New Mexico hat einen neuen Raumfahrtbahnhof. Doch die private Luftfahrt in das Weltall kämpft noch mit Problemen.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

New Mexico - Ein leises Pfeifen liegt in der Luft. Dann fegt ein schlankes, weißes Flugzeug über die Köpfe der Zuschauer hinweg, die zur Eröffnung des ersten, eigens für Weltalltouristen entworfenen Raumfahrtbahnhofes in die Wüste von New Mexico gekommen sind.

 

Mit seinen zwei weit auseinander liegenden Rümpfen sieht es aus wie die Kreuzung aus einem Segelflugzeug und einem Katamaran. "White Knight", also Weißer Ritter, haben die Entwickler der Raumfahrtfirma Virgin Galactic ihr Trägerflugzeug genannt. In der Mitte seines schlanken Flügels hängt das eigentliche Raumschiff. Die Kapsel soll einmal ein halbes Dutzend zahlender Fluggäste bis zum Rand des Weltalls befördern.

Das Trägerflugzeug wird das Miniraumschiff zunächst auf 15 Kilometer Höhe bringen. Dann soll sich die Kapsel ausklinken und mit Hilfe eines Raketenantriebs auf mehr als 100 Kilometer Höhe steigen. Das reicht für ein paar Minuten Schwerelosigkeit. Eine volle Erdumrundung bedeutet das aber nicht. Die internationale Raumstation umkreist die Erde etwa in der zweieinhalbfachen bis vierfachen Höhe. Doch solche suborbitalen Flüge kosten nur den Bruchteil eines konventionellen Raketenstarts.

Start per Flugzeug spart Gewicht und Energie

Der Kontrast zum gerade eingemotteten Spaceshuttle könnte kaum größer sein. Hier in New Mexico gibt es keine Raketenrampen und kirchturmhohe Montagehallen wie auf der Nasa-Startbasis Cape Canaveral. Der britische Stararchitekt Norman Foster hat den kleinen Hangar so nahtlos in die Landschaft geschmiegt, dass er mit seinem geschwungenen, in einen künstlichen Erdhügel eingeschmiegten Dach in der weiten, braunen Halbwüste fast unsichtbar ist.

Der Start per Flugzeug spart Gewicht und Energie. Während das Milliardenmonstrum namens Spaceshuttle vor jedem Start einen monatelangen Vorlauf brauchte und Tausende von Technikern mit seinen hochkomplexen Abläufen in Atem hielt, soll der elegante Gleiter schon wieder binnen weniger Tage für den nächsten Flug bereit sein.

Doch der Einzige, der hier einschwebt, ist der Eigentümer von Virgin Galactic, der exzentrische britische Unternehmer Richard Branson. Er seilt sich in Bergsteigermanier von der gläsernen Fassade des neuen Hangars ab - und nimmt in luftiger Höhe einen kräftigen Schluck aus der Champagnerflasche.

Tests am Spaceshuttle noch nicht abgeschlossen

Man werde hier einen der wichtigsten neuen industriellen Sektoren des 21. Jahrhunderts schaffen, sagt Branson: "Wir wollen die Pioniere für einen sicheren, bezahlbaren und sauberen Zugang zum Weltall sein. Wir meinen es mit jedem Schritt dahin ernst." Doch die nagelneue Halle wird bis auf Weiteres keine zahlenden Astronauten sehen.

Kritische Tests am Raumflugzeug sind noch nicht abgeschlossen. Und die finden an der Produktionsstätte in Kalifornien statt. Der Spaceport in New Mexico muss auf die Verheißungen eines neuen, von privaten Unternehmen dominierten Raumfahrtzeitalters erst einmal warten.

Auch der Optimismus eines Richard Branson kann die gewaltigen technischen Herausforderungen nicht einfach aus dem Weg räumen. Die Firma Virgin Galactic steht damit nicht allein. Erst Anfang September kam ein von Jeff Bezos, dem Gründer des Internetversandhändlers Amazon, gefördertes Raumfahrzeug wegen eines Defekts im Antriebssystem vom Kurs ab und musste zerstört werden.

Im Jahr 2004 haben die Techniker von Virgin Galactic das deutlich kleinere Spaceship One erfolgreich getestet und damit den Preis für das erste Privatunternehmen gewonnen, das einen Menschen ins Weltall schickte.

Das Spaceport soll Arbeitsplätze und Bildung bringen

Doch alle drei Flüge sind nun schon sieben Jahre her. Der zweite Akt lässt auf sich warten. Dabei wartet auch die amerikanische Politik ungeduldig auf den Sprung ins private Raumfahrtzeitalter. Nach dem Willen von US-Präsident Barack Obama soll sich die US-Raumfahrtagentur Nasa zunehmend auf private Dienstleister stützen.

Mehr als 200 Millionen Dollar hat New Mexico in die Hand genommen, um vorne dabei zu sein. Doch Susana Martinez, die republikanische Gouverneurin von New Mexico, die das Projekt von ihrem demokratischen Vorgänger geerbt hat, lässt keinen Zweifel, dass die Betreiber mehr liefern müssen als nur Visionen.

Arbeitsplätze soll der Spaceport bringen, ein Magnet für wissenschaftliche Einrichtungen werden und vor allem Schüler und Studenten aus New Mexico zu einer Karriere in Wissenschaft und Technik inspirieren.

Erster Start lässt auf sich warten

Immerhin hat die Nasa nun Tickets für bis zu drei Forschungsflüge gelöst. Der elegante Flieger von Virgin wird zwar niemals echte Raumflüge ersetzen - aber er könnte Dutzende von kleinen Wegwerfraketen und Ballons überflüssig machen, mit denen Wissenschaftler heute Messinstrumente an den Rand des Weltalls schicken.

Doch Nasa-Koordinator John Kelly dämpft ein wenig die Euphorie: "Wir sind einer von vielen Kunden. Da wir private Raumfahrtfirmen nicht subventionieren, wollen wir sie durch Aufträge unterstützen."

Noch lebt die Branche von Versprechungen. Binnen zwölf Monaten hoffe man, das erste Mal ins All zu starten, sagt Richard Branson. Doch schon seit Jahren liegt das erste Startdatum immer gleich um die Ecke. Am Rande der Veranstaltung munkeln Geschäftspartner von Virgin vom Jahr 2015, bis zu dem der erste kommerzielle Flug vielleicht auf sich warten lasse.

Die Eröffnungsshow war eine gewöhnliche Flugshow

Wie so oft in der Geschichte der Raumfahrt ist das Raketentriebwerk offenbar die Achillesferse. Indirekt gibt das auch der Leiter von Virgin Galactic zu. "Mit 55 Sekunden Brenndauer hat unser Triebwerk schon fast das Ziel erreicht", sagt George Whitesides bei der Präsentation der Erfolgsbilanz.

Die Eröffnungsshow in New Mexico dient zunächst einmal dazu, die wohl geduldigsten Kunden der Welt bei der Stange zu halten. Mehr als 450 Menschen haben zum Teil seit fast zehn Jahren Anzahlungen zwischen 20.000 und 200.000 Dollar hinterlegt, um auf der Warteliste für den Ausflug ins Weltall möglichst weit vorne zu stehen.

Doch der Weiße Ritter hat nur eine konventionelle Flugschau zu bieten. Wie ein Segelflugzeug windet er sich in den blauen Himmel - das Raumschiff bleibt angedockt. Für den Reisevermittler Jean-Luc Wibaux, der für Virgin seit Jahren einige Möchtegernraumfahrer in Frankreich bei der Stange halten muss, ist das nicht die Show, auf die er gewartet hat.

"Könnten die nicht wenigstens einmal das Raumschiff selbstständig landen lassen?", sagt er. "Sie sollten endlich einen ehrlichen Zeitplan aufstellen. Es ist doch halb so schlimm, wenn es noch ein bisschen dauert."

Vor allem Männer wollen ins All

Truth or Consequences, also "Wahrheit oder Konsequenzen", lautet der Name des nächsten Orts am Raumfahrtbahnhof. Vielleicht eine Inspiration? Doch die meisten der 150 eingeflogenen, "künftigen Raumfahrer", als die sie Virgin Galactic tituliert, scheinen eine geradezu überirdische Geduld aufzubringen.

Der ehemalige Investmentbanker Paul Wood aus Chicago weiß noch nicht einmal, auf welcher Position der Warteliste er gerade steht: " Ich habe mit Raumfahrtromantik nichts am Hut. Mich interessiert, wie sie die technischen Probleme lösen", sagt er. Auch der Unternehmer Charles Barton hat seine 20.000 Dollar schon im Jahr 2006 hinterlegt, in der Hoffnung, dass es vielleicht 2008 für ihn losgehen könnte.

Jetzt ist er 75, längst im Ruhestand - und steht immer noch auf Warteposition 286. "Ich will nach oben, um zu erleben, wie zerbrechlich unsere Welt ist", sagt er. Seine Frau lächelt milde: "Ich bin zu bodenständig für so etwas", sagt sie. Diese Kombination trifft man bei vielen Paaren hier. Die Männer träumen vom Heldenritt ins Weltall. Die Frauen lassen sie halt machen - in der Gewissheit, dass ihre Partner nicht so schnell abheben.