Die Entscheidung von Bosch keine Batteriezellenfabrik zu bauen und sich aus der Zellenforschung weitgehend zurückzuziehen, betrifft 150 Beschäftigte. In Politik und Wissenschaft wird Kritik, aber auch Verständnis für die Entscheidung geäußert.

Stuttgart - Das Nein von Bosch für eine eigene Batteriezellenfabrik führt zu personellen Konsequenzen. Der Technologiekonzern wird wie angekündigt die Pilotfertigung für Zellen, die in Stuttgart-Feuerbach angesiedelt ist, schließen. Einschließlich der Forscher, die sich mit den Themen rund um die Zellenproduktion beschäftigen, sind von der Entscheidung 150Mitarbeiter betroffen. Die Betroffenen sind bereits darüber informiert worden, bestätigte ein Bosch-Sprecher. „Das sind hochqualifizierte Mitarbeiter“, fügte er hinzu. Es handele sich dabei um Ingenieure, Forscher und Chemiker. Er ist zuversichtlich, dass allen eine alternative Stelle innerhalb des Konzerns angeboten werden könne, vielleicht sogar am Standort selbst. Denn Feuerbach ist der Sitz der Bosch Battery Systems GmbH, die unter anderem für die effiziente Anordnung der Zellen zu einem Batteriesystem zuständig ist. Dieser Bereich wird erhalten bleiben.

 

Rolf Bulander, der in der Bosch-Geschäftsführung für den Bereich Mobility Solutions zuständig ist, sprach von einer „mittleren dreistelligen Zahl von Mitarbeitern“, die im Bereich Batteriesysteme tätig sei. Darüber hinaus soll das „in den vergangenen Jahren aufgebaute, umfangreiche Know-how im Bereich der Batteriezellen“ in einem Center of Competence weiterentwickelt werden, so Bulander. Auch bei der IG Metall geht man davon aus, dass viele Betroffene eine alternative Stelle im Konzern finden werden. Details sollen in Interessenausgleichsverhandlungen vereinbart werden. Bosch hat am Mittwoch mitgeteilt, von einer eigenen Zellenfabrik Abstand zu nehmen. Zwar habe der Konzern technologisch große Fortschritte gemacht, aber das mit dem Bau einer Fabrik verbundene Risiko wertete die Geschäftsführung als zu hoch.

Die Entscheidung ist nachvollziehbar

„Die Entscheidung von Bosch, keine eigene Batteriezellenproduktion anzustreben und auch nicht hierin zu investieren, ist mit Blick auf die unternehmerische Risikoabwägung nachvollziehbar“, urteilt die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut. „Dennoch ist es für die zukünftige automobile Wertschöpfungskette in Deutschland und in Europa mittelfristig systemrelevant, dass hier Batteriezellen produziert werden“, sagte sie. Sie hält „staatliche Initiativen auf nationaler und europäischer Ebene“ für erforderlich. Berlin und Brüssel seien „jetzt verstärkt gefordert“, so Hoffmeister-Kraut. „Wir respektieren die Entscheidung von Bosch. Sie ist keine Überraschung für uns, wir wussten, dass Bosch zögerlich war“, sagt eine Kommissionssprecherin in Brüssel. Andere Unternehmen hätten Interesse bekundet, eine Batteriefabrik zu bauen; Namen nannte sie nicht. Bosch bleibt ihrer Ansicht nach ein wichtiger Partner in der Batterieallianz. Auch Franz Loogen, Geschäftsführer der Landesagentur e-mobil Baden-Württemberg, zeigte Verständnis: „Ein einzelnes Unternehmen muss für sich betriebswirtschaftlich entscheiden, ob der Einstieg in eine neue Technologie sinnvoll ist“. Das Bundeswirtschaftsministerium sieht die Entscheidung dagegen kritisch. Staatssekretär Matthias Machnig (SPD) sprach von einem „industriepolitischen Rückschlag“.

Werner Tillmetz, Vorstandsmitglied am Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoff-Forschung (ZSW), verwies auf die drohende Abhängigkeit der Autoindustrie von asiatischen Zellenlieferanten. Diese hätten sich zunächst mit günstigen Preisen für Zellen eine Marktposition aufgebaut. In den letzten Monaten hätten die Preise jedoch um geschätzt 20 Prozent angezogen, so Tillmetz. Als Gründe würden sowohl die steigende Nachfrage als auch die höheren Rohstoffpreise angeführt. „Die Asiaten wollen nicht nur Zellen verkaufen, sondern die eigene Wertschöpfung erhöhen“, befürchtet Tillmetz. Die Gefahr bestehe, dass sie künftig nur noch ganze Batteriesysteme verkaufen wollten.

Ein Zukauf aus Asien deckt die Kapazitäten nicht

Ein reiner Zukauf der Zellen aus Asien werde die benötigten Kapazitäten nicht decken können, sagt Helmut Ehrenberg, Leiter des Institut für Angewandte Materialien-Energiespeichersysteme beim KIT (Karlsruher Institut für Technologie). Er glaubt, wenn nicht Bosch die Batteriefertigung baut, „wird ein anderes Konsortium tätig werden müssen“. Wolfgang Bernhart, Partner der Unternehmensberatung Roland Berger, bleibt dagegen gelassen. Die deutsche Wirtschaft sei in vielen anderen Bereichen von ausländischen Lieferanten abhängig, sagte er. Als Beispiele nannte er elektronische Bauteile oder Bildschirme. Wichtig sei, dass sich Zellenfabriken in Europa ansiedeln, so Bernhart. Ob sie einen deutschen oder asiatischen Eigentümer hätten, hält er für zweitrangig. Die Konzerne Samsung und LG Chem haben angekündigt, in Polen und Ungarn Fabriken zu bauen. Bernhart hält es für wichtiger, dass hiesige Unternehmen in Softwareentwicklung oder in künstliche Intelligenz investierten. Wilhelm Bauer teilt die Sichtweise. „Ich kann nachvollziehen, dass sich Bosch zu diesem Zeitpunkt gegen ein Engagement in der Batteriezellfertigung entscheidet. Die Herausforderungen für einen Technologiekonzern wie Bosch im Mobilitätsbereich sind vielfältig. Themen wie Mobilitätsplattformen, Künstliche Intelligenz und Autonomes Fahren sowie die Entwicklung datenbasierter Geschäftsmodelle sind derzeit hart umkämpft und es ist deshalb gut nachvollziehbar sich auf solche Innovationsfelder zu konzentrieren,“ sagte der Technologiebeauftragte von Baden-Württemberg, der zudem das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation leitet.