Der Vatikan hat ein vom Papst abgesegnetes Papier versandt, das für viele Katholiken wie eine Rolle rückwärts daherkommt. Darin wird das Engagement von Ehrenamtlichen klar in seine Schranken gewiesen. Wie kommt das an bei jenen, die sich seit Jahren engagieren?

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Plieningen - Ein 36-seitiges Papier aus dem Vatikan hat vor Kurzem viele Katholiken erschüttert. Die Kleruskongregation in Rom hat darin unter anderem dargelegt, wer in den Kirchengemeinden was darf. Abgesegnet wurde das Papier von Papst Franziskus. Kurz gesagt: Laien, die in der Praxis wegen des Priestermangels oft einspringen und teils Leitungsteams angehören, werden überraschend deutlich in ihre Schranken gewiesen. Peter Hitzelberger aus Plieningen erzählt, wie das bei seiner Gemeinde in Sankt Antonius ankommt, wo der Alltag längst auch auf Laien aufgebaut ist. Der 65-Jährige war früher selbst Priester und arbeitet heute im Pastoralausschuss mit.

 

Herr Hitzelberger, in Ihrer Gemeinde gibt es große Offenheit für den Einsatz von Leuten, die nicht Pfarrer sind. War das Vatikan-Papier ein Schock?

Wir hatten noch gar nicht richtig Gelegenheit, das zu diskutieren. Insofern kann ich jetzt noch gar nicht sagen, was es für uns bedeutet. Ich selbst habe das ganze Thema auch erst durch ein Schreiben vom Rottenburger Bischof richtig zur Kenntnis genommen.

Was hat der Bischof denn geschrieben?

Der Bischof hat klar benannt, dass er an der bisherigen Praxis und Erfahrung nichts ändern will, weil sie positiv sind.

Für viele in der Katholischen Kirche, die eher fortschrittlich denken, kommt das Papst-Papier wie eine Rolle rückwärts daher. Haben Sie die Sorge, dass sich nun noch mehr Leute abwenden?

Ich glaube nicht, dass das einen großen Einfluss haben wird. Denn es ist letztlich nur ein Baustein in einer Vielzahl von Entwicklungen.

Ihre Gemeinde musste ja in den vergangenen Jahren immer wieder ohne Pfarrer auskommen. Könnte sich die Kirchengemeinde überhaupt ein System leisten, das so starr auf einen Pfarrer ausgerichtet ist?

Da sprechen Sie etwas ganz Entscheidendes an. Ich habe das Dokument der Kleruskongregation inzwischen gelesen, und ich muss sagen: Die Kleruskongregation hebt stark darauf ab, dass man jetzt nicht mit anderen Strukturen die Nähe der Pfarrei in der Gemeinde schwächt. Die Leute leben ja in einem Kontext zusammen, man kennt sich, man will zusammen den Glauben leben, das soll aufrechterhalten werden. Das tun wir bereits. Die Fixierung auf den Pfarrer ist im Kirchenrecht verankert, da sagt das Dokument nichts Neues, kann es auch gar nicht, denn das Kirchenrecht zu verändern, wäre die Aufgabe von anderen Stellen. Nur ist diese Fixierung für uns in der Gemeinde so eine Sache. Wir haben häufige Wechsel gehabt in den letzten Jahren, dazwischen waren lange Phasen der Vakanz. Von daher sind die Pfarrer als Bezugspersonen für uns nicht so prägend gewesen, wie sich dies das Dokument vielleicht vorstellt.

Sie gehen also davon aus, dass es in Ihrer Gemeinde weitergeht wie bisher – trotz des Vatikan-Papiers?

Von denen, die bisher schon in der Gemeinde aktiv sind, würde ich sagen: Wir machen an der Stelle weiter, an der wir stehen. Wir werden weiter unsere Gemeinde mitverantworten. Wir bekommen viel positives Feedback auf unsere Wortgottesdienste hin. Die Leute sind dankbar, wenn Menschen zu ihnen sprechen, die aus der Gemeinde stammen. Das Dokument der Kleruskongregation lehnt Begriffe wie Leitungsteam oder so ab, aber bei uns ist dieser Sprachgebrauch im Gange. Ich sehe nicht, dass die Kleruskongregation den Gebrauch dieser Wortwahl mit ihrem Schreiben verhindern kann. Ich denke, es wird auf die Praxis ankommen: Gibt es einen Pfarrer, der sagt: Ich bin der Pfarrer, ich entscheide, dann hat er alle Berechtigungen seitens des Kirchenrechts. Praktiziert er es anders, wird das Schreiben das nicht verhindern. Für mich ist der eigentliche Gemeindeleiter der auferstandene Jesus Christus. Und wenn sich alle, sowohl die Mitglieder einer Gemeinde als auch das Leitungsteam einschließlich dem Pfarrer, daran orientieren, dann stellen sich diese Fragen gar nicht.

Sie waren früher katholischer Priester, haben sich dann aber für ein Leben mit Ihrer heutigen Frau entschieden. Wären Sie gerne Priester geblieben, wenn dies eine liberalere Katholische Kirche zugelassen hätte?

Wenn es die Möglichkeit gegeben hätte, dann hätte ich diesen Beruf gerne behalten. Auf der anderen Seite: In meiner beruflichen Aufgabe, die ich ergriffen habe, habe ich einen wunderbaren Arbeitsplatz gefunden. Ich kann mich also nicht beschweren. Und ich arbeite ehrenamtlich in der Gemeinde mit. Ich vermisse nichts.