Wie Kanzlerin Angela Merkel und Schwarz-Gelb ihr Urteil zu Stefan Mappus' EnBW-Deal von vor einem Jahr im Nachhinein sehen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Stefan Mappus konnte sich gleich doppelt sicher sein. Nicht nur in der Sache, wusste der Ministerpräsident, würde ihm die CDU beim EnBW-Deal folgen müssen. Auch der Zeitpunkt des Überraschungscoups, gut drei Monate vor der Landtagswahl, erlaubte keine interne Kritik. Niemand würde es wagen, den Spitzenkandidaten dadurch zu beschädigen. Tatsächlich mussten ihm Parteifreunde aller Ebenen beispringen - mal mehr, mal weniger überzeugt. Entsprechend schwer tun sie sich heute, ihren Kurs zu korrigieren.

 

Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte das Milliardengeschäft damals ausdrücklich gelobt. Auf StZ-Anfrage ließ sie ihren Regierungssprecher Steffen Seibert ausrichten, Mappus habe "nach Ansicht der Bundesregierung überzeugend dargelegt, warum der Ankauf der Aktien für das Land sinnvoll und von Vorteil ist".

Der Stuttgarter Regierungschef habe die Kanzlerin persönlich informiert, "kurz bevor er an die Öffentlichkeit gegangen ist". Mappus hatte sich zudem indirekt auf Merkel bezogen, als er prophezeite, die "schwäbische Hausfrau" werde von dem Geschäft begeistert sein. Auf welcher Grundlage hat sich die Bundesregierung damals ihr Urteil gebildet? Gilt es auch heute noch?

Erste Kritik kam von den Jungliberalen

Man habe schon seinerzeit darauf hingewiesen, dass es sich "um eine innere Angelegenheit des Landes Baden-Württemberg" handele, betont eine Regierungssprecherin; die "damaligen Darlegungen" von Mappus seien überzeugend gewesen. Im Übrigen gebe man aber "zur Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung (...) keine Auskunft".

Noch schwerer tut sich der damalige Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) mit der Frage, ob "die Bundesregierung" damals auch für ihn sprach; bei Opel hatte er sich schließlich gerade als Vorkämpfer gegen zu viel Staat in der Wirtschaft profiliert. Erst auf die dritte Nachfrage der StZ ließ der heutige FDP-Fraktionschef ausrichten, dass man dazu keinen Kommentar abgebe. Fakt ist wohl: Brüderle wurde damals nicht gefragt - und war darüber nicht einmal böse. Schließlich hätte er seinen Stuttgarter Parteifreunden, die den EnBW-Rückkauf als einmalige "Gelegenheit" bejubelten, nicht in den Rücken fallen können.

Als zunächst einzige politische Kraft im Südwesten geißelten die Jungliberalen den "ordnungspolitischen Sündenfall". Ohne jede Not werde die EnBW verstaatlicht: da hätten die FDP-Minister Pfister und Goll gerne "den Brüderle geben dürfen", mahnten sie. Heute gilt in der FDP die Linie des Fraktionschefs Hans-Ulrich Rülke, nach Fukushima hätte man die Aktien natürlich nicht mehr gekauft - aber wer habe schon den Super-GAU vorhersehen können?

 "Wir alle haben Schuld auf uns geladen"

Auch in der Landtags-CDU gab es einige Abgeordnete, denen der EnBW-Deal überhaupt nicht behagte. "Wahnsinn" sei es, welche Risiken Mappus dem Land da aufbürde, meinte ein wirtschaftlich kundiger Parlamentarier. Einem Kollegen war schon damals ganz mulmig, "in welcher Eile über welche Beträge" verfügt wurde. Intern hielten beide wie andere Kritiker den Mund, nach außen verteidigten sie Mappus' Coup. Begründung: Im Wahlkampf gehe das eben nicht anders. "Wir alle haben Schuld auf uns geladen, ich auch", sagt einer von ihnen heute - bisher freilich nur unter vier Augen.

Insgesamt konnte sich die CDU nur dazu durchringen, das Vorgehen bei dem Geschäft zu rügen; nach dem klaren Urteil des Staatsgerichtshofs hatte sie dazu auch keine andere Wahl. Der Kauf an sich sei richtig gewesen, lautet bis heute die Linie; mit Fukushima habe man ja nicht rechnen können. Nur die Parteijugend sieht das - wie der FDP-Nachwuchs - deutlich anders: Mappus habe dem Land mit dem Atomkonzern ein Restrisiko aufgebürdet, das leider eingetreten sei. Nun hinterlasse er ihm eine "schwere Hypothek".