Ausgebrannte Raketenstufen, kaputte Satelliten, verlorene Schraubenzieher und abgesplitterte Lackpartikel: Der Weltraum um die Erde ist voller Schrott – insgesamt rund 6500 Tonnen. Der Müll ist für Raumschiffe, Satelliten und Astronauten gefährlich.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Weßling/Köln - 50 Jahre nach dem Start des ersten deutschen Satelliten ins All bekommt das Problem Weltraumschrott aus Sicht von Experten immer größere Brisanz. „Wir müssen uns dafür einsetzen, zu einer internationalen Regelung zu kommen, die den Weltraumschrott begrenzt, damit wir auch künftig noch Satelliten starten und von ihnen profitieren können“, sagte Thomas Jarzombek, Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt.

 

Auch Walther Pelzer, im Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt für Raumfahrtmanagement zuständig, erklärte: „Wir müssen uns dem Thema Clean Space, also dem Umgang und der Entsorgung von ausgedienten Satelliten im All, stärker widmen.“

6500 Tonnen kreisen um die Erde

Rund 6500 Tonnen Schrott rasen im Orbit um die Erde durch das Weltall. Das sind mehr als 600 000 Objekte mit einem Durchmesser größer als ein Zentimeter in Umlaufbahnen um den Blauen Planeten.

Besonders betroffen ist die Höhe von 800 Kilometern, die bevorzugte Flugbahn von Aufklärungssatelliten ist. Die Internationale Raumstation ISS fliegt zwischen 350 und 400 Kilometern. Sie musste bereits mehrfach Objekten ausweichen, die größer als ein Zentimeter waren.

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8. November 1969: Erster deutscher Satellit startet ins All

Am 8. November 1969 wurde der erste deutsche Satellit Azur in den Weltraum geschossen. Das Deutsche Raumfahrtkontrollzentrum in Weßling bei München übernahm den Betrieb. Der Forschungssatellit war den Angaben nach rund 70 Kilogramm schwer und 1,23 Meter hoch.

„Weil die Solarpanele so schön bläulich schimmerten, bekam er den Namen Azur“, sagte Hubertus Wanke, der damals für die Datenkontrolle im eigens errichteten Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum in Weßling bei München verantwortlich war. Die kosmische Strahlung sollte damit erforscht werden, ihre Wechselwirkung mit der Magnetosphäre, Polarlichter und Sonnenwinde.

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173 deutsche Satelliten-Missionen

Azur kreiste nun um die Erde, hatte allerdings einen Hang zum Eigenleben: Er reagierte auf Störsignale. Das konnten die Techniker zwar beheben. Während des 379. Umlaufs aber, fünf Wochen nach dem Start, fiel das Magnetband-Speichergerät aus. Von diesem Moment an konnten Messwerte und Kontrolldaten nur noch in Echtzeit empfangen werden.

Am 29. Juni 1970 brach die Verbindung dann aus ungeklärten Gründen ganz ab. Bis heute schwirrt Azur noch immer inaktiv durchs All. Er ist inzwischen bei weit mehr als 36 000 Erdumrundungen.

173 Satelliten.-Missionen mit deutscher Beteiligung folgten seither laut Bundeswirtschaftsministerium. „Jeden Tag profitieren die Menschen in Deutschland davon – häufig ohne es zu merken“, betont Jarzombek. „Ohne Satelliten hätten wir keine funktionierenden Navigationssysteme mehr, keine Fernsehübertragungen, Telefon- und Datennetze wären überlastet, die Energieversorgung massiv gestört und nicht zuletzt wären die Wetterprognosen miserabel, auf dem Niveau von Bauernregeln.“

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Der Wettlauf ins All

4. Oktober 1957, 19:28:34 Uhr. Eine sowjetische Trägerrakete startet vom Weltraumbahnhof im kasachischen Baikonur. Oben an der Spitze der Rakete Sputnik 1, der erste künstliche Erdtrabant. Nachdem die 83,6 Kilogramm schwere mit Stickstoff gefüllte, hochglanzpolierte Aluminiumkugel die Erdumlaufbahn erreicht hat, kreist sie in einer elliptischen Bahn in 215 bis 939 Kilometer Höhe um den Blauen Planeten. Am 4. Januar 1958, nach 92 Tagen im All, verglüht der Satellit.

1957: Sputnik 2 und Laika

Der Wettlauf ins All ist eröffnet. West gegen Ost, die USA gegen die Sowjetunion, die westlichen Demokratien gegen den kommunistischen Machtbereich. In den ersten Jahren der Raumfahrt haben die Sowjets klar die Nase vorn. Am 3. November 1957 hebt um 2:30 Uhr Sputnik 2 ab. An Bord: Laika, das erste Lebewesen von „Terra“, das in den Orbit fliegt.

Die dreijährige Mischlingshündin liegt eingezwängt in der Kapsel. Die Sensoren an Bord zeugen, dass Laika beim Start extrem gestresst ist. Erst 2002 gestehen russische Experten offiziell ein, dass die Hündin schon fünf bis sieben Stunden nach dem Abheben der Rakete an Überhitzung und Stress gestorben war. Ein Teil der Hitzeabschirmung der Raumkapsel hatte sich gelöst und die Innentemperatur stark ansteigen lassen.

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1958: Explorer 1

Am 1. Februar 1958 sind die Amerikaner an der Reihe. Der Satellit Explorer 1 startet von der Cape Canaveral Air Force Station in Florida.

1961: Juri Gagarin

Drei Jahre später, am 12. April 1961, folgt der bis dahin größte Meilenstein des Wettlaufs ins All: Der russische Kosmonaut Juri Gagarin begibt sich an Bord der Wostok 1 und umrundet in 106 Minuten einmal die Erde. Nach 41 000 Kilometern endet der erste bemannte Raumflug. Die Raumkapsel mit Gagarin an Bord landet im Wolga-Gebiet.

1961: Schimpanse Enos

Am 29. November 1961 schießen die Amerikaner den Schimpansen Enos an Bord einer Mercury Atlas 5 Rakete ins All.

1962: John Glenn

20. Februar 1962: John Glenn zwängt sich auf dem Weltraumbahnhof Cape Canaveral in die winzige Mercury Kapsel Friendship 7. Das Raumschiff ist auf die Spitze einer Mercury Atlas 6 Rakete montiert. Um 14:47:39 Uhr hebt die Rakete ab und erreicht nach zehn Minuten den Orbit. In den folgenden knapp fünf Stunden umrundet der 39-Jährige mit einer Maximalgeschwindigkeit von über 28 000 Kilometern drei Mal die Erde.

Aus 265 Kilometern Höhe schaut er durch seine kleine Bordluke auf die blau-weiße Kugel hinab. Da das Hitzeschild nicht richtig montiert war, besteht die Gefahr, dass Friendship 7 beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre verglüht und Glenn zu Staub zerfällt.

Die Rückkehr zur Erde wird ein Höllenritt. Die Landekapsel pendelt stark, der Treibstoff wird für die Lageregelung restlos aufgebraucht. Doch weil sich der Hilfsfallschirm früher als geplant auslöst, wird das Gefährt stabilisiert. Der Zerstörer USS Noa hievt die Kapsel mitsamt dem Astronauten an Bord aus dem Atlantik. Glenn sprengt die Einstiegsluke auf und verletzt sich dabei an der Hand. Aber außer Erschöpfung und Durst hat er keine Beschwerden. Die Rückkehr in die Heimat wird zum Triumphzug.

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