Der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler verteidigt den hessischen Landeschef Jörg-Uwe Hahn nach dessen Äußerung über den „asiatisch aussehenden Vizekanzler“. Trotzdem wirft der Fall Fragen auf. Etwa die: Hat auch die FDP ein Problem mit anderen Ethnien?

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Empörungsmaschinerie der politischen Gegner, die sich über eine vermeintlich rassistische Äußerung des hessischen FDP-Landeschefs Jörg-Uwe Hahn erregen, läuft auf Hochtouren – gleichzeitig stellt sich Parteichef Philipp Rösler, dem diese Anmerkung galt, hinter Hahn. Wie immer in emotional geführten Debatten ist es ratsam, genau hinzuschauen, was tatsächlich gesagt wurde.

 

Hahn wurde von der „Frankfurter Neuen Presse“ gefragt, ob die Debatte um Führungsmann Rösler beendet sei. „Ja“, sagt der Liberale. „Wir werden sicherlich noch eine kleine Personaldebatte bekommen über die Frage der Besetzung des FDP-Präsidiums auf Bundesebene auf dem Sonderparteitag Anfang März. Also, ob Herr Niebel und Herr Kubicki etwa noch mal eine Rolle spielen.“ Und dann folgt unvermittelt der Satz: „Bei Philipp Rösler würde ich allerdings gerne wissen, ob unsere Gesellschaft schon so weit ist, einen asiatisch aussehenden Vizekanzler auch noch länger zu akzeptieren.“ Ist das eine rhetorisch verkleidete, aber kühl kalkulierte rassistische Feststellung – die Aufforderung an Rösler zum Rückzug? Oder handelt es sich um den Anstoß zu einer gesellschaftlichen Debatte, wie Hahn nun glauben machen will?

Alltagsrassismus am Wahlkampfstand

Da die Interviewer nicht nachhaken, bleibt die Anmerkung im Raum stehen. „Die Kollegen verstanden die Äußerung als Hinweis darauf, dass die Gesellschaft heute hoffentlich so weit sei, auch Menschen nicht-deutscher Herkunft in politische Verantwortung zu wählen,“ erläutert der Chefredakteur Rainer M. Gefeller. Der Vorsitzende der Jungen Liberalen, Lasse Becker, moniert im „Deutschlandradio“ zwar die „blöde, missverständliche Wortwahl“ Hahns, beschreibt aber am Beispiel Rösler den „Alltagsrassismus“ in der Republik: „Wenn ich am Wahlkampfstand stehe und so was höre wie, wir würden euch ja wählen, wenn da nicht der Chinese wäre, dann ist das ein Problem, was wir haben“. Andere Wahlkämpfer der Liberalen vor allem im Osten machen ähnliche Erfahrungen.

Weil Hahn seinen Vorsitzenden ohne Not mit dem latenten Rassismus in Verbindung bringt, wirft der Fall Fragen auf: Hat auch die FDP ein Problem mit anderen Ethnien? Oder lässt sie sich von Ressentiments in Teilen der Bevölkerung leiten, weil diese Wählerstimmen kosten könnten? Schon Mitte 2012 hatte ihr Fraktionschef Rainer Brüderle festgestellt: „Glaubwürdigkeit gewinnt man, indem man nicht wie Bambusrohre hin und her schwingt, sondern steht wie eine Eiche.“ Damit war Rösler gemeint, der in seiner Antrittsrede als Parteichef gesagt hatte: „Der Bambus wiegt sich im Wind und biegt sich im Sturm, aber er bricht nicht.“ Und als wolle Brüderle den gebürtigen Vietnamesen, den einst ein niedersächsisches Paar adoptiert hatte, ausbürgern, fügte er hinzu: „Deswegen ist die Eiche hier heimisch und nicht das Bambusrohr.“

Ministerin Öney hat auch schon Rassismus erlebt

Doch der Wirtschaftsminister biegt sich weiter, indem er seinen „Freund“ massiv verteidigt: „Jörg-Uwe Hahn ist über jeden Verdacht des Rassismus erhaben“, betont Rösler. „Ich verstehe die Aufregung nicht.“ Angeführt wird der Chor der Kritiker von SPD-Chef Sigmar Gabriel. Der hessische Ausländerbeirat mag da nicht einstimmen: Er sehe die Äußerungen des Integrationsministers Hahn „unmissverständlich positiv“, sagt ihr Vorsitzender Corrado Di Benedetto. Baden-Württembergs Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD), die türkischer Abstammung ist, stellt gegenüber der StZ fest: „Dass es Vorbehalte gegen Politikerinnen und Politiker mit ausländischen Wurzeln gibt, wissen wir – über alle Parteigrenzen hinweg.“ Sie selbst habe das erlebt, „ob offen oder verdeckt“. Gemeint sind vor allem beleidigende oder bedrohliche Schreiben. Hahns Aussage mag Öney nicht interpretieren. „Die angestoßene Debatte ist jedenfalls eine Chance, darüber zu sprechen“, sagt sie. Überall, wo es Verteilungskämpfe gebe, könne es auch Rassismus geben. „Politiker bleiben davon nicht verschont.“