Nach einer emotionalen Debatte hat sich die CDU auf ihrem Parteitag zu einer Frauenquote durchgerungen. Manche hätten sich eine Ablehnung gewünscht, nicht zuletzt im Südwesten.
Am Morgen des zweiten Tages steckt dem CDU-Parteitag einiges in den Knochen. Nicht nur die Party auf dem „Niedersachsenabend“, sondern auch eine emotionale Debatte, wie sie die Partei schon lange nicht mehr erlebt hat. Nach fast zwei Stunden leidenschaftlicher, aber fairer Wortgefechte hatten die Delegierten etwas beschlossen, was in der CDU lange unvorstellbar gewesen wäre: Eine verpflichtende Frauenquote für Parteiämter ab der Kreisebene und für Wahllisten.
Herzensangelegenheit für manche, Reizthema besonders für konservative Teile der Partei wie die Junge Union oder die Mittelstandsunion – doch gegen 21 Uhr am Freitagabend stand fest: Bis 2025 müssen Frauen in Parteipositionen stufenweise immer mehr vertreten sein, am Ende zu 50 Prozent. Obwohl Parteichef Friedrich Merz als Kompromiss durchgesetzt hatte, dass die Regel nur bis 2029 gelten soll, war die Entscheidung dem Parteitag nicht leichtgefallen.
Erleichterung bei der Frauenunion
Unter den Delegierten aus Baden-Württemberg ist die Stimmung am Morgen danach gemischt. Kurz vor Beginn der zweiten Parteitagshälfte kommt eine sichtlich zufriedene Annette Widmann-Mauz in der Messehalle in Hannover an. Die Tübinger Bundestagsabgeordnete hat als Vorsitzende der Frauenunion lang auf eine so strukturelle Veränderung hingearbeitet. Nun lobt sie die „lebhafte und emotionale Debatte“.
Mehr als dreißig Delegierte hatten sich zu Wort gemeldet, um die Parteiversammlung zu überzeugen. Darunter eine ganze Reihe junger CDU-Politikerinnen, die mit einem Ziel ans Rednerpult getreten waren: Den versammelten Delegierten klarzumachen, dass sie ohne Quote in ihre Position gekommen sind und sie entschieden ablehnen. Eine von ihnen erklärte, sie fühle sich von der Quote „stigmatisiert“, eine Parteikollegin sah angesichts von 26 Prozent weiblicher Mitglieder die „innerparteiliche Demokratie“ in Gefahr.
Entscheidung zur Quote lange ungewiss
Stürmischer Applaus auf beiden Seiten, der Ausgang lange ungewiss - denn auch die Quotenbefürworter boten die eigenen Lebensgeschichten auf. Wie NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, der von seiner Mutter und den wenigen Chancen erzählte, die sie in ihrem Leben bekommen habe: „Glauben wir ernsthaft, dass unsere Mütter dümmer waren?“ Am Ende rangen die Befürworter dem Plenum eine Entscheidung mit 559 zu 409 Stimmen ab – auch kraft der Autorität von Wüst, seinem schleswig-holsteinischen Kollegen Daniel Günther, der Ex-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer und schlussendlich Friedrich Merz selbst, die sie für den Kompromissvorschlag des Bundesvorstands in die Waagschale warfen.
Der Entschluss für die zeitlich befristete Quote sei eine „befreiende Entscheidung“ gewesen, meint Widmann-Mauz am Tag danach. Nun gehe es um die Umsetzung und eine neue Arbeitsweise: „Wir müssen mehr zuhören, was Frauen, aber zum Beispiel auch Familienväter von politischem Engagement abhält.“ Denn die Frauenquote stand nicht isoliert zur Abstimmung, flankiert wurde sie von politischer Elternzeit und hybriden Parteisitzungen mit festen Zeitbegrenzungen. Dass dies die Parteiarbeit familienfreundlicher machen könnte, ist selbst unter den Gegnern einer Quote unumstritten. Am Freitagabend standen die Anträge jedoch direkt nach der Frauenquote auf der Tagesordnung. Als die Anspannung in der Messehalle nach der Quotenentscheidung abfiel und die Delegierten schon zu den Getränkeständen strömten, gingen sie in der Aufmerksamkeit beinahe unter.
Familienfreundlichkeit entscheidender
Dabei hält Steffen Bilger, stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Bundestag und Bezirkschef in Nordwürttemberg, sie für viel entscheidender beim Bemühen der CDU, weiblicher zu werden. Gerade die Möglichkeit, an Parteisitzungen von zuhause aus teilnehmen zu können. „Corona hat hier schon viel geändert, das ist für die Familienfreundlichkeit ein richtiger Sprung“, ist sich Bilger im Gespräch am nächsten Tag sicher.
Den Eindruck einer fundamental gespaltenen Partei will am Samstag niemand erwecken. Bilger betont: „Die Debatte war sehr respektvoll. Alle sind sich in dem Bemühen einig, nachhaltig etwas für eine bessere Beteiligung von Frauen zu tun.“ Und jene, die der Freitagabend dennoch enttäuscht zurückgelassen hat? Widmann-Mauz: „Ich wünsche mir, dass wir die Entscheidung nun annehmen und nicht damit hadern.“ Das habe bei umstrittenen Personalentscheidungen auch schon funktioniert.
„Quoten passen nicht wirklich zur CDU“
Steffen Bilger gilt nicht als Quotenfan, das macht er auch am Samstag noch einmal deutlich: „Quoten passen nicht wirklich zur CDU, aber jetzt ist es entschieden und wir setzen es um.“ Allerdings: Revolutionäre Umstrukturierungen sind nun trotzdem nicht zu erwarten. „In Verbänden mit schon jetzt hohen Frauenanteilen in den Gremien wird sich dadurch wenig ändern“, merkt Bilger an. Das gilt nicht nur für Nordwürttemberg, sondern auch für Niedersachsen. Dort ist die Liste für die Landtagswahl im Oktober sogar weitgehend paritätisch besetzt.
Auch der baden-württembergische CDU-Chef und Innenminister Thomas Strobl lobt die Debatte, die „fair und leidenschaftlich“ geführt worden sei. Das Ergebnis sei am Ende deutlich gewesen, mehr als „in Ordnung“ will er es aber nicht nennen. Zufrieden sei man erst, wenn sich auch in der Partei etwas verändere. In Baden-Württemberg sei die CDU bereits dabei, mehr um junge Menschen und Frauen zu werben. „Die Quote kann dabei noch einmal einen Push geben, eine stärkere Fokussierung in der Breite der Partei“, sagt Strobl. Konkreter wird es wenige Stunden nach der Entscheidung noch nicht – ob und wie die Partei die Quote werbewirksam einsetzen kann, wird sich erst noch zeigen müssen. Immerhin waren es gerade junge Frauen, die auf dem Parteitag gegen sie das Wort ergriffen haben.