Am Beispiel des Asteroidenmonds Didymoon wollen Wissenschaftler 2022 die Technik für die Abwehr ausprobieren.

Stuttgart/Berlin - Alan Harris hat einen guten Schlaf. Der Leiter des Projekts Neoshield beschäftigt sich zwar jeden Tag damit, was passieren könnte, wenn ein Asteroid die Erde trifft – und was man dagegen tun könnte. Aber Alan Harris, der am Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin arbeitet, kann mit Wahrscheinlichkeiten umgehen – und das Risiko, einen solchen Einschlag zu erleben, ist nach seinen Worten äußerst gering. Während der 4,5 Milliarden Jahre währenden Erdgeschichte habe es nur sehr wenige Einschläge wirklich großer Asteroiden gegeben.

 

Dass eines Tages wieder ein Asteroid auf der Erde einschlagen wird, sagt er, sei allerdings ebenfalls sicher. Je nach Größe könnte ein solcher Einschlag verheerende Folgen haben. Als am 15. Februar 2013 ein Feuerball über der russischen Stadt Tscheljabinsk explodierte, wurden mehr als 1200 Menschen verletzt. Dabei ist das etwa 19 Meter große Trümmerstück gar nicht bis zum Boden gelangt. Es ist vielmehr in der Luft auseinandergebrochen – Verletzte gab es vor allem aufgrund der Druckwelle.

Der Ernstfall: extrem selten, aber sehr bedrohlich

Sollte ein Asteroid von 500 Metern Durchmesser auf der Erde aufschlagen, könnte hingegen ein ganzes Land ausgelöscht werden. Wäre er größer als 1000 Meter, ist ein weltweiter Einfluss auf das Klima zu befürchten. Die Kollision mit Asteroiden dieser Größenordnung ist allerdings für die nächsten 100 Jahre so gut wie ausgeschlossen: Von den großen Asteroiden seien fast alle entdeckt, sagt Harris, und keiner davon befinde sich zurzeit auch nur annähernd auf Kollisionskurs.

Gleichwohl halten Wissenschaftler wie er es für sinnvoll, wenn sich die Raumfahrtagenturen auf den extrem seltenen, aber bedrohlichen Ernstfall eines Einschlags vorbereiten. Die Uno hat deshalb eine Planungsgruppe (Space Mission Planning Advisory Group) ins Leben gerufen. Dieses Gremium soll Missionen vorschlagen, die der Abwehr dienen, und einen Plan für den Ernstfall entwerfen. Ein weiteres Netzwerk (International Asteroid Warning Network) soll den Austausch der Erkenntnisse beschleunigen. Alan Harris sitzt in beiden Gremien, und er sieht noch Verbesserungsmöglichkeiten: Viele Forscher arbeiten an ähnlichen Abwehrmethoden, während andere vielversprechende Konzepte vernachlässigt werden. Mehr Absprache würde die Ausbeute an Erkenntnissen erhöhen.

Kleiner Asteroid soll abgelenkt werden

Aus der globalen Zusammenarbeit ist die Idee für eine internationale Mission namens Aida (Asteroid Impact & Deflection Assessment) entstanden. Sie soll als Test für den Ernstfall dienen und zeigen, ob ein Asteroid wirklich abgelenkt werden kann. Dazu will man zwei Sonden zu dem Asteroiden Didymos und seinem Mond Didymoon schicken. Sie wären nach dem Start im Jahr 2020 rund zwei Jahre unterwegs. Am Ziel angekommen, soll die von den Amerikanern gebaute Sonde namens Dart (Pfeil) auf dem Mond aufschlagen und ihn von seinem Kurs abbringen. Die europäische Sonde Aim (Ziel) soll dies dokumentieren. „Bei dieser Mission könnten wir viel lernen“, sagt Alan Harris.

Erfahrungswerte zum Effekt eines solchen Ablenkungsversuch gibt es bisher nur aus dem Labor. Der Physiker Frank Schäfer beispielsweise erforscht dies am Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik in Freiburg. Er und seine Mitarbeiter lassen im Hochgeschwindigkeitslabor Stahl- und Aluminiumprojektile mit einer Geschwindigkeit von bis zu 6,5 Kilometern pro Sekunde auf verschieden poröse Gesteine prallen. So schnell wäre auch der Satellit, wenn er auf den Asteroiden treffen würde. Bei porösem Gestein verpufft ein Teil der Wirkung, weil viel Material zur Seite weggeschleudert wird. Nur bei hartem Gestein ist der Impuls in die gewünschte Richtung groß. Welche Beschaffenheit der ins Visier genommene Asteroid haben wird, lässt sich aber nur bedingt vorher sagen.

Ob die Aida-Mission tatsächlich stattfindet, will die europäische Weltraumbehörde Esa im Dezember entscheiden. Auch die US-Raumfahrtagentur Nasa hat noch nicht alle Mittel bewilligt.

Morgen in unserer Wochenendbeilage Die große Infografik am Samstag über Asteroiden zeigt, wie solche Geschosse aus dem All die Erde bedrohen.