Houssem Ben Abderrahman, Vorsitzender des Vereins der tunesischen Akademiker in Stuttgart, haben die Razzien am Dienstagmorgen kalt erwischt. Der Terrorverdacht richtet sich auch gegen zwei Vereinsmitglieder.

Auf so etwas ist man nicht vorbereitet“, sagt Houssem Ben Abderrahman. „Wir standen erst mal unter Schock.“ Den Softwarespezialisten und Vorsitzenden des Vereins der tunesischen Akademiker in Stuttgart e. V. hatte die Info am Dienstagmorgen über die groß angelegten Razzien kalt erwischt. Denn der Verdacht der Bundesanwaltschaft richtet sich auch gegen zwei Mitglieder des tunesischen Vereins, darunter ein ehemaliges Vorstandsmitglied. Dieses habe an der Uni Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik studiert und wolle in Belgien promovieren, das andere Vereinsmitglied studiere Maschinenbau. Die Verdächtigen sollen sich, wie berichtet, im Großraum Stuttgart und in Belgien Informationen und Material beschafft haben, um Sprengstoffanschläge mit Modellflugzeugen zu verüben.

 

„Wer soll so etwas machen?“, fragen sich Abderrahman und seine Vereinsfreunde. „Das sind doch alles aufgeklärte Leute.“ Wie viele der 56 Vereinsmitglieder seien auch die beiden nun unter Terrorverdacht stehenden Männer Stipendiaten der tunesischen Regierung. „Da zählt nur die Leistung, das waren die Besten ihrer Jahrgänge“, sagt Abderrahman. Direkt nach Bekanntwerden der Verdächtigungen hatte sich der Verein auf der Homepage klar von jeglicher Gewalt sowie Terror distanziert. „Wir wollen eine Brücke bauen zwischen den Kulturen“, sagt Abderrahman. Dabei werde der Verein von der Uni, aber auch vom Kulturamt unterstützt, etwa bei Fotoausstellungen im Rathaus oder bei Lesungen. „Wir haben nichts zu verbergen“, betont der Vorsitzende. Er hoffe, dass wegen des Vorfalls „nicht alle tunesischen Studenten der Luft- und Raumfahrttechnik unter Generalverdacht gestellt werden“.

„Religiös ja, aggressiv oder radikal nein“

Im Übrigen sei bisher niemand verhaftet worden. „Wenn der Verdacht sich erhärtet, werden wir ein Ausschlussverfahren in die Wege leiten“, kündigt Abderrahman an. „Wenn nichts bewiesen ist, sind sie unschuldig.“ Und: „Wir gehen davon aus, dass die Bundesanwaltschaft vernünftig mit unseren Steuergeldern umgeht.“ Von sich aus berichtet der Vereinsvorsitzende, dass die beiden Mitglieder nicht aufgefallen seien. „Wenn wir was bemerkt hätten, hätten wir die Behörden sofort informiert.“ Er räumt aber ein: „Man hat gemerkt, dass die Leute religiös sind.“ Und etwas konservativ. Aber das sei ja nicht verboten. „Religiös ja, aggressiv oder radikal nein“, betont er. „Man kann nicht in die Köpfe der Menschen reinschauen.“

1995 sei der Studentenverein in Stuttgart gegründet worden – „damals waren wir zehn, zwölf tunesische Studenten“. Nach der tunesischen Revolution 2011 seien es mehr geworden, „da hat man sein Herkunftsland stärker wahrgenommen“, sagt Abderrahman, der nach seinem Informatikstudium hier geblieben ist und eine Familie gegründet hat. „Wenn jemand sich in seiner eigenen Kultur wohlfühlt, ist er ein guter Kandidat für die Integration.“ Doch der Verein veranstalte auch Workshops zum wissenschaftlichen Programmieren, sagt er schmunzelnd. Wohl wissend, dass schon dies als Verdachtsmoment interpretiert werden könnte. „Mit Sorge“ beobachten er und seine Landsleute, dass in Tunesien die Salafisten öffentlich präsent seien.

Hierzulande sind die Ermittler noch dabei, das bei den Razzien beschlagnahmte Material zu sichten. Für die Durchsuchung, so Staatsanwältin Claudia Krauth, reiche ein einfacher Tatverdacht. Ein Haftbefehlsantrag habe „nie im Raum gestanden“.