Die Saat der Hetze von rechts geht in Gewalt sogar gegen Kinder auf. Mehr als Resignation erzeugt das kaum, kommentiert StZ-Kolumnistin Katja Bauer.

Berlin - In Schönberg in Mecklenburg-Vorpommern ist Ende Juni ein syrischer Junge bei einem Unfall mit einem Traktor schwer verletzt worden. Das Kind starb Tage später im Krankenhaus. Kurze Zeit danach hat ein Unbekannter ein Hakenkreuz an die Stelle der Straße gesprüht, an der der Unfall passiert war. Es wurde entfernt. Drei Wochen später sprühte wieder jemand das Symbol der Nationalsozialisten an die Stelle. Er schrieb dazu: „1:0“.

 

Ein totes Kind und zur Feier des Tages ein Hakenkreuz. In Schmalkalden hat ein paar Tage davor ein Mann auf vier jugendliche Flüchtlinge geschossen. Ein 16-jähriger Ausländer, der in Kahla aus dem Bahnhof kam, wurde von drei Männern verprügelt. Ebenso geschlagen und zuvor noch rassistisch beleidigt wurde eine Frau iranischer Herkunft vor den Augen ihres Kindes im Supermarkt. Auf einem Spielplatz in Brandenburg trat ein Mann einer schwangeren Türkin in den Bauch und boxte ihr fünfjähriges Kind mit den Worten „Scheiß Ausländer“ in den Rücken.

Das jüngste Opfer war zwei Jahre alt

Hilfsorganisationen in Thüringen schlugen vergangene Woche Alarm, weil immer mehr Kinder und Jugendliche direkt oder indirekt Opfer rassistischer und rechter Gewalt werden – 20 Kinder unter 13 Jahren waren es den Angaben zufolge allein in Thüringen, allein im vergangenen Jahr, 38 in Brandenburg. Nicht mitgezählt sind die vier Kleinkinder, die miterleben mussten, wie ihre Eltern angegriffen und misshandelt wurden. Das jüngste Opfer in Brandenburg war ein zwei Jahre altes Mädchen aus Afghanistan. Das alles ereignet sich genau hier, genau jetzt - eine inzwischen sehr lange und sich immer weiter fortsetzende Reihe. Und nicht nur jede einzelne dieser Taten für sich ist ungeheuerlich. Nicht geheuer müssen auch wir Zuschauer uns selber sein – angesichts der kopfschüttelnden Ratlosigkeit, mit der der Einzug der Barbarei in die Gruppe der Alltagsphänomene zur Kenntnis genommen wird.

Wie kaputt, wie menschlich verroht muss eine Person sein, die ein totes Kind als Punktsieg in einem Spiel versteht? Und wie unbeteiligt ist eigentlich Deutschland im Sommer 2018, dass es diesen Umstand einfach wegblinzelt, während sich die öffentliche Aufmerksamkeit zeitgleich von Mesut Özil zur Jahrhunderthitze verschiebt? Beides, Brutalisierung und Resignation, sind kein Zufall, sondern eine Entwicklung. Niemand nutzt die Sprache als Mittel im Kampf um die Köpfe effektiver um den gesellschaftlichen Konsens aufzulösen als die AfD und die Neue Rechte. Wie weit der Hass einsickert, wie weit die Auflösungserscheinungen reichen, konnte man jüngst beobachten, als der verantwortliche Bundesminister Horst Seehofer das Wort „Asyltourismus“ benutzte. Er bediente sich, statt ein von ihm identifiziertes Problem zu beschreiben, einer krassen Abwertung von Menschen. Weit weg ist das nicht von den AfD-Bundestagsabgeordneten, die von „Massenzuwanderung“ als „Verbrechen“ sprechen, von „Kopftuchmädchen“ und „Halbnegern“. Deren rassistische Hetze erzeugt bei Menschen ein Gefühl der Legitimation, zum Beispiel in Sprechchören „Absaufen, Absaufen“ zu brüllen – bei Pegida in Dresden, der Truppe, die AfD-Chef Alexander Gauland „natürliche Verbündete“ nennt. In geschlossenen Facebook-Gruppen wie den „Patrioten“ freuen sich Mitglieder über die Vorstellung, dass Flüchtlinge von Haien gefressen werden könnten. Auf der Mitgliederliste stehen Parlamentarier. Menschen den Tod zu wünschen, ist ein unter keinen Umständen akzeptables Verhalten. Die Wirklichkeit ist tatsächlich an einem Punkt angelangt, an dem dieser Umstand in Frage gestellt wird.

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Am 14. August schreibt an dieser Stelle

unsere Kolumnistin Sybille Krause-Burger