Nach dem Datenskandal setzt die Baden-Württemberg-Stiftung auf ihrem Facebook-Kanal ein Zeichen: bis auf weiteres klärt sie dort über Datenschutz und angeblich „soziale Medien“ auf – die in Wahrheit gar nicht sozial seien.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Ausgerechnet eine Managerin von Facebook referiert bei einem großen Digitalkongress der Landesregierung über Verbraucherschutz – das hat man bei der Baden-Württemberg-Stiftung genau registriert. Die überparteiliche Stiftung, die jährlich mit Millionen Euro Wissenschaft, Bildung und Soziales im Südwesten fördert, geht nämlich einen ganz anderen Weg als das für den Auftritt zuständige Verbraucherministerium von Peter Hauk (CDU). Als Antwort auf den Datenskandal bei dem sozialen Netzwerk, zu dem sich Hauks Ressort von der Rednerin Aufklärung erhofft, geht sie demonstrativ auf Distanz zu dem US-Unternehmen: Seit Anfang April die Vorwürfe bekannt wurden, dass massenhaft Daten von Nutzern ohne deren Wissen verkauft wurden, führt sie eine Art Boykott gegen Facebook.

 

Seit 2012 hatte die Stiftung den Kommunikationskanal ganz selbstverständlich genutzt – um auf Ausschreibungen hinzuweisen, Teilnehmer ihrer Programme vorzustellen oder Videos zu teilen. All das ruht derzeit. Stattdessen werden nur noch Einträge zum Datenschutz gepostet, die sogar auf eine eigens eingerichtete Homepage (www.besserdatenschuetzen.com) verweisen. „Wir wollen unserer Vorbildfunktion gerecht werden und bis auf Weiteres ausschließlich wichtige Aspekte der Datensicherheit im Netz transportieren“, sagt Geschäftsführer Christoph Dahl. Die reguläre Kommunikation werde erst wieder aufgenommen, wenn Facebook seinen Verpflichtungen zur Datensicherheit nachkomme.

Soziale Medien als „große Verrücktheit“

Für Dahl ist der Datenskandal auch eine Chance, die Diskussion über Datenschutz und Netzsicherheit anzuregen. Dazu lässt die Stiftung zahlreiche Experten zu Wort kommen – etwa die Juristin und Internet-Kritikerin Yvonne Hofstetter. Werbeplattformen amerikanischer Konzerne als soziale Medien zu bezeichnen, sagte sie in einem Interview, sei „das größte Täuschungsmanöver seit der Umbenennung des US-Kriegsministeriums in Verteidigungsministerium im Jahr 1947“. Den Firmen gehe es um Umsatz und Gewinn – und nicht darum, Gutes für die Gesellschaft zu tun. Dass man Facebook & Co. „zum Dreh- und Angelpunkt unserer Meinungsfreiheit erkoren“ habe, gehöre „zu den größten Verrücktheiten des Jahrtausends“, findet die Expertin. Beim Nutzen der Netzwerke solle man daher genauer überlegen, „wie und warum wir eingefangen werden sollen“.

Solche Anstöße sind natürlich ganz im Sinne des Landesdatenschutzbeauftragten Stefan Brink. „Wir gestalten das digitale Zeitalter nicht, indem wir nur nachmachen und mitlaufen“, sagte er. Es gelte auch einmal auszuscheren, anzuhalten und über Rollen und Ziele nachzudenken. Dafür, so Brink, sei die Landesstiftung zu loben. Auch der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar bestätigte sie in ihrem kritischen Blick auf das Online-Netzwerk Facebook. „Netzwerke, deren Geschäftsmodell darauf hinausläuft, die Gesellschaft auseinanderzutreiben, sind nicht sozial.“ Der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar sieht durch die neuen Kanäle, bei denen sich falsche Nachrichten ungleich schneller verbreiteten als korrekte, gar die Demokratie gefährdet. „Deshalb“, betont er, „sind Initiativen wie das Engagement der Baden-Württemberg-Stiftung wichtig.“

Verbraucherministerium nicht informiert

Für den Stiftungsmanager Dahl zeigt das, „dass wir den Nerv getroffen haben“. Serviceorientiert und konstruktiv mit dem Datenschutz bei Facebook & Co. umzugehen, wie man das auch für die nächsten Wochen plane, komme gut an: Es gebe „eine unglaubliche Resonanz von Experten, Journalisten und aus der Öffentlichkeit“ auf die Aktion.

Nur das Verbraucherministerium hat davon noch nichts mitbekommen. „Die bisherige und aktuelle Nutzung von Facebook durch die Baden-Württemberg-Stiftung ist uns nicht bekannt“, sagt eine Sprecherin Hauks; daher könne man auch nichts dazu sagen. Dabei verfolgt das Ressort im Grunde die gleichen Ziele wie die Datenschützer und die Stiftung: Wer sich im Internet und in sozialen Medien bewegt, müsse „stets genau darauf achten, welche Daten er von sich preisgibt“.