Oliver Kube und Claudia Dziubas halten der Linkspartei rassistische Tendenzen vor – und treten deshalb aus. Ihr Gemeinderatsmandat in Ludwigsburg geben sie nicht zurück. Stattdessen kooperieren sie künftig mit einer von Jutta Ditfurth gegründeten Wählergemeinschaft.

Ludwigsburg - Die Vorstellung klingt abstrus: rechtsradikale Umtriebe in der Linkspartei? Genau das werfen die Ludwigsburger Stadträte Oliver Kube und Claudia Dziubas der Linken vor – und sind deshalb, wie sie am Mittwoch in einer Erklärung mitteilten, mit sofortiger Wirkung aus der Partei ausgetreten. Diese verfügt damit im Ludwigsburger Gemeinderat über keine Stadträte mehr, denn Kube und Dziubas werden ihr Mandat behalten, aber künftig als ÖkoLinX – Antirassistische Liste in dem Gremium sitzen.

 

Die Wählervereinigung wurde im Jahr 2000 gegründet, ist bislang aber nur in Frankfurt am Main aktiv. Dort wurden Vertreter mehrfach in die Stadtverordnetenversammlung gewählt, prominentestes Mitglied ist Jutta Ditfurth, Aktivistin, Autorin und einst Mitbegründerin der Grünen. „Wir haben mehrere gute Gespräche mit ihr geführt und uns auf eine Kooperation verständigt“, sagt Kube. Ditfurth selbst äußert sich auf Facebook und jubelt über den Übertritt der Ludwigsburger Stadträte. „Wir freuen uns über die Erweiterung unseres Projekts im Süden“, erklärt sie. „Wir laden diejenigen zur Zusammenarbeit ein, die politisch unzufrieden sind mit ihrer Partei.“

Auf den Austritt folgt die Generalabrechnung

Kube und Dziubas verknüpfen ihren Austritt mit einer Generalabrechnung. Innerhalb der Linken mehrten sich „rechte und antisemitische Tendenzen“, heißt es in ihrer Stellungnahme. Außerdem würden Forderungen der rechtspopulistischen AfD in abgeschwächter Form übernommen.

Besonderes Ziel der Kritik ist Sahra Wagenknecht, die Linken-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, der die Kommunalpolitiker „fremdenfeindliche Äußerungen“ vorwerfen. Dass Wagenknecht Obergrenzen für Flüchtlinge gefordert habe, sei „ein Schlag ins Gesicht von Antifaschisten, Ehrenamtlichen und Geflüchteten“. Auch Äußerungen von Oskar Lafontaine oder die Abschiebepraxis der von der Linken geführten Landesregierung in Thüringen werden von Kube und Dziubas scharf kritisiert. Drei weitere Mitglieder hätten ebenfalls ihren Austritt aus dem Linken-Kreisverband erklärt, berichtet Kube. Darunter ein Vorstandsmitglied, das nicht namentlich genannt werden will

Die Partei wurde von der Entwicklung in Ludwigsburg überrascht, weist aber alle Vorwürfe von sich. Diese seien „völlig ungerechtfertigt“, sagt der Geschäftsführer der Linken in Baden-Württemberg, Bernhard Strasdeit. Seine Partei sei die einzige, die im Bundestag konsequent gegen die Verschärfung des Asylrechts stimme. Es gebe innerhalb der Linken eine permanente Debatte, jedoch keine rechten Tendenzen. Der Austritt der Stadträte sei bedauerlich, sagt Strasdeit – und fordert beide auf, auch ihr Mandat niederzulegen. „Alles andere wäre politische Erbschleicherei.“

Die Stadträte behalten ihr Mandat – zum Ärger der Linkspartei

Das aber werden Kube und Dziubas nicht tun. „Wir haben unser Mandat von den Bürgern,“ sagt Kube. Es sei müßig zu spekulieren, ob er eher als Linken-Kandidat oder als Person gewählt worden sei. „Aber ganz sicher wurden wir für linke Politik gewählt, und die werden wir weiterhin machen. Wir stehen für die gleichen Überzeugungen und Ziele wie bisher.“ Ob er bei den nächsten Kommunalwahlen 2019 für ÖkoLinX antrete, werde er zu gegebener Zeit entscheiden.

Nicht nur der Kurs der Bundespartei hat das Zerwürfnis befeuert, auch vor Ort gab es Konflikte. Kube ist Mitorganisator des Musikfestivals „Mut gegen Rechts“, bei dem am 16. Juli unter anderem die Holocaustüberlebende Esther Bejarano in Ludwigsburg auftritt. Die Veranstalter hatten beim Kreisvorstand der Linken eine Förderung in Höhe von 150 Euro beantragt, was dieser aber laut Kube abgelehnt habe. Nach hitzigen Debatten sei eine „Alibi-Spende in Höhe von 50 Euro beschlossen“ worden.

Sebastian Lucke, der Linken-Chef im Kreis, kann die Kritik nicht nachvollziehen. In seinem Verband gebe es keine rechten Umtriebe, betont er. Der Beschluss, das Festival mit 50 Euro zu unterstützen, sei „ein legitimer Entscheid“ gewesen. Aber moralisch fragwürdig – findet zumindest Claudia Dziubas. „Allein das Gefeilsche um den Betrag zeigt, in welch desolatem Zustand sich die Partei befindet“, sagt sie.

Kommentar Pro: „Einwandfrei“

Dass Politiker genug von ihrer Partei haben, ist nicht zu beanstanden.

Von Tim Höhn

Demokratie - An sich ist es nichts Ungewöhnliches, dass Stadträte oder Parlamentarier aus ihrer Partei austreten, manchmal sogar in eine andere Partei wechseln. Eher selten ist da schon, dass eine Partei alle ihre Stadträte verliert – weshalb die Forderung des Linken-Landesverbands, Oliver Kube und Claudia Dziubas sollten ihr Mandat niederlegen, nachvollziehbar ist. Zumindest aus Perspektive der Linkspartei.

Tatsächlich aber gibt es dafür keinerlei Gründe. Eine Kommunalwahl ist in erster Linie eine Persönlichkeitswahl, das heißt: Es werden Köpfe, nicht Parteien gewählt. Wenn diese Köpfe nun ihren eigenen Kopf haben und nicht mehr bei der Linken mitmachen wollen, ist das für die Partei ärgerlich, aber rechtlich und moralisch einwandfrei. Völlig zu Recht kritisieren Wähler, wenn Politiker mehr der Parteiräson als ihrer Überzeugung folgen. Kube und Dziubas folgen ihrer Überzeugung, und ganz gleich ob man diese nun teilt oder nicht: dabei handelt es sich um einen höchst demokratischen Vorgang.

Kommentar Kontra: „Unlauter“

Partei wechseln, Mandat behalten: rechtlich ist das zulässig – und dennoch gegen den Wählerwillen.

Von Julian Illi

Moral - Oliver Kube und Claudia Dziubas wurden als Mitglieder der Linken in den Ludwigsburger Gemeinderat gewählt. Dass sie nun aus der Partei austreten, ihr Mandat aber behalten wollen, verzerrt den Willen der Wähler. Denn die Politikforschung zeigt: je größer die Kommune, in der gewählt wird, desto eher überlagert das Parteien-Etikett den Kandidaten-Bonus. In Ludwigsburg mit rund 67 000 Wahlberechtigten verdanken Kube und Dziubas ihre Sitze also eher dem Ruf ihrer bisherigen Partei, denn ihrem persönlichen Renommee. Da sie nun, ohne dass ein deutlicher Kurswechsel bei der Bundespartei erkennbar wäre, plötzlich ein Problem mit der Linken haben, wäre es ehrlicher, den Ratsstuhl zu räumen.

Sicher, es hat es schon krassere Farben-Wechsel gegeben, etwa im Stuttgarter Rat von Gelb zu Blau. Trotzdem dürfen sich all jene, die am 25. Mai 2014 in Ludwigsburg die Linke gewählt haben, veräppelt fühlen. Denn seit Mittwoch ist ihre Partei nicht mehr im Gemeinderat vertreten.