Vor zehn Jahren löste sich die Raumfähre Columbia über Texas in ihre Bestandteile auf. Durch ein Loch an der Flügelvorderkante gelangte beim Wiedereintritt in die Atmosphäre superheiße Luft ins Flügelinnere: Der Flügel verbrannte von innen heraus, die Fähre stürzte ab.

Stuttgart - Der Raumflug hätte nur noch 16 Minuten dauern sollen: Die Mission STS-107 sollte am 1. Februar 2003 um 9.16 Uhr Ortszeit in Florida mit der Landung der Raumfähre Columbia zu Ende gehen. Um 8 Uhr 59 und 36 Sekunden funkte der Shuttlekommandant Rick Husband noch ein „Roger“ – was in der Fliegersprache so viel wie „verstanden“ heißt – an die Bodenstation. Die hatte auf Probleme aufmerksam gemacht. Doch da war schon alles zu spät: Genau 42 Sekunden später löste sich die Raumfähre nach einem dramatischen Todeskampf buchstäblich in ihre Bestandteile auf. Aus 60 Kilometer Höhe regneten die Bruchstücke über das Grenzgebiet der US-Bundesstaaten Texas und Louisiana nieder. Weitere Teile verglühten in der Atmosphäre und hinterließen – für alle Beobachter sichtbar – grausame Leuchtspuren am Firmament.

 

Die sieben Besatzungsmitglieder hatten keine Chance. Sie waren schon dem Tode geweiht, als die Columbia am 16. Januar 2003 in einem Bilderbuchstart vom US-Raumfahrtbahnhof Cape Canaveral in Florida abhob. Genau 81,7 Sekunden nach dem Start dokumentieren zwei Überwachungskameras, wie sich ein etwa handkoffergroßes Stück Isolierschaum aus dem Bereich der Verstrebungen löst, mit denen der riesige Tank für die beiden Raketen am Shuttle befestigt ist. Knapp 0,2 Sekunden später knallt das eigentlich nur 0,7 Kilo schwere Teil gegen die Vorderkante des linken Flügels der Columbia. Wegen der bereits enormen Aufprallgeschwindigkeit von schätzungsweise 850 Kilometern in der Stunde reißt es ein Loch in eine Platte des Hitzeschutzschildes. Dieses schützt die Flügelkante vor den enorm hohen Temperaturen, denen sie beim Wiedereintritt in die Atmosphäre ausgesetzt ist.

Folgenschwerer Schaden beim Start

Zwar werten Experten routinemäßig die Startbilder aus und mahnen wegen möglicher Schäden eine Kontrolle im All an, doch diese wird von den für den Flug verantwortlichen Stellen abgelehnt. Was hätte man zum damaligen Zeitpunkt auch tun können? Die zur Klärung der Unfallursache eingesetzte Expertenkommission wird später einräumen, dass die Astronauten nur eine äußerst minimale Überlebenschance gehabt hätten, selbst wenn das wahre Ausmaß des „Startschadens“ richtig eingeschätzt worden wäre.

So nimmt das Unheil seinen Lauf, als sich die Fähre nach der bis dahin erfolgreichen Mission am 1. Februar der amerikanischen Pazifikküste nähert. Was sich genau beim Anflug abspielt, lässt sich sehr detailliert rekonstruieren. Eine wichtige Hilfe dabei sind die rund 84 000 eingesammelten Trümmerteile – etwa 38 Prozent des Shuttles. Besonders wertvoll ist der Bordflugschreiber, der in Texas unbeschädigt aufgefunden wurde.

Superheiße Luft zerstört den Flügel

Die Aufzeichnungen dokumentieren, dass bereits vier Minuten nach dem Eintritt des Shuttles in die Erdatmosphäre superheiße Luft – das sogenannte Plasma, das sich durch die gewaltige Reibungshitze bildet – durch ein Loch in der Flügelvorderkante ins Innere des linken Flügels gelangt. Dort steigt die Temperatur schnell an, wie verschiedene Sensoren zeigen – solange sie dies noch können: Nach kurzer Zeit quittieren sie ihren Dienst, weil der Flügel förmlich von innen heraus verbrennt. Erste Auflösungserscheinungen zeigen sich bereits über der kalifornischen Küste, wo sich um 8.53 Uhr ein Teil ablöst und einen hellen Lichtstreif hinter sich herzieht. Auf seinem Sinkflug gen Florida wird der Shuttle durch den sich auflösenden Flügel immer instabiler. Der Autopilot versucht noch, mit Hilfe der Steuerdüsen den Flug zu stabilisieren. Doch gegen die immer schlimmer werdenden Schäden lässt sich nichts mehr ausrichten: Die Columbia stürzt ab.

Zwar hegen Experten schon früh den Verdacht, dass das abgefallene Isolierteil die Katastrophe ausgelöst haben könnte, doch die Nasa mauert, bringt eine mögliche Kollision mit Meteoriten- oder Trümmerteilen im Weltall ins Gespräch. Die eingesetzte Kommission aber macht ihre Arbeit gründlich und führt auch ergänzende Tests mit schnell fliegenden Schaumteilen durch. Und am Schluss lässt ihr Urteil an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Es war das abgefallene Schaumteil. Der Nasa werden viele schwere Vorwürfe gemacht, darunter Sorglosigkeit, eine falsche Einschätzung der Gefahren und mangelnde Kommunikation.

Das Ende der Raumfähren

Schlimmer noch: der zweite Absturz widerlegt die Behauptung, die Shuttles seien sicher. Bereits 1986 war die Raumfähre Challenger beim Start abgestürzt. Auch damals hatten die Nasa-Verantwortlichen die Mahnungen von Experten in den Wind geschlagen. Diese hatten gewarnt, dass die verwendeten Dichtringe bei den herrschenden Temperaturen von nur zwei Grad porös werden könnten. So war es dann auch: austretende heiße Gase beschädigten den Tank, was zur Katastrophe führte.

So läutete nun der erneute Totalverlust das Ende der Raumfähren ein. Klar war, dass die Raumfähren ohnehin ihrem Lebensende entgegengingen – die Columbia war als erste Fähre im April 1981 zu ihrem Jungfernflug gestartet, der Mission STS-1. Nach ihrem Absturz wurde zunächst eine zweijährige Zwangspause für die drei verbliebenen Shuttle Endeavour, Discovery und Atlantis verordnet. Doch ganz einmotten konnte man das Raumfährenprogramm noch nicht – schließlich musste die Internationale Raumstation ISS fertig aufgebaut werden. Und das konnten und wollten die Amerikaner nicht allein den Russen überlassen. So absolvierten die Fähren nach zahlreichen Modifikationen und dem „Neustart“ im Jahr 2005 noch 28 Flüge, bis schließlich im Juli 2011 die Atlantis zum letzten Mal zur Landung ansetzte.

Gleichwohl wollen die Amerikaner mit eigenen bemannten Fluggeräten auch weiterhin im All präsent sein. Nur sollen dies in Zukunft Privatunternehmen weit kostengünstiger und natürlich noch sicherer bewerkstelligen. Die Nasa selbst konzentriert sich derweil auf den Mars – und konnte mit ihren erfolgreichen Marsrobotern wie jüngst Curiosity auch in der amerikanischen Öffentlichkeit endlich wieder punkten.