweisprachig, und ein Screenshot von Google-Maps zeigt den Brennpunkt des Geschehens: Die Rigaer Straße 94, ein linkes Wohnprojekt in einem Haus im Szenestadtteil Friedrichshain.

 

Seit Wochen baut sich an diesem symbolträchtigen Ort der Konflikt zwischen der gewaltbereiten linksextremen Szene und dem Staat auf. Nachdem die Polizei das Gebäude in einem robusten Großeinsatz teilweise geräumt hatte, brennen jede Nacht Autos in der Gegend – und im ganzen Stadtgebiet droht die Szene mit Graffiti: „Nehmt ihr uns die Rigaer, machen wir die City platt.“

Die „Rigaer“ als Kampfbegriff gegen die Gentrifizierung

Der Streit um das Haus dauert seit Jahren, die „Rigaer“ ist zum Symbol für den Kampf gegen die Aufwertung städtischen Wohnens, der so genannten Gentrifizierung geworden. Das Haus ist eines der letzten verbliebenen linken Wohnprojekte in dem Stadtteil. Nach der Wende wurde der kommunale Bau besetzt, Anfang der Neunziger gab es Mietverträge. Seit der Bau vor mehr als 15 Jahren mit anderen Häusern an einen Investor verkauft wurde, kommt es immer wieder zu Teilräumungen und Neubesetzungen. In den vergangenen Jahren durchsuchte die Polizei wiederholt Wohnungen, weil jeweils der Verdacht politisch motivierter Anschläge bestand – in einem Fall ging es um einen Angriff auf Polizisten mit Molotowcocktails. Wegen der hohen Zahl politisch motivierter Straftaten ist das Gebiet seit gut einem Jahr zum „kriminalitätsbelasteten Ort“ erklärt worden, was rechtlich Kontrollen ohne konkreten Anlass ermöglicht. Seit sich die Polizei im Januar auf dieses Recht berief und nach einem Angriff auf einen Streifenbeamten mit 500 Mann und einem Sondereinsatzkommando das Haus durchsuchte, sieht sich die Szene im aktiven Widerstand.

Derzeit eskaliert der Konflikt: Die Polizei räumte am 22. Juni Räume des Hauses, für die offenbar keine Mietverträge vorlagen, darunter ein Szene-Lokal. Es wurde mit Bauarbeiten begonnen, die von einem privaten Sicherheitsdienst geschützt werden. Seitdem wurden in dem Gebiet mehr als 50 Autos angezündet. Die Szene bezeichnet dieses Datum als den „Tag X“. Wie gewaltbereit und skrupellos die Bewohner zu handeln bereit sind, zeigt ein weiteres Video: Mehrere Vermummte dringen in das Büro der Hausverwaltung ein – einer hat einen Hammer dabei – und drohen den Angestellten: „Du lässt die Finger von der Rigaer.“

Die Szene ruft zu Gewalt auf

Bei der Demonstration am Samstag, die als Protest gegen Verdrängung eigentlich schon lange angemeldet war, soll es jetzt nach dem Willen gewaltbereiter Protestierer richtig krachen. Das Video mit den Gewaltaufrufen zeigt Straßenschlachten aus Frankreich und Griechenland. Es endet mit einer Sequenz aus der Abendschau des Rundfunks Berlin-Brandenburg, in der es heißt: „Wenig später eskaliert die Situation. Auf die wenigen Beamten, die in die Rigaer Straße kommen, ergießt sich ein wahrer Steinhagel.“

Die Sicherheitsbehörden haben Hinweise darauf, dass Linksextremisten aus dem ganzen Bundesgebiet zu den Protesten bei Einbruch der Dunkelheit kommen. Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) sah sich am Freitag veranlasst, die Stärke der Polizei zu beschwören. „Die Polizei wird mit einem entsprechend starken Kräfte-Einsatz präsent sein“, ließ Henkel mitteilen. Auch in der Nacht werde es im Stadtteil eine hohe Polizeipräsenz geben um „Aktionen im Nachgang“ zu unterbinden.

Politisch steigt der Druck auf die Verantwortlichen im Senat – und seit vergangener Woche wird der Konflikt auch für den beginnenden Wahlkampf instrumentalisiert. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) überraschte vor dem Hintergrund der Gewalt mit der Aufforderung, Verhandlungen zu prüfen. Die Union lehnt es strikt ab, mit Leuten zu verhandeln, die mit Gewalt drohen. „Ein klare Distanzierung von SPD, Linken und den Grünen zu linker Gewalt in Berlin ist nötiger denn je“, erklärte Berlins CDU-Generalsekretär Kai Wegner.