Innenminister Strobl sieht Baden-Württemberg als Vorbild für die Einigung im Bund. Er kann sich aber noch mehr vorstellen. Asylbewerber, die bei der Klärung ihrer Identität nicht genug mitwirken und täuschen, sollten sofort in den Rückführungsprozess kommen.

Berlin - Die Einigung von Bund und Ländern auf Regelungen zur schnelleren Abschiebung abgelehnter Asylbewerber trifft vor allem in Baden-Württemberg auf Zustimmung. „Das ist ein weiterer Schritt für mehr Sicherheit in Deutschland“, sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU) dieser Zeitung. Er hatte sich Ende vergangenen Jahres mit weitgehenden Plänen zu einer härteren Rückführungspolitik bundesweit Gehör verschafft: „Einen Teil meiner Vorschläge, die ich Ende November zum Thema Abschiebungen vorgelegt habe, sehe ich nun mit der Einigung zwischen der Kanzlerin und den Ministerpräsidenten von einer breiten Basis in Deutschland getragen.“ Nun sei, so Strobl weiter, „klargestellt, dass gehen muss, wer unseren Schutz nicht braucht – und wer nicht freiwillig geht, zurückgeführt wird“.

 

Anpassungsbedarf im Südwesten sieht der Innenminister nach der Verständigung in Berlin nicht, da Abschiebungen in Baden-Württemberg bereits zentral vom Regierungspräsidium Karlsruhe organisiert werden. Tatsächlich heißt es im Beschluss vom Vorabend: „Die Verantwortung für alle wesentlichen mit Rückkehrfragen zusammenhängenden Aufgaben ist beziehungsweise wird in den Ländern auf eine oder mehrere zentrale Stellen konzentriert.“ Strobl sieht das Land deshalb als Vorreiter: „Das ist ein sehr gutes Modell!“

Schleppende Reduzierung von Erstaufnahmen

Allerdings ist auch der Südwesten noch nicht so weit, wenn es darum geht, dass Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive „nicht dezentral in Kommunen untergebracht werden“ und „nach Eintritt der Ausreisepflicht möglichst aus der Erstaufnahmeeinrichtung zurückgeführt werden“, wie es weiter heißt. Zudem kommt auch die geplante Reduzierung der Zahl von Erstaufnahmeeinrichtungen von einem Dutzend auf künftig vier eher schleppend voran.

Die Erwägung des Bundes, „eine ergänzende Vollzugszuständigkeit bei der Aufenthaltsbeendigung“ in Form von „Bundesausreisezentren“ zu beanspruchen, stößt in Baden-Württemberg nicht auf Kritik. Obwohl sich die Landesregierung erst kürzlich etwa in Bildungsfragen heftig gegen eine Kompetenzübertragung gewehrt hat, kann man sich sogar noch mehr vorstellen. „Ich bin ein überzeugter Föderalist, aber gerade mit Blick auf die Länder, in denen es nicht so gut funktioniert wie bei uns im Südwesten, muss ich sagen, der Bund könnte die Rückführungen auch ganz übernehmen“, sagte Strobl am Freitag im Gespräch mit dieser Zeitung in Berlin: „Wenn der Bund das möchte, gibt es in den Ländern jedenfalls eine Bereitschaft, ihm diese Kompetenz zu geben.“

In einem Punkt jedoch kritisiert auch der sonst so zufriedene Strobl die Einigung unter den Ministerpräsidenten und der Kanzlerin. „Bei der Sanktionierung von Asylbewerbern, die bei der Klärung ihrer Identität nicht genug mitwirken, hätte ich mir mehr vorstellen können: Wer uns wie der Attentäter Amri massiv und mehrfach täuscht, sollte aus dem Asylverfahren ausgeschlossen und sofort in den Rückführungsprozess kommen.“ Der Beschluss vom Donnerstagabend sieht im Gegensatz dazu lediglich vor, solchen Täuschungen durch die Auswertung von Handydaten auf die Schliche zu kommen beziehungsweise den entsprechenden Personen verschärfte Meldeauflagen zu machen.

Thüringens Ministerpräsident Ramelow legt sich quer

Eine sehr viel grundsätzlichere Kritik am neuen „Abschiebepakt“ von Bund und Ländern formulierte am Freitag Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linkspartei. Er hatte nicht selbst an den Beratungen im Kanzleramt teilgenommen, aber dem Beschluss eine Protokollnotiz anfügen lassen, die darauf verweist, dass die Einigung nicht automatisch eine Zustimmung zu den konkreten Gesetzentwürfen später im Bundesrat bedeutet. „Wir sind nicht bereit, Wahlkampfmanöver der großen Koalition mitzumachen“, sagte Ramelow der „Berliner Zeitung“: „Die Bundesregierung muss ihre Hausaufgaben alleine erledigen. Diese Art von Schaufensterpolitik mache ich nicht mit.“

In der Protokollnotiz, die Ramelow auch auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte, heißt es unter anderem: Viele der beschlossenen, „vor allem repressiven Maßnahmen sind grundsätzlich wenig geeignet, die Zahl der Rückkehrerinnen und Rückkehrer tatsächlich zu erhöhen“. Thüringen äußert zudem Bedenken gegen eine mögliche erneute Änderung des Aufenthaltsgesetzes oder neue Koordinierungseinrichtungen.

Gefordert wird eine Regelung für Ausländer, die seit Jahren in Deutschland leben und integriert sind. „Integrierte Einzelpersonen und Familien in ihre Herkunftsländer zurückzuführen, ist in hohem Maße inhuman, birgt das Risiko sozialer Spannungen“, heißt es zur geforderten Altfallregelung. Kritik an Ramelows Haltung kam von der AfD und der Jungen Union, die wegen Ramelows bevorzugtem Termin zur Bahn-Tarifschlichtung von einer „Arbeitsverweigerung“ sprach.