Die Kreativwirtschaft in Stuttgart gewinnt an Bedeutung. In einer Serie stellen wir die Protagonisten der Kreativszene vor. Zwischen Studio-Suche und Kollegah: von Zwillingen, die Gangster-Rap produzieren.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Die Geschichte der Zwillinge Kevin und Tim Gomringer ist die Geschichte des schwäbischen Tüftlers in einer besonders charmanten Variante erzählt. Die beiden Jungen Herren aus Holzgerlingen produzieren die Beats für die ganz bösen Buben des deutschen Raps.

 

Die Gebrüder Gomringer sind zudem ein gutes Beispiel, wie vielschichtig die Kreativwirtschaft in der Region Stuttgart mittlerweile ist. Musikalisch wird die Stadt oft auf Cro und Chimperator reduziert. Die Gomringer-Brüder machen aber genau das Gegenteil der Pop – und Rap-Melange von Cro. Die beiden sind der Schlüssel zu der Welt des Gangster-Raps aus Deutschland. Cubeatz sorgen für den Soundtrack zur Shisha-Lounge: Über ihre Instrumentals rappen böse Buben wie Kollegah oder Farid Bang. Was viele nicht wissen: Der Musiker Kollegah, der erfolgreichste Vertreter des Gangster-Genres seit Bushido, verkauft ähnlich viele Alben wie Cro. Kollegah, mit bürgerlichem Namen Felix Blume, studiert neben seiner Rap-Karriere Jura an der Uni Mainz. Sein viertes Studioalbum mit dem bescheidenen Namen „King“ verkaufte sich binnen 24 Stunden 100 000 Mal.

Von Null auf Platz elf in den deutschen Charts

Vor solch einem Erfolg ziehen die Gomringers ihre Baseball-Kappen. Derzeit suchen sie ein Studio in Stuttgart. Treffpunkt in der Nähe des Hauptbahnhofs, Zeit, bei einem Spaziergang am Rande der größten Baustelle des Landes über die Anfänge ihrer noch jungen Karriere zu plaudern. „Wir haben mit 18 begonnen, eigene Lieder zu produzieren“, sagt Kevin Gomringer. „Über das Internet haben wir mit fünf Songs an einem Workshop teilgenommen. Der Produzent hatte keine Verbesserungsvorschläge und hat uns direkt vorgeschlagen, mit ihm zusammenzuarbeiten.“

Nachdem die beiden zuvor nur zum Spaß produziert hatten, landeten gleich fünf ihrer beim Workshop eingereichten Stücke auf einem Platz-11-Album. „Das war eine schöne Bestätigung“, sagt Kevin, dessen Augenringe von langen Nächten im Studio erzählen. Klassische Zwillingswitze wie die Frage nach einem lustigen Täuschungsversuch der Freundin parieren beide mit erstaunlicher Lässigkeit. „Ja, wir haben jeder eine eigene Freundin. Ja, wir haben in der zweiten Klasse in Mathe Plätze getauscht, weil Kevin besser war als ich“, sagt Tim, ohne mit der Wimper zu zucken.

Je erfolgreicher die Produktion, desto heikler die Samples

Zum Hip-Hop kamen die beiden während ihrer Zeit auf der Realschule. Selbst zu rappen kam für die beiden aber nicht in Frage. „Ein Rapper muss ein bestimmtes Image mitbringen, wir wollten aber nicht vor die Kamera stehen und sagen, wir sind die bösen Buben aus Holzgerlingen“, sagt Kevin Gomringer erfrischend nüchtern.

Mittlerweile haben es sich die beiden im Lokal Schankstelle bequem gemacht. Auf dem Tisch vor den Zwillingen stehen zwei Cola light. Anfangs haben sich die beiden der im Hip-Hop typischen Sample-Technik bedient: Man nimmt ein Versatzstück eines bestehenden Songs und baut daraus ein neues Stück Musik. Heute spielen die beiden ihre Melodien komplett selbst am Computer ein. Das hat auch rechtliche Gründe. „Früher erreichten wir mit einem Song in der Regel Platz 50 oder 60 in den Charts, da steht man nicht so sehr im Fokus“ erzählt Kevin. Seit die beiden aber eine goldene Schallplatte zuhause haben und ihre Produktionen in den Top Ten landen, sei das Thema Samples viel heikler.

Derzeit produzieen die Zwillinge einen Rapper in Gladbach

Der Erfolg verändert auch den Produktionsprozess der schwäbischen Zwillinge: „Früher haben wir die Beats zuhause fertig gemacht und dann Pakete mit fünf, sechs Instrumentals verschickt. Heute kümmern wir uns um die komplette Produktion eines Albums.“ Derzeit feilen die beiden in Gladbach am neuen Album von Rapper Summer Cem. Die beiden jüngsten Werke des Rappers mit den türkichen Wurzeln trugen Titel wie „Sucuk & Champagner“ – und schafften es ebenfalls in die Top Ten der deutschen Charts.

Dieser Schritt vom Beatmaker zum Produzent sei für die Gomringer-Brüder, die unter dem Namen Cubeatz fungieren, von elementarer Bedeutung. „Die Konkurrenz ist sehr groß geworden, jeder kann sich für wenig Geld die passende Software herunterladen. Zehn emotionale Beats ergeben aber noch kein Album mit einer gescheiten Dramaturgie.“

Gelernt haben die Zwillinge beide Groß- und Außenhandelskaufmann, anschließend haben sie eineinhalb Jahre Musik an einer privaten Hochschule in Feuerbach studiert. Mittlerweile sind sie selbstständig mit einem Verlagsdeal beim Branchenriesen Sony. Diese Geschäftsbeziehung bringt mit sich, dass das Majorlabel den Brüdern manchmal anbietet, große Pop-Künstler zu produzieren. „Sony kam kürzlich mit dem Vorschlag, doch mal etwas für Eros Ramazzotti zu machen“, sagt Tim Gomringer. „Wir hoffen aber ehrlich gesagt eher, auf der Schiene mal für einen US-Rapper arbeiten zu dürfen“, ergänzt Kevin. „Wobei eine Single für Eros finanziell der Hammer wäre: Da machst du mehr Geld als mit fünf Rappern zusammen.“

Hayvan von KC Rebell feat. Summer Cem, produziert von Cubeatz

Zu spät/I remember when von Fard feat. Bobby V

Auge von KC Rebell, produziert von Cubeatz

Lass los von PA Sports feat. Mehrzad, produziert von Joshimixu & Cubeatz