In Stuttgart diskutiert die Prominenz der Raumfahrt-Branche über die Gründe, ins All zu fliegen. Neben dem Mond, den der Astronaut Alexander Gerst als „achten Kontinent der Erde“ bezeichnet, haben die Raumfahrer auch den Mars bereits im Visier.

Stuttgart - Wenn Raumfahrt ins Kino kommt, bekommen die Zuschauer nicht viel Forschung gezeigt. Spannender ist offenbar, Astronauten aus Lebensgefahr zu retten, wie es derzeit im Film „Der Marsianer“ zu sehen ist. Das Risiko, eine Mission nicht zu überleben, liegt trotz aller Fortschritte auch heute bei etwa zwei Prozent. Für Johann-Dietrich Wörner, dem neuen Chef der Europäischen Raumfahrtagentur (Esa), ist dennoch klar: „Natürlich werden Menschen zum Mars fliegen“, sagt er bei einer Raumfahrtkonferenz in Stuttgart. „Die Frage ist nur: wann?“

 

Wörner hat zuvor das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt geleitet, das die deutschen Aktivitäten im All koordiniert. Er hat seit Jahren Erfahrung damit, für die Raumfahrt zu werben. In Stuttgart führt er die Satelliten an, die das Wetter beobachten, Kommunikation ermöglichen und den Helfern nach Naturkatastrophen aktuelle Karten liefern. Aber das sind rationale Argumente – wichtiger sind ihm die emotionalen. Wörner hebt die menschliche Neugier hervor, die von der Politik meist unterschätzt werde. „Da wird dann immer nach dem Return of Investment gefragt“, klagt er. „Dabei zahlen sich diese Investitionen aus – nur nicht gleich am nächsten Tag.“

Dorf auf der Rückseite des Mondes

Aber Wörner versteht, die Neugier zu kitzeln, und hat im Stuttgarter Haus der Wirtschaft ein Heimspiel. Für die Zeit nach der Internationalen Raumstation ISS, die 2024 ausgemustert werden soll, schlägt er ein Dorf auf der Rückseite des Mondes vor. Dort könne man Astronomie betreiben, Bodenschätze abbauen, Touristen beherbergen und Jugendliche für Naturwissenschaften begeistern. Die Station müsse allen Menschen und allen Interessen offenstehen – und sie könnte ein Sprungbrett für eine Mission zum Mars sein. Der Astronaut Alexander Gerst meldet sich anschließend in einer Videobotschaft aus seinem Training in Houston und nennt den Mond den achten Kontinent der Erde. „Wir Menschen waren doch immer Entdecker“, sagt er.

Astronauten wie Gerst bezeichnet Wörner als „Botschafter“. Erst durch ihre Berichte werde die Raumfahrt greifbar, und deshalb gehöre die Öffentlichkeitsarbeit neben den Experimenten zu ihrem Job. „Ein Roboter berührt das Herz nicht so sehr“, sagt Wörner und fügt schnell hinzu, dass er die europäischen Raumsonden Rosetta und Philae ausnehme, die vor einem Jahr den Kometen Tschurjumow-Gerassimenko erreicht haben. Der US-Astronaut Alfred Worden stimmt natürlich zu – aber er bietet auf der Stuttgarter Konferenz trotzdem eine andere Perspektive, denn er blieb bei der Mission Apollo 15 im Mondorbit, während seine beiden Kollegen mit dem ersten Mondauto landen durften. „Der einzige Grund, Menschen auf dem Mond abzusetzen, ist, dass sie dort Steine sammeln“, sagt er augenzwinkernd. Seine Beobachtungen in 100 Kilometern Höhe seien viel wichtiger gewesen.

Menschliche Kreativität versus Roboter

Im Film „Der Marsianer“ wird der Astronaut Mark Watney fälschlicherweise für tot gehalten und deshalb auf dem Roten Planeten zurückgelassen. Mit wissenschaftlichem Denken rettet er sich aus seiner scheinbar ausweglosen Situation. Worden berichtet ebenfalls von einem unerwarteten Problem auf seinem Flug: Die Tomatensuppe machte sich selbstständig und schwebte durch das Raumschiff. Eine gefährliche Situation, denn die Flüssigkeit hätte Kurzschlüsse auslösen können. Sie mit der Hand zu berühren, hätte die Kugel in viele kleine aufgeteilt und das Problem vergrößert. Mit seinen Kollegen kam Worden auf die Idee, sie mit einem Handtuch aufzusaugen. „Ein Roboter wäre nie darauf gekommen“, sagt er – und übergeht den Einwand, dass ein Roboter auch keine Suppe hätte zubereiten müssen.

Johann-Dietrich Wörner warnt seine Kollegen davor, sich zu sehr auf das Argument der menschlichen Kreativität zu verlassen. Wenn ein Roboter in der Raumfahrt nicht weiterkomme, sei es manchmal billiger, einen zweiten Roboter zu schicken, als auf Menschen zu setzen. Entscheidend sei vielmehr, dass Menschen mehr sehen als Maschinen und in diesem Sinne größere Möglichkeiten haben, fremde Welten zu erforschen. Astronaut Reinhold Ewald verweist auf das Kino, um die Rolle der Roboter als Hilfsmittel zu verdeutlichen: Dort stellt der Astronaut Mark Watney den Funkkontakt zur Erde wieder her, indem er eine alte Marssonde aus dem Sand gräbt und wieder mit Strom versorgt.