In der Öffentlichkeit hat er seinen Namen weg: alle kennen Alexander Gerst als „Astro-Alex“. Der Astronaut aus Künzelsau bricht demnächst zu seiner neuen Mission ins All auf. Was sollte man darüber wissen?

Köln - Mit seinen spektakulären Weltraumbildern ist Alexander Gerst vor vier Jahren zu einem Popstar der Wissenschaft geworden: Seitdem kennt ihn Deutschland als Astro-Alex – den Astronauten, der die Faszination des Alls und der Raumfahrt in kurze Twitterbotschaften verpackt. 2014 arbeitete Gerst im Rahmen der Mission „Blue Dot“ auf der Internationalen Raumstation (ISS). Jetzt bricht Alexander Gerst wieder dorthin auf: In anderthalb Monaten startet seine neue Mission „Horizons“. In Köln hat sich Gerst ein letztes Mal vor dem Start der Presse gestellt. Dabei sprach er über seine Hoffnungen, seine Ängste und über den Abschied von seinen Freunden.

 

Wann beginnt die Mission?

Läuft alles nach Plan, dann werden Alexander Gerst, Serena Auñón-Chancellor (USA) und Sergei Prokopyev (Russland) am 6. Juni die letzten Anweisungen des Bodenpersonals erhalten. Anschließend heben sie in einer russischen Sojus-Rakete vom Weltraumbahnhof Baikonur im Süden Kasachstans ab. Wenn nichts dazwischenkommt, dockt die Sojus sechs Stunden später an der Internationalen Raumstation an. Nun beginnt für Gerst ein halbjähriges Abenteuer – im Laufe der nächsten Monate wird er mit seinen Kollegen rund 300 Experimente durchführen. Ist er nervös? „Wenn man sich für ein halbes Jahr von seinen Freunden und seiner Familie verabschiedet, realisiert man erst, dass etwas Besonderes bevorsteht“, sagt Gerst in Köln.

Welche Rolle wird Alexander Gerst dabei spielen?

Das Bild von der eierlegenden Wollmilchsau muss einst für die Arbeitsplatzbeschreibung eines Astronauten erfunden worden sein: Gerst und seine Teammitglieder sind dank jahrelanger Ausbildung und Vorbereitung Alleskönner. An Bord arbeitet Gerst als Ingenieur, Klempner und Wissenschaftler. Gefordert ist er zudem als pädagogischer Unterhalter, der vor allem die Jüngeren mit seinen Videobotschaften und Bildern für die Raumfahrt begeistert. Gerst spricht viele Sprachen fließend, neben Englisch auch Russisch. Er muss gleichzeitig Teamplayer sein und Führungsfigur: Im August übernimmt Gerst die Kommandantur auf der ISS. „Dafür gibt es eine offizielle Übergabe“, erzählt Gerst. „Bei Notfällen ist es wichtig, dass Klarheit darüber herrscht, wer in dem Fall die Entscheidungen trifft.“

Welche Experimente sind besonders wichtig?

An Bord der ISS herrscht Schwerelosigkeit – die Bedingungen für Experimente unterscheiden sich damit grundlegend von jenen auf der Erde. Ein wichtiges Experiment läuft unter dem Titel „Flumias“: dabei untersuchen die Astronauten mithilfe eines Mikroskops von der Größe eines Schuhkartons bestimmte Zellen und Gewebe. Sie erhalten so neben hochauflösenden Bildern auch Videos. „Krebszellen verhalten sich in der Schwerelosigkeit ganz anders als auf der Erde, die Zellen formen andere Gebilde“, sagt Gerst. Auf dem Programm stehen neben der Biomedizin Experimente in den Bereichen Mobilität, Energie und Digitalisierung. „Es macht richtig viel Spaß“, bei dieser Grundlagenforschung dabei zu sein, sagt der Astronaut.

Welche Bedeutung haben Stuttgart und Baden-Württemberg?

Das Institut für Raumfahrtsysteme (IRS) an der Uni Stuttgart schickt Algen ins All. Gerst und seine beiden Kollegen sollen untersuchen, wie sich diese Biomasse über einen längeren Zeitraum hinweg entwickelt. Kann ein solcher Bioreaktor möglicherweise künftigen Astronauten bei Langzeitmissionen zum Mars als lebenserhaltendes System helfen? Auch von der Uni Hohenheim wird ein Experiment mit an Bord sein: Dabei wird erforscht, wie menschliche Nervenzellen in der Schwerelosigkeit wachsen. Die Herkunft von Alexander Gerst passt auch ins Bild: Er ist im Hohenlohischen aufgewachsen und mittlerweile Ehrenbürger der Stadt. Der 41-Jährige studierte in Karlsruhe.

Wer ist eigentlich Cimon?

Cimon wird schon im Vorfeld der ISS-Mission als deren heimlicher neuer Star gehandelt. Bei Cimon handelt es sich um einen fünf Kilo schweren Apparat, der so groß wie ein Medizinball ist. Cimon wurde unter anderem von Airbus entwickelt, in ihm steckt eine künstliche Intelligenz. „Cimon soll Gerst wie in einem Science-Fiction-Film hinterherfliegen und bei der Arbeit helfen“, sagt Alexander Schön von der Europäischen Raumfahrtagentur Esa. Auf Cimons Display leuchtet ein „Gesicht“ auf, das auch Gefühlszustände zeigen kann. In der Zukunft könnte Cimon einerseits in der Raumfahrt auf langen Flügen umfassend die Astronauten unterstützen und andererseits in der Medizin Ärzten dabei helfen, die richtigen Diagnosen zu stellen.

Mit welchen Gefühlen geht Gerst an Bord?

„Die ISS ist die komplexeste Maschine, die die Menschheit je gebaut hat“, sagt Alexander Gerst. Da kann auch mal was kaputtgehen. „Wenn wir für Reparaturen zu Außenbordeinsätzen rausmüssen, ist es etwas gefährlicher als an Bord“, erzählt Gerst, der in der aufwendigen Vorbereitung auch gelernt hat, in Stresssituationen gelassen zu bleiben. Heimweh im Weltall? „Man vermisst diesen Planeten, wenn man von oben auf ihn hinabschaut.“ Seine größte Sorge: „Dass vor dem Start noch etwas dazwischenkommt, man sich das Bein bricht. Deshalb ist man beim Start selbst dann eher gelassen.“

Was passiert noch bis zum Start?

Die ISS entspringt der Zusammenarbeit der europäischen Raumfahrtagentur Esa, der amerikanischen Nasa und der russischen Rokosmos. Entsprechend haben Gerst und seine Crewmitglieder unter anderem in Houston, in Köln und in der Sternenstadt bei Moskau für diese Mission trainiert. In Russland warten demnächst die letzten Tests auf Alexander Gerst, in der Woche vor dem Start wird das Team vollkommen abgeschirmt. Jeder Handgriff in der Sojus-Rakete wird noch einmal geübt. Nichts soll mehr schiefgehen, vor dem Aufbruch zu neuen Horizonten.