Warum haben Polizisten in den USA zwei schwarze Männer erschossen? Ein weißer Gouverneur legt Rassismus nahe. Ein emotionaler Präsident redet seiner Nation ins Gewissen - direkt nach der Landung in Polen.

Falcon Heights/Baton Rouge/Warschau - Der Tod zweier Schwarzer durch Polizeikugeln ist nach Ansicht von US-Präsident Barack Obama ein Ereignis, das alle Amerikaner gleichermaßen angehen muss. „Wir erleben so etwas viel zu oft“, sagte Obama unmittelbar nach der Landung in Warschau, wo er in der Nacht zum Freitag zum Nato-Gipfel eintraf.

 

In Falcon Heights (Minnesota) starb Philando Castile (32) im Krankenhaus, nachdem ein Polizist bei einer Fahrzeugkontrolle auf ihn geschossen hatte. 48 Stunden zuvor hatten in Baton Rouge (Louisiana) zwei Polizisten Alton Sterling (37) auf einem Parkplatz zu Boden gezwungen und ihn aus nächster Nähe erschossen.

Wandel passiert zu langsam

Emotional zitierte Obama mehrere Statistiken, die die Benachteiligung von Afroamerikanern im US-Alltag belegen. „Menschen guten Willens können das besser“, sagte Obama. „Der Wandel passiert zu langsam. Wir müssen dem mehr Dringlichkeit verleihen.“

Der sichtbar berührte Präsident beschwor die Amerikaner, nach dem Geschehenen nicht in routinierte Reaktionsmuster zu verfallen, sondern innezuhalten.

Der Gouverneur des Bundesstaates Mark Dayton, selbst kein Afroamerikaner, legte in der „Washington Post“ Rassismus als Grund für die Schüsse nahe. „Wäre das passiert, wenn die Insassen weiß gewesen wären? Ich denke nicht. Niemand sollte in Minnesota wegen eines defekten Rücklichts erschossen werden.“

Obama hatte in einem langen Beitrag auf Facebook geschrieben, die Vorfälle seien keine isolierten Ereignisses, sondern Symptome größerer Herausforderungen für das Justizsystem, ethnische Ungleichheiten, und eines daraus entstehenden Misstrauens zwischen den Sicherheitsbehörden und den Kommunen.

Friedliche Proteste

Obama wörtlich: „Alle Amerikaner sollten die Wut, die Frustration und die Trauer anerkennen, die so viele Amerikaner fühlen - Gefühle, die in friedlichen Protesten und Mahnwachen ihren Ausdruck finden. Michelle und ich teilen diese Gefühle.“

Handy-Videos beider Ereignisse verbreiteten sich rasch im Internet, sie wurden hunderttausende Male angesehen und geteilt. Hunderte Menschen protestierten vor Ort, auch in den sozialen Netzwerken kam es zu wütenden Reaktionen, so auch von der Anti-Rassismus-Bewegung „Black Lives Matter“ (#Alton Sterling, #PhilandoCastile).

In einer aktuellen Pew-Umfrage berichten Schwarze um ein Vielfaches mehr als befragte Weiße von alltäglichem Rassismus, schlechteren Schulen, von Schwierigkeiten im Umgang mit der Polizei oder bei der Arbeitsplatzsuche, in Restaurants, Banken oder vor Gericht.

Fast 90 Prozent der Afroamerikaner finden, dass das Land dringend weitere Fortschritte auf dem Weg zur Gleichberechtigung von Schwarz und Weiß machen muss. 43 Prozent glauben aber nicht, dass das passiert. Dem stehen in der Erhenung (Washington) nur gut die Hälfte der Weißen gegenüber, die sich ebenfalls für Veränderungen aussprechen. 38 Prozent der Weißen sagen, es sei längst genug passiert.