Igor Tipura ist DJ und Veranstalter. Seine Partys im KimTimJim, in der Bar Romantica oder im Fangelsbacher Eck waren legendär. Am Samstag lässt er in der Staatsgalerie zwischen Exponaten feiern.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Hedonismus ist oft eine anstrengende Angelegenheit: Legt der DJ gut auf, artet der Clubbesuch in körperliche Betätigung aus. Einen besonders schweißtreibenden Job dürfte am kommenden Samstag allerdings das Aufsichtspersonal in der Staatsgalerie haben. Dann nämlich entert die Popkultur in Gestalt des Stuttgarter Veranstalters, DJs und Produzenten Igor Tipura die ehrwürdige Staatsgalerie, um zwischen den Exponaten zu tanzen. „Laut!Malerei“ lautet das Motto der Jungen Nacht 2015, bei der die Jungen Freunde der Staatsgalerie bereits zum dritten mal im Museum zum Tanz bitten.

 

Igor Tipura darf den Rave durch die Sonderausstellung „Christian Marclay. Shake, Rattle and Roll“ und Teile der Sammlung zum ersten Mal mitveranstalten. Für den Wahlstuttgarter ist die temporäre Übernahme der hochmögenden Kunstinstitution Neuland. Eigentlich sind die Clubs seine Heimat. In der Stuttgarter House- und Techno-Szene gehört der 33-Jährige zu den Schrittmachern. Nachhaltig auf sich aufmerksam machte er vor drei Jahren, als er die Küche im illegalen Club Kim Tim Jim unter dem Titel Kitjen bespielte. Als die Stadt dem temporären Club, der sich am Rande des Breuninger-Neubauprojektes befand, den Stecker zog, zog Tipura mit seiner Veranstaltungsreihe in eine temporäre Galerie weiter. „Dort gab es auch eine Küche, in der allerdings nur noch eine Spüle in der Ecke stand. Wir haben den Raum dann mit dem Charme einer 80er-Jahre-Abi-Party hergerichtet und mit keiner großen Nachfrage gerechnet“, erinnert sich Tipura. Am Ende der ersten Kitjen-Party außerhalb des Kim Tim Jim hatten schließlich mehrere hundert Gäste sämtliche Getränkereserven geplündert.

Der unaufgeregte Hype-Veranstalter

Das Angenehme an Igor Tipura ist, dass er zwar überall, wo er veranstaltet oder auflegt, einen veritablen Hype kreiert, er selbst aber so unaufgeregt wie möglich daherkommt. Ursprünglich kommt der junge Kroate aus Nürnberg. Nach Stuttgart zog er wegen des Studiums an der Hochschule der Medien. Dort schreibt er gerade seine Bachelor-Arbeit zum Thema „Erfolgskriterien für ein Independent-Plattenlabel“. Auch hier gibt sich Tipura erfrischend anders. In der heutigen Bachelor-Leistungsgesellschaft ist Tipura sozusagen der letzte Vertreter der Spezies des Langzeitstudenten. „In den vergangenen zwei Jahren habe ich mich eben eher auf andere Aufgaben konzentriert“, sagt er mit einem Grinsen.

Zu den anderen Aufgaben gehört neben dem Auflegen – Tipura spielt regelmäßig in Clubs in Frankfurt oder München, aber auch mal auf einem Festival in Frankreich – und dem Veranstalten mittlerweile auch ein eigenes Plattenlabel. Unter Kitjen Records bringt Tipura „Underground-Dance-Music“ heraus, wie er es nennt. Die erste Veröffentlichung stammte von zwei Brüdern aus dem Umfeld des Clubs Robert Johnson in Offenbach. Hier schließt sich auch auf dieser Ebene der Kreis zur Hochkultur, denn das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt widmete dem Gründer und Betreiber des Robert Johnson, Ata Macias, im vergangenen Jahr eine Einzelausstellung – mehr Ritterschlag für die Popkultur geht nicht.

Tipura kickte in der Jugend beim 1. FC Nürnberg

Dass Igor Tipura ungewöhnliche Räume bespielen kann, hat er auch bei der Interimsnutzung des Fangelsbacher Ecks bewiesen. In dem Abbruchhaus arbeitete er im Sommer 2014 mit dem Stuttgarter Architekten und Gastronomen Janusch Munkwitz zusammen, der sich am Samstag in der Staatsgalerie auch wieder um den organisatorischen und gastronomischen Part kümmern wird. „Nicht nur beim Fangelsbacher Eck hat unsere Zusammenarbeit großen Spaß gemacht: Damals bekamen wir donnerstags den Schlüssel und die Konzession und haben samstags die erste Party veranstaltet. Am Ende standen 1000 Besucher auf der Tübinger Straße bei uns vor der Türe“, erinnert sich Tipura.

Tipuras Karriere hätte übrigens auch ganz anders verlaufen können. In der Jugend spielte er Fußball beim 1. FC Nürnberg. In der C-Jugend war Peter Knäbel, der heutige HSV-Sportdirektor, sein Trainer. „Der Profi-Laufbahn stand dann die Pubertät im Wege“, so Tipura. Gut für Stuttgart, dass sich Igor Tipura heute lieber um Hedonismus mit Qualität zwischen Pop- und Hochkultur kümmert.