Eine Umfrage mit kritischen Ergebnissen zur Verkehrspolitik in Baden-Württemberg hat heftige Reaktionen ausgelöst: Verkehrsminister Hermann gerät unter den Druck der Opposition – und wehrt sich energisch.

Stuttgart - „Von einer gescheiterten Verkehrspolitik kann nicht die Rede sein.“ Mit diesen Worten hat Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Donnerstag auf eine Allensbach-Umfrage reagiert, wonach viele Bürger im Land das Verkehrsnetz für sanierungsbedürftig halten. Die Verkehrsinfrastruktur sei bundesweit und im Land „über sehr lange Zeit vernachlässigt“ worden, sagte Hermann unserer Zeitung. „Dieser Rückstand lässt sich nicht in einigen Jahren aufholen. Straße, Schiene und Wasserwege sind in die Jahre gekommen und leiden unter dem wachsenden Verkehr“, so Hermann. Wenn man jahrzehntelang nicht saniere, gebe es auch jede Menge zu tun. In vielen Bereichen sei das Land nicht oder nicht allein zuständig, sondern auch Bund und die Kommunen: „Wenn zum Beispiel in einem Wohngebiet die Straße schlecht ist, muss sich die Gemeinde darum kümmern und nicht der Verkehrsminister.“

 

Das Land habe die jährlichen Mittel für die Sanierung und den Erhalt der Straßen und Brücken erheblich gesteigert von 65,6 Millionen Euro im Jahr 2010 auf 183,1 Millionen Euro im Jahr 2019. „Ich persönlich habe darauf gedrängt, dass der Bund seine Ausgaben für den Erhalt erheblich erhöht, was er auch getan hat.“

Das Schienennetz sei in weiten Bereichen Sache des Bundes, so Hermann. Schienen und Weichen seien vielfach „marode und sanierungsbedürftig“. „Hier muss der Bund in den nächsten zehn bis 20 Jahren in erheblichem Umfang investieren, damit der Bahnverkehr gut funktioniert und so ausgebaut werden kann, wie es der Klimaschutz erfordert.“ Das Land habe den Schienenpersonennahverkehr erheblich ausgeweitet mit neuen, modernen Zügen, besseren Takten und attraktiven Tarifen. So ermögliche der BW-Tarif ein preiswertes Fahren mit einem Ticket über die Grenzen von Verkehrsverbünden hinweg. In der Metropolregion Stuttgart sei durch die auch vom Land finanzierte Tarifzonenreform das Fahren mit dem ÖPNV um 25 Prozent billiger geworden.

CDU: Brauchen leistungsfähige Straßen

In den Parteien im Land kam das Echo auf die Umfrage allerdings schon am Vormittag, und es viel ganz unterschiedlich aus. „Wir fühlen uns in unserer Verkehrspolitik bestätigt“, sagte Thomas Dörflinger von der CDU-Landtagsfraktion. „Es gibt nicht die eine Lösung, den einen Verkehrsträger.“ Was in Ballungsräumen wie Stuttgart oder Karlsruhe funktioniere, sei nicht unbedingt eine Lösung für Oberschwaben und den Hochschwarzwald. Für die große Mehrheit sei das Auto „das Verkehrsmittel der Wahl“. Man brauche den „kraftvollen“ Ausbau des ÖPNV und gleichzeitig weiterhin neue Ortsumfahrungen und leistungsfähige Straßen.

SPD: Verbote bringen nichts

Kritisch fiel die Bewertung vom SPD-Landtagsfraktionschef Andreas Stoch aus: „Der aktuelle BaWü-Check zur Verkehrspolitik sendet ein klares Zeichen: Auch nach zehn Jahren ist es einem grünen Verkehrsminister nicht gelungen, andere Mobilitätsformen in Baden-Württemberg so zu gestalten, dass sie für die Menschen eine wirkliche Alternative zum Auto darstellen.“

Die Landes-SPD fordere deshalb ein 365 -Euro-Jahresticket. Laut Stoch sei es besser, statt mit Verboten mit Anreizen für andere Mobilitätsformen zu werben, und dabei die unterschiedlichen Bedürfnisse in Stadt und Land im Blick behalten: „Der öffentliche Nahverkehr in Baden-Württemberg ist zu teuer, zu unpünktlich, und bietet für zu viele Menschen im Land nur eine schlechte oder gar keine Anbindung. Das hat die Landesregierung zu lange einfach ignoriert.“

AfD: Radschnellwege sind Unsinn

Laut Hans Peter Stauch, dem Fraktionssprecher der AfD, seien die Ergebnisse der Umfrage nicht überraschend: „Sie zeigen klar, dass die von der grün-schwarzen Landesregierung angestrebte Abschaffung des motorisierten Individualverkehrs bei den Bürgern auf wenig Gegenliebe stößt.“ Wenn fast zwei Drittel mehr Investitionen fordern und nahezu die Hälfte den Zustand der Straßen als Hauptproblem ansehen, dann sei klar zu erkennen, „dass die verkehrspolitische Richtung von Minister Herrmann fehlgeht“. Die AfD habe ein eigenes Verkehrskonzept vorgestellt, zu dem auch die Erweiterung von Straßen und Brücken, ein Neubau von Autobahnen und ein Plan für die Entlastung des Straßengüterverkehrs gehöre. Stauch: „Unsinnige Radschnellwege lehnen wir ab.“

FDP: Minister Hermann ist gescheitert

Für Jochen Haußmann, den verkehrspolitischen Sprecher der FDP-Fraktion, zeigt die Umfrage eindeutig, dass die Menschen im Land sowohl „individuelle Mobilität als auch einen attraktiven ÖPNV“ wollten. Aber Hermanns Wirken sei „von Anfang an“ gegen die individuelle Mobilität gerichtet gewesen.

Vor allem die Menschen im Ländlichen Raum brauchten aus Sicht der Liberalen die Kombination der Verkehrsträger. Das gehe nur, wenn man auch innovative technologische Ansätze in den Blick nehme, anstatt „auf Verbote und Bevormundung“ zu setzen. „Verkehrsminister Hermann ist mit seiner Politik der Verbote und Erziehungsversuche auf ganzer Linie gescheitert“, so Jochen Haußmann. Es sei jetzt Zeit „für einen Wechsel in der Verkehrspolitik“.

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