Wegen des Verdachts auf Bilanzmanipulation ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Verantwortliche der Windreich AG. Durchsucht wurden auch Räume von Ex-Minister Walter Döring (FDP).

Stuttgart - Verfolgt fühlte sich Willi Balz schon länger. „Wir sehen uns einer aggressiv-negativen Presse- und Lobbyarbeit ausgesetzt“, klagte der Alleinaktionär und Vorstandschef der Windreich AG, als er im vorigen Sommer zur Bilanzpressekonferenz in die Räume der Stuttgarter Börse bat. Ständig versuchten „interessierte Kreise“ , ihm mit Hilfe der Medien das Leben schwer zu machen. Und weil die Deutschen „Weltmeister im Totreden“ seien, fielen die Hinweise auf die angeblichen Probleme seiner Windkraftfirma mit Sitz in Wolfschlugen auf fruchtbaren Boden.

 

Auch jetzt, da sich die Staatsanwaltschaft für seine Geschäfte interessiert, hatte Balz sofort wieder einen Schuldigen parat. „Anonyme Anzeigen mit gleichzeitiger Information an die Presse“ seien inzwischen leider nicht selten, „wenn es darum geht, Konkurrenzunternehmen in der Öffentlichkeit zu diffamieren“, schrieb er an seine beunruhigten Geldgeber. Die an die Justiz herangetragenen Vorwürfe seien „absolut haltlos“ und dienten nur dazu, die Windparkstrategie von Windreich in der Nordsee und damit letztlich „die Energiewende zu verhindern“. Man werde mit den Ermittlern „vollumfänglich“ zusammenarbeiten und alles rasch ausräumen.

1200 Aktenordner und viele Daten sichergestellt

Völlig substanzlos kann es indes nicht gewesen sein, was ein anonymer Insider der Anklagebehörde gesteckt hatte. Sonst hätte diese wohl nicht so konsequent zugeschlagen: Vier Staatsanwälte und 35 Beamte des Landeskriminalamts durchsuchten am Dienstag die Windreich-Zentrale über einem Supermarkt in Wolfschlugen und vier Privatwohnungen von (Ex-)Managern. Ermittelt werde gegen fünf amtierende und ehemalige Vorstandsmitglieder „eines auf dem Sektor der regenerativen Energien tätigen Unternehmens“ wegen des Verdachts auf Bilanzmanipulation in Millionenhöhe, teilte die Staatsanwaltschaft mit: Durch die „Überbewertung von Vermögenspositionen“ sollen sie Jahres- und Konzernabschlüsse sowie Lageberichte „geschönt“ haben. In den Jahren 2010 und 2011 seien Forderungen und Umsätze ausgewiesen worden, denen „keine effektiven Geschäfte zugrunde lagen“ oder nur solche mit einem deutlich niedrigeren Gegenwert. Weitere Verdachtsmomente bestünden für Kapitalanlagebetrug, Marktpreismanipulation und Kreditbetrug. Man habe 1200 Aktenordner und große Mengen digitaler Daten sichergestellt, bilanzierten die Fahnder, die Auswertung werde dauern.

Döring verweist auf die Wirtschaftsprüfer

Besuch von der Justiz bekam, daheim in Schwäbisch Hall, auch ein prominenter Ex-Politiker: der frühere Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP), der bei Windreich zunächst als Berater, dann als Aufsichtsratsvorsitzender und bis vorigen Sommer als Vizevorstandschef tätig war. Just an dem Tag, da er zu einer Veranstaltung mit dem Außenamtsstaatsminister Michael Link (FDP) und drei Botschaftern einlud, wurden bei ihm kistenweise Akten beschlagnahmt. Der 58-jährige Döring zeigte sich indes reinen Gewissens: Die Vorwürfe beträfen nicht sein einstiges Ressort, er fühle sich „absolut sauber“. Bei allem, was er unterschrieben habe, habe er sich auf renommierte Steuerberater und Wirtschaftsprüfer verlassen. Gemeint sind die Experten von BW Partner in Stuttgart, die Windreich seit Langem begleiten.

Denkwürdig war schon Dörings Abschied von der Windkraftfirma, mit dessen Flugzeugen übrigens auch der frühere Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) mehrfach unterwegs war. Mit der Ankündigung, als Vorstandsvize aufzuhören, überrumpelte er Balz 2012 während der Bilanzpressekonferenz. Als Berater werde er ihm aber eng verbunden bleiben. Sein Wechsel dürfe nicht als Kapitulation vor den Schwierigkeiten der Branche oder gar des Unternehmens gewertet werden, sagte der Ex-Minister damals: Windreich gehe es „besser als allen anderen“.

Der große Geldregen lässt auf sich warten

Tatsächlich kämpfte die kleine Firma, die sich als Pionier und Marktführer bei der Entwicklung von Nordsee-Windparks sieht, schon damals mit schweren Turbulenzen. Das große Geld, das Balz mit den Riesenrotoren zu machen hofft, ließ aus verschiedenen Gründen auf sich warten; die Finanzlage des Unternehmens wurde derweil immer prekärer. Zeitweise drückten es Schulden von mehreren Hundert Millionen Euro – und das bei einer Gesamtleistung, die zuletzt bei 160 Millionen Euro lag. Nervös wurden da nicht nur die Zeichner der beiden Windreich-Anleihen, deren Kurs massiv absackte, sondern dem Vernehmen nach auch die Banken. Balz reagierte mit Heuern und Feuern. Sein neuer Finanzvorstand Matthias Hassels, den er von der Schweizer Sarasin-Bank geholt und mit Vorschusslob überhäuft hatte, musste bald wieder gehen. Er kriege das „besser hin als der Herr Hassels“, bescheinigte sich der Chef, nachdem er das Finanzressort mit übernommen hatte. Schließlich sei er mit einem dreistelligen Millionenbetrag persönlich engagiert.

Die nächste Personalie schien ein echter Coup zu sein: der einstige Finanzchef der Telekom, Karl-Gerhard Eick, solle den Börsengang von Windreich vorbereiten. Eick sah dafür indes „auf absehbare Zeit“ keine Chance. Schon als Berater verabschiedete er sich bald wieder, aus seinem Einzug in den Vorstand wurde schon gar nichts. Die Märkte hätten die Trennung von dem einstigen Telekom-Mann wohl „falsch interpretiert“, beklagte Balz jetzt. Es habe ihm schlichtweg am nötigen Vertrauen gefehlt: „Den Eindruck, dass Herr Dr. Eick eine feindliche Übernahme im Sinn hatte, bin ich nie losgeworden.“

TV-Talkerin Christiansen als Vizeaufseherin

Schon bald konnte Windreich mit dem nächsten klangvollen Namen aufwarten: Als neue Vizeaufsichtsratschefin wurde im Januar die einstige TV-Talkmasterin Sabine Christiansen gewonnen. Mit ihrem Engagement in diversen Nachhaltigkeitsinitiativen der Wirtschaft passe Christiansen „perfekt zu Windreich“, jubilierte das Unternehmen.

Eher schillernd ist hingegen die Prominenz eines Geschäftspartners, den Balz angeblich über die gemeinsamen Hobbys – Segeln und Oldtimer – kennenlernte: Lord Irvine Laidlaw, schottischer Beinahe-Milliardär mit Wohnsitz in Monaco und bewegter Vergangenheit. Laidlaw half ihm mit einem mittleren zweistelligen Millionenbetrag aus einer akuten Klemme und bekam dafür das gesamte Windparkprojekt Deutsche Bucht; das zeitweise hoch verzinste Darlehen soll damit indes noch keineswegs getilgt sein. Die ohnehin schwierige Finanzierung von Windreich, befürchten Kenner des Unternehmens, werde durch die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bestimmt nicht einfacher.

Willi Balz erhöht derweil noch einmal den Einsatz. Obwohl er schon jetzt ein „enormes persönliches Risiko“ trage, schrieb er den Zeichnern seiner Anleihen, stocke er sein privates finanzielles Engagement kurzfristig weiter auf. Sodann verbreitete er wieder jenen Optimismus, mit dem er seit Langem die Probleme zu relativieren versucht: „Mit Ihrer Hilfe werden wir gemeinsam gegen alle Widerstände die Energiewende umsetzen.“