Schwarzarbeit und Mindestlohnverstöße sind auf dem Bau ein Dauerbrenner – der Zoll soll mit mehr Personal noch stärker dagegen vorgehen. Am Mittwoch wurden die Beamten im Neubau des Katharinenhospitals fündig.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Er wird immer nervöser, der kleine Mann mit der orangefarbenen Warnweste über der roten Vliesjacke. Mit über 100 anderen Bauarbeitern steht er im Untergeschoss des künftigen Zentralbaus des Katharinenhospitals, wo die uniformierten Kontrolleure des Zoll einen Sammelplatz eingerichtet haben. Razzia-Zeit – die Arbeiten am Innenausbau für das 155 Millionen teure Bauwerk müssen vorerst ruhen. Gesucht werden am Mittwochmorgen Schwarzarbeiter, Personen, die sich illegal in Deutschland aufhalten, Bauarbeiter ohne Mindestlohn oder nicht ordnungsgemäß gemeldete Subunternehmer. Und dieser Mann ist ziemlich nervös.

 

Was brennt dem Arbeiter da unter den Nägeln?

Das Hauptzollamt Stuttgart hat am Mittwoch 83 Ermittler der Abteilung Finanzkontrolle Schwarzarbeit in die Kriegsbergstraße geschickt, um die Bauarbeiter im sogenannten Haus F des neuen Klinikums zu überprüfen. Der Rohbau steht, jetzt schreitet der Innenausbau mit Elektroarbeiten voran. Der Zoll zeigt Flagge – denn Schwarzarbeit, Mindestlohnverstöße und illegale Ausländerbeschäftigung sind in Zeiten des Baubooms ein brandheißes Thema. „Nicht ohne Grund will die Bundesregierung die Stellen der Finanzkontrolleure von 7500 auf 10 000 aufstocken“, sagt Thomas Seemann, der Sprecher des Hauptzollamts Stuttgart. Der Stuttgarter Trupp mit insgesamt 140 Ermittlern wächst ebenfalls.

Die Großkontrolle am Klinik-Neubau zählt zu den zahlreichen Sonderüberprüfungen, die derzeit auf Großbaustellen in Ballungsräumen von Hamburg über Berlin bis München stattfinden. Sie kommt völlig überraschend – auch für den Bauarbeiter mit der roten Vliesjacke, der oben auf dem Dach mit Schweißarbeiten beschäftigt ist. Etwas scheint ihm unter den Nägeln zu brennen, als er ziemlich nervös im Untergeschoss des Rohbaus darauf wartet, den mit Klemmbrettern bewaffneten Zöllnern Antworten zu seiner Beschäftigung zu geben.

Die Sünderquote liegt bei zehn Prozent

Nicht alle bleiben stehen. Erst am Tag zuvor hatten die Zöllner auf einer kleinen Baustelle im Stadtteil Wangen alle Hände voll zu tun – ein Arbeiter hatte sich im Keller versteckt und dann zu flüchten versucht. „Der Mann aus der Türkei hielt sich drei Jahre illegal in Deutschland auf“, sagt Zoll-Sprecher Seemann. Als Nicht-EU-Bürger hatte er keine Arbeitserlaubnis. Die kleine Baustelle in Wangen war ein Volltreffer: „Von 13 Arbeitern waren sechs unter Mindestlohn, zwei illegal beschäftigt“, so Seemann.

Ein Extremfall? Generell muss der Zoll feststellen, dass es in jedem zehnten Fall den Verdacht einer Mindestlohnunterschreitung oder eines Sozialbetrugs gibt. „Und sehr oft gibt es auch Verstöße gegen die Handwerksordnung“, sagt Achim Kraisel, Rechtsberater der Handwerkskammer Stuttgart. Subunternehmer meldeten „ein irreführendes Gewerbe“ an, um die Notwendigkeit eines Meisterbriefs zu umgehen.

Die Bilanz ist eher ernüchternd

Der Zoll hat in und um Stuttgart im vergangenen Jahr etwa zwölf Millionen Euro Schaden aufgedeckt. „Und da ist das Ergebnis aus zwei Großverfahren noch nicht eingerechnet“, sagt Seemann. Bei der Aktion am Mittwoch zieht Einsatzleiter Franz Greven eine ernüchternde Bilanz: Von 113 Arbeitern sind 13 nicht ordnungsgemäß entlohnt worden – die Sünderquote liegt über dem üblichen Schnitt von zehn Prozent.

Dem nervösen Bauarbeiter war aber nicht deshalb heiß geworden. Er war auf dem Dach mit Teerarbeiten beschäftigt, als die Beamten anrückten, und jetzt, im Untergeschoss, fällt dem 51-Jährigen ein: „Wir haben die Gasflasche nicht ausgemacht.“ Der Mann aus Italien wird nach oben eskortiert, um den Flammstrahler vollends abzuschalten. Er entschuldigt sich: „Das ging alles halt schnell-schnell.“