Die europäische Raumsonde Rosetta ist zu einem Rendez-vous mit dem Kometen „Tschuri“ unterwegs. Den letzten Teil der mehr als zehn Jahre dauernden Reise legte sie im „Tiefschlaf“ zurück. Am Montagmorgen soll sie „geweckt“ werden.

Stuttgart - Der Wecker steht auf Montag, 20. Januar 2014, elf Uhr mitteleuropäischer Zeit. Weit draußen im All, nahe der Umlaufbahn des Jupiters um die Sonne, wird ein Reisender aus 30 Monaten Tiefschlaf erwachen, seine Instrumente auf Betriebstemperatur bringen, eine Antenne zur Erde hin ausrichten und ein Funksignal senden: Ja, ich bin bereit. Gegen 18.30 Uhr wird das Signal im Kontrollzentrum der Europäischen Raumfahrtorganisation in Darmstadt erwartet. Die europäische Weltraumsonde Rosetta wird dann, so hoffen die Wissenschaftler inständig, bereit sein für ein bisher nie versuchtes Abenteuer: eine Landung mit anschließendem Höllenritt auf einem Kometen.

 

Für die Sonde Rosetta beginnt damit die spannende und gefährliche Endphase einer langen Reise. Pläne, eine Raumsonde auf einem Kometen landen zu lassen, gab es schon 1985. Als 2003 technische Probleme mit der Trägerrakete Ariane 5 einen Start der drei Tonnen schweren Sonde verhinderten, war der zunächst angepeilte Komet 46P/Wirtanen außer Reichweite. Als neues Ziel kürten die Wissenschaftler den 1969 entdeckten 67P/Tschurjumow-Gerassimenko, einen unregelmäßigen Brocken aus Gestein und Eis mit rund vier Kilometer Durchmesser. Am 2. März 2004 gelang nach einer weiteren Verzögerung der Start.

Für eine größere Darstellung bitte auf die Grafik klicken. Foto: StZ
Ausgeklügelt hatte die Esa einen Flug, der zehn Jahre dauern sollte und Rosetta viermal an Erde und Mars so dicht vorbei führte, dass deren Schwerkraft die Sonde auf eine jeweils neue Bahn weiter und weiter hinaus ins All lenkte. Unterwegs besuchte und fotografierte Rosetta zwei Asteroiden: Steins und Lutetia.

In der Zielbahn, mehr als fünfmal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde, wird Rosetta im Mai den Kometen erreichen. Im August schwenkt sie in eine Umlaufbahn ein. Mit einigen der 21 Messinstrumente an Bord wird der Komet fotografiert und analysiert.

Dann wird es riskant. Voraussichtlich im November wird Rosetta sich Tschuri, wie Astronomen den Kometen auch nennen, bis auf einen Kilometer nähern. Aus dieser Höhe wirft die Sonde ein 100 Kilogramm schweres Landemodul ab, genannt Philae. Da der Komet kaum Anziehungskraft hat, wird Philae sanft hinunterplumpsen. Doch niemand weiß, ob der Lander am Boden mit Gestein kollidieren oder in Pulverschnee versinken wird. Drei Harpunenanker sollen Philae im Boden sichern. Insgesamt zehn Bordinstrumente fotografieren, nehmen Bodenproben und analysieren Gase und herumfliegenden Staub.

Der Komet nähert sich der Sonne

Wie lange das gut geht, weiß ebenfalls niemand. Denn nun nähert sich der Komet der Sonne; der Sonnenwind wird Staub, Gas und Gesteinsbrocken lösen und den hellen Kometenschweif bilden. Im August 2015 kommt 67/P der Sonne bis auf 193 Millionen Kilometer nahe. (Die Erde umkreist die Sonne in rund 150 Millionen Kilometer Entfernung.) Sollte Philae dann noch nicht mit Eis und Gestein in den Schweif davongerissen worden sein, wird die Sonnenhitze sein Ende sein. Rosetta dagegen darf weitermachen, so lange sie funktioniert. Oder sie stürzt kontrolliert auf den Kometen.

Rosetta und Philae waren Orte in Ägypten, an denen Steine mit mehrsprachigen Inschriften gefunden wurden, die im 19. Jahrhundert das Entziffern der Hieroglyphen möglich machten. Die rund eine Milliarde Euro teure Rosetta-Mission wird erstmals live dabei sein, wenn ein Komet unter dem Einfluss der Sonne Materie auswirft. Sie wird diese Materie, die fast unverändert aus der Entstehungszeit des Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren übrig geblieben ist, untersuchen und dabei wahrscheinlich auch organische Moleküle aus den Tiefen des Alls finden. So soll Rosetta die Anfänge des Sonnensystems entziffern helfen – und vielleicht auch Hinweise auf die Anfänge organischen Lebens auf der Erde geben.