Der mutmaßliche Schütze Markus L. besaß legal 22 Handfeuer- und Schusswaffen. Bei einem Schusswechsel durchschoss er den Unterarm eines SEK-Polizisten.

Ringelbach ist eine beschauliche Gegend im Süden Reutlingens. In der Peter-Rosegger-Straße strahlen die Mehrfamilienhäuser weiß, beige und rot im Sonnenlicht, spenden Bäume Schatten und trainieren die Sportfreunde 02 Reutlingen auf Rasen. Ein Steinwurf entfernt schoss am frühen Mittwochmorgen der mutmaßliche „Reichsbürger“ Markus L. auf die Polizisten des Spezialeinsatzkommandos Baden-Württemberg, durchschoss einem der Beamten den Unterarm.

 

Suche nach Beweismitteln

Bundesweit und in der Schweiz war die Polizei ausgerückt, um für den Generalbundesanwalt (GBA) mehr als 20 Wohnungen zu durchsuchen. Nachdem im vergangenen Dezember etwa 5000 Polizistinnen und Polizisten Wohnungen und Geschäftsräume mutmaßlicher „Reichsbürger“ um den Frankfurter Geschäftsmann Heinrich XIII. Prinz Reuß gestürmt und 25 Beschuldigte verhaftet hatten, sollten jetzt mit einer zweiten, umfangreichen Razzia bei weiteren Beschuldigten, aber auch Zeugen Beweismittel gefunden werden. Die Staatsanwälte des GBA werfen der Gruppe um Reuß vor, sie habe das politische System Deutschlands gewaltsam beseitigen wollen. Für die Ermittler war der mutmaßliche Schütze in Reutlingen ursprünglich ein Zeuge in dem Verfahren gegen den alternden Prinzen aus Frankfurt und seine Unterstützer. Jetzt hat der Generalbundesanwalt ein Verfahren wegen versuchten Mordes gegen Markus L. eingeleitet. Der besaß als Sportschütze teils legal ein umfangreiches Waffenarsenal: ein Maschinengewehr, neun Langwaffen, Handgranaten und Handfeuerwaffen. Für 22 Waffen hatte er eine offizielle Erlaubnis.

Forderungen nach Aufstockung des SEK werden laut

Als die SEK-Beamten in die Wohnung eindrangen, stellten sie L. in seinem Wohnzimmer. Dort soll der Mann eine großkalibrige Waffe auf die Polizisten gerichtet haben. Wiederholt hätten die SEKler ihn vergeblich aufgefordert, sein Gewehr niederzulegen. Bei dem folgenden Schusswechsel sei der Beamte verletzt worden. Später habe L. sich den Elitepolizisten ergeben.

Er wurde festgenommen und am Nachmittag dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe vorgeführt, der einen Haftbefehl gegen den Mann erließ.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in Baden-Württemberg, Gundram Lottmann, forderte als Konsequenz aus dem Einsatz, das SEK des Landes um etwa 35 Beamte aufzustocken: „Der Einsatz in Reutlingen hat einmal mehr gezeigt, dass gerade die Polizisten unseres SEKs hohen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind. Während in den letzten 30 Jahren kein einziger SEK-Beamter im Einsatz durch Schüsse verletzt wurde, waren es im vergangenen Jahr gleich zwei Polizisten, die im Einsatz gegen ‚Reichsbürger‘ beschossen und verletzt wurden.“ Bereits 2016 hatte eine Expertenkommission zur Weiterentwicklung der Spezialeinheit 30 zusätzliche Beamte für das Kommando gefordert.

Vorbildhaft seien Bayern und Nordrhein-Westfalen

Zudem will der Gewerkschafter, dass die bei vielen Einsätzen das SEK sichernden Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE) für diese Aufgabe auch ausgebildet und ausgestattet werden, also sogenannte BFE+-Einheiten geschaffen werden. „Baden-Württemberg darf bei zunehmend gewaltbereiteren und bewaffneten Tätern nicht die Augen verschließen und wie schon in den 1990er Jahren das deutsche Schlusslicht in einer unaufhaltsamen Entwicklung sein.“

Generalbundesanwalt Peter Frank geht davon aus, dass die Ermittlungen am Ende in mehrere Anklagen münden werden. Aller Voraussicht nach würden verschiedene Schwerpunkte gebildet, sagte er am Mittwochabend bei seinem Jahrespresseempfang in Karlsruhe. Die Ermittlungen würden einige Zeit in Anspruch nehmen, in zwei, drei Monaten sei noch mit keiner Anklage zu rechnen.

Von den 25 im Dezember Festgenommenen befinden sich mittlerweile nur noch 24 in U-Haft. Der Haftbefehl gegen einen der Männer sei Ende vergangener Woche außer Vollzug gesetzt worden, so die Bundesanwaltschaft am Mittwoch auf Anfrage. Eine längere U-Haft sei unverhältnismäßig. Der Tatverdacht bestehe aber weiter.