Was könnte Menschen für die Kometenmission Rosetta einnehmen? Die Aussicht auf Bodenproben packt nur wenige. Ein Flug dicht über der Oberfläche wäre etwas anderes. Auch beim Raumschiff Enterprise tritt die Wissenschaft manchmal in den Hintergrund.

Darmstadt - Es sei ein emotionaler Moment für ihn, sagt Holger Sierks vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. Er könne nun auch visuell bestätigen, dass die Raumsonde Rosetta den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko erreicht habe. Er öffnet den Laptop, den er auf die Bühne mitgenommen hat, und zeigt eine Nahaufnahme, die er selbst erst seit einigen Minuten kennt. Sierks hält den Bildschirm zunächst nur nach rechts, wo im Saal einige Kollegen sitzen. Sie applaudieren, aber der Rest des Publikums wartet noch darauf, das Bild gezeigt zu bekommen. Die Theatralik hätte Sierks nicht gebraucht, denn die Zuschauer sind ohnehin gespannt.

 

Drei Mal hat der Moderator zuvor per Video zu Sierks ins Kontrollzentrum geschaltet, um zu fragen, wie es um die Bilder stehe. Journalisten hatten sich in einem offenen Brief bei Sierks und der Europäischen Raumfahrtagentur (Esa) beschwert, dass zu selten Bilder veröffentlicht würden. Jetzt bekommen sie, was sie wollen. Nachdem Rosetta kurz zuvor ein letztes Mal beschleunigt hat und nun in 100 Kilometer Entfernung neben dem Kometen fliegt, werden als erstes drei Bilder zur Erde gefunkt; die anderen Daten kommen später an die Reihe. Ein Mitarbeiter von Sierks’ Kamerateam deutet auf einen Bildschirm, auf dem der Fortschritt des Downloads angezeigt wird. Es dauere nicht mehr lange.

Auf den Bildern, die Sierks dann am Esa-Standort in Darmstadt zeigt, sind Dinge zu sehen, die Felsklötze sein könnten. Sie sind groß wie Häuser – mehr weiß man noch nicht. Und an anderen Stellen sieht es so aus, als sei dort einmal irgendetwas geflossen oder gerutscht. Aber dieser Eindruck kann täuschen, denn man schaut nicht auf eine irdische Region, sondern zum ersten Mal auf die Oberfläche eines Kometen. Es ist eine fremde Welt, und sie wird sich noch ändern, wenn der Komet der Sonne nahekommt und Material verliert. Macht es da etwas aus, dass die Bilder grau sind? Tatsächlich ist der Komet sogar schwarz. Man würde nichts falsch machen, wenn man einfach ein schwarzes Bild zeige, witzelt der Moderator: Komet vor der Tiefe des Alls.

„Glaubt ja nicht, dass wir durch diese Schlucht fliegen“

Auf diesem Kometen soll im November der Roboter Philae landen. Das hatte die Esa am Anfang nicht vorgesehen, inzwischen ist die Landung der absehbare Höhepunkt der Mission. Der heute 74-jährige Physiker Berndt Feuerbacher hat Philae mit seinen Kollegen in den 90er-Jahren vorgeschlagen und entwickelt. Nun geht es darum, einen Landeplatz zu finden: benötigt wird ein 500 mal 300 Meter großes Areal. Noch weiß man nichts über den Boden, auf dem Philae aufsetzen und in dem er sich verankern soll. Und der Komet hat auch nicht die Form, die man erwartet hat. Er erinnert nicht an eine Kartoffel oder Gurke wie andere Kometen (etwa Halley – hier ein Video des Anflugs), sondern an eine Ente: Ein kleiner Knubbel als Kopf, dann ein schlanker Hals und schließlich ein dickes Hinterteil. Einen Forscher erinnert er auch an ein klingonisches Raumschiff, einen Bird of Prey, nur ohne Flügel. Feuerbacher muss nervös sein bei so viel Unsicherheit, aber er zeigt sich optimistisch, gibt sogar ein Thumbs-up.

Die Landung muss nicht das letzte spannende Manöver der Mission sein. Nach Sierks kommt der Flugleiter Andrea Accomazzo auf die Bühne und deutet an einem großen Bildschirm auf den Hals des Kometen, der Ähnlichkeit hat mit einem Pass in den Alpen: links und rechts erheben sich die Berge gut einen Kilometer. „Glaubt ja nicht, dass wir durch diese Schlucht fliegen“, sagt Accomazzo zu Sierks und seinen Kollegen. „Ich weiß, ihr werdet uns darum bitten.“ Aber das sei zu riskant.

Riskant, aber spannend: ein Flug dicht über der Oberfläche – fast so, als würde Han Solo den Rasenden Falken durch ein Asteroidenfeld steuern. Wenn die wichtigsten Messungen im Kasten sind, die Piloten genügend Erfahrung gesammelt haben und die Mission von der Pflicht in die Kür übergeht, dann könnte man es doch wagen. Sicher wäre das auch wissenschaftlich interessant, denn womöglich verliert der Komet am Hals mehr Material als an Kopf und Hinterteil. Das könnte man aus der Nähe untersuchen und hätte einen weiteren Grund für ein spektakuläres Manöver, zu dem man so bald keine zweite Gelegenheit bekommt.