Der mutmaßliche Schütze auf einen SEK-Beamten in Reutlingen besaß eine Waffenbesitzkarte. Die SPD im Landtag forderte unterdessen von der Landesregierung, Waffenbesitzer enger und stärker zu kontrollieren.

Der Mann, der mutmaßlich bei einer Razzia im Reichsbürgermilieu am frühen Mittwochmorgen in Reutlingen auf Polizisten des Spezialeinsatzkommandos Baden-Württemberg schoss, besitzt nach Informationen unserer Redaktion eine Waffenbesitzkarte. Diese berechtigt ihren Besitzer, Schusswaffen und Munition zu erwerben, nicht aber, eine Waffe „schuss- und zugriffsbereit“ mit sich zu führen. Das bedeutet: Für den Transport beispielsweise auf einen Schießstand muss der Besitzer Waffe und Munition getrennt voneinander in unterschiedlichen Behältern transportieren.

 

Die SPD im Landtag forderte unterdessen von der Landesregierung, Waffenbesitzer enger und stärker zu kontrollieren. „Wir müssen unsere Gesetze so verbessern, dass noch konsequenter gegen Waffen in Extremistenhänden vorgegangen wird – gerade auch, um die vielen Sportschützen und Jäger, die völlig legal Waffen besitzen, zu schützen. Kein einziger Reichsbürger in unserem Land darf eine Waffe besitzen!“, sagte Generalsekretär Sascha Binder. Die Gedanken seiner Fraktion seien bei dem verletzten SEK-Beamten und seinen Angehörigen.

Für Binders Fraktionskollege Boris Weirauch zeigt der „Schusswechsel in Reutlingen einmal mehr, dass Reichsbürger nicht nur eine Bedrohung unserer Verfassungsordnung sind, sondern auch eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Leider ist Reutlingen nicht die einzige Razzia im Land, bei der Reichsbürger auf Polizisten geschossen haben“, sagt Weirauch mit Blick auf den Fall Boxberg, bei dem im April vergangenen Jahres auch zwei Polizisten verletzt wurden. Der SPD-Politiker fordert von Innenminister Strobl Aufklärung: „Es muss geklärt werden, woher der Täter die Schusswaffe hatte. Leider hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass Reichsbürger und Rechtsextremisten in Baden-Württemberg legal Waffen besitzen dürfen und die Landesregierung untätig zuschaut. Grüne und CDU stehen hier gemeinsam in der Verantwortung, zum Schutz der Bevölkerung, aber auch der Einsatzkräfte der Polizei.“

Der angeschossen Elitepolizist erlitt einen Unterarmdurchschuss

Weirauch hatte sich in einem Untersuchungssuchungsausschuss des Landtages damit befasst, die Bezüge des Terrortrios des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) nach Baden-Württemberg aufzuklären. Der NSU hatte zwischen 2000 und 2007 neun Migrantin und die Polizistin Michelle Kiesewetter in Heilbronn ermordet. Zudem war er für 43 Mordversuche, drei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle verantwortlich.

Der angeschossen Elitepolizist erlitt einen Unterarmdurchschuss und befindet sich derzeit im Krankenhaus. Der mutmaßliche Schütze wurde von seinen Kollegen festgenommen. Der Generalbundesanwalt hat ein Verfahren wegen versuchten Mordes gegen den Mann eingeleitet, er soll heute noch dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe vorgeführt werden.

Der mutmaßliche Täter gehörte für die Staatsanwälte dabei zunächst nicht zu den Beschuldigten im Umkreis des Frankfurter Geschäftsmannes Heinrich XIII. Prinz Reuß. Dieser war zusammen mit 24 möglichen Unterstützern im vergangenen Dezember verhaftet worden. Die Beschuldigten befinden sich seitdem in Untersuchungshaft. Ihnen wird vorgeworfen, das politische System in Deutschland gewaltsam verändern gehabt zu wollen.

In diesem Zusammenhang sind die Durchsuchungen am heutigen Tag in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Sachsen sowie der Schweiz zu sehen. Der mutmaßliche Schütze in Reutlingen war dabei für den ermittelnden Generalbundesanwalt zunächst Zeuge in dem Verfahren. Insgesamt wurden etwa 25 Objekte von Polizistinnen und Polizisten durchsucht.

Im vergangenen April schoß ein inzwischen angeklagter mutmaßlicher Reichsbürger in Boxberg-Bobstadt bei einer Razzia auf Beamte des SEK und der sie sichernden Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE). Er verletzte einen der Elitepolizisten schwer, einen anderen leicht. In Haus des Mannes fanden Ermittler Sturmgewehre, Maschinenpistolen, ein Maschinengewehr sowie etwa 5000 Schuss Munition. Das Gerichtsverfahren wegen versuchten Mordes gegen den mutmaßlichen Schützen beginnt am 5. April vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht.