Den Basketballern von Rasta Vechta ist die nächste Sensation gelungen. Der Aufsteiger besiegte am Sonntag sensationell den Tabellenführer Bayern München (93:75). Was steckt hinter diesem einzigartigen Club?

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Stuttgart - Vechta, wer? Wenn Ludwigsburgs Basketballtrainer John Patrick den Namen hört, gerät er fast schon ein wenig ins Schwärmen. „Es macht Spaß, ihnen zuzusehen. Sie spielen mit so viel Enthusiasmus und Konzentration“, sagte er Mitte Januar – als seine Mannschaft gerade 92:112 in der kleinen Stadt Vechta zwischen Oldenburg und Osnabrück verloren hatte. „Dazu die Atmosphäre hier, die war unglaublich gut.“ Mit 3130 Zuschauern ist die Halle zu 99,7 Prozent ausgelastet, was aber schon in den beiden vorigen BBL-Zeiten der Fall war, als das Team jeweils auf- und gleich wieder abgestiegen ist, zuletzt 2017 sang- und klanglos mit nur zwei Siegen. Und was sagt Trainer Pedro Calles nun? „Wir haben den Klassenverbleib noch nicht sicher“, erklärt der Spanier doch tatsächlich – den man ohne die Gefahr auf eine Gegendarstellung als Tiefstapler bezeichnen darf.

 

Vechta ist die Mannschaft der Saison, liegt völlig überraschend auf Platz drei der Bundesliga – und hat am Sonntag sensationell den Tabellenführer Bayern München 93:75 deklassiert. Wer hätte das gedacht? Kein Basketballfan, nachdem das Team zu einer Fahrstuhlmannschaft zu werden drohte.

Abstieg ist kein Thema mehr

„Dreimal ist Oldenburger Recht“, sagte indes schon vor der Saison mit Blick auf den Klassenverbleib der Vorsitzende und Macher Stefan Niemeyer, der den Verein bereits seit 1991 führt und zudem Chef eines Futtermittelherstellers ist, der auch als Sponsor fungiert, und auch schon als Dietmar Hopp von Vechta bezeichnet wurde, weil er dort selbst Basketball spielte. Der Etat sei diese Saison um eine halbe Million Euro gestiegen und soll nun bei 2,8 Millionen Euro liegen.

Dazu bemerkt Ludwigsburgs Vorsitzender Alexander Reil in seiner Funktion als BBL-Präsident: „Das ist immer relativ, was ich mit einrechne. Aus meiner Sicht haben sie einen absolut wettbewerbsfähigen Etat.“ Also mehr? Vom Rückzug der benachbarten Artland Dragons 2015 aus der BBL profitierte auch Vechta, zumindest wechselte Pedro Calles als Assistenztrainer zum Club und wurde im Sommer mit erst 34 Jahren Chefcoach, nachdem man sich von Doug Spradley überraschend getrennt hatte. „Er ist ein akribischer Arbeiter und trägt den Club in seinem Herzen“, sagte dazu Chef Niemeyer.

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt: 17 Siege in 23 Spielen sprechen für sich. Der Sportwissenschaftler aus Andalusien gilt als Vater des Erfolgs und heißer Anwärter auf den Titel Trainer des Jahres. „Ich mag Vereine mit Identität“, sagt der Coach auf Englisch. Er formte einen Kader mit erfahrenen Profis und jungen Talenten. „Ich denke, die Mannschaft funktioniert als Team sehr gut“, sagt Ludwigsburgs Alexander Reil. Und Jungnationalspieler Philipp Herkenhoff hat jüngst im NDR erklärt: „Er versucht, alles hundert Prozent zu perfektionieren.“ Das scheint gelungen. Die Mannschaft profitiert von einer intensiven Defensive, ähnlich wie sie Ludwigsburg zumindest bis zur Vorsaison praktiziert hat. Das erfordert eine hohe Intensität von allen Spielern, zu denen nun auch Ex-Riesen-Center Clint Chapman zählt, dem Ludwigsburg keine Steine in den Weg gelegt hat, nachdem es unter Patrick nicht gepasst hat.

Meiste Ballgewinne der Liga

Das Erfolgsgeheimnis? „Es gibt keine Zauberformel“, betont Coach Calles gerne, „wir arbeiten Tag für Tag daran, unsere Spielkultur zu entwickeln.“ Die Mannschaft weist die meisten Ballgewinne (ein Produkt des Pressings), aber auch die meisten Drei-Punkte-Würfe der Liga aus. Das spricht fürs Selbstvertrauen der Spieler im Verein, der sich gerne als „der geilste Club der Welt“ bezeichnet.

Zumindest die ursprüngliche Namensfindung hat schon etwas Einmaliges. Vor 40 Jahren sahen sich Schüler einer Basketball-AG gezwungen, einen neuen Club zu gründen, weil sie nirgends aufgenommen wurden. In einer Bar grübelten sie über den Namen, bis im Hintergrund Bob Marleys Hit „Rastaman Vibrations“ ertönte. Da hat es klick gemacht. Nun hüpft bei den Heimspielen das Maskottchen (Löwe Bob) mit Dreadlocks durch die Halle, die passenderweise Rasta-Dom heißt. Im übertragenen Sinne hat die Mannschaft mit Reggae-Musik indes gar nichts am Hut – sie rockt lieber die Liga.

In unserer Bildergalerie finden sie die Clubs mit der besten Hallen-Auslastung der Liga – auch da ist Vechta ganz vorne mit dabei.