Das Charlottenhaus steigt aus der Geburtshilfe aus. Die übrigen Stuttgarter Geburtskliniken rechnen deshalb mit einem noch höheren Andrang – und überprüfen, wie man kurzfristig die Kapazität erhöhen könnte.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Die hiesigen Geburtskliniken stehen vor einer Herausforderung. Das Charlottenhaus steigt zum Jahresende aus der Geburtshilfe aus, rund 1000 Geburten zusätzlich sind zu stemmen. Krankenhausbürgermeister Michael Föll (CDU) hat bereits angekündigt, mit den Stuttgarter Geburtskliniken das Gespräch zu suchen.

 

„1000 Geburten plus – das ist für alle problematisch, alle haben räumlich und personell beschränkte Kapazitäten“, sagt der Ärztliche Direktor der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Marienhospital, Manfred Hofmann. Seine Klinik werde dieses Jahr etwas mehr Entbindungen in den drei Kreißsälen haben als 2017 (1350 Geburten), „damit sind wir gut bedient.“ Hofmann geht davon aus, dass es 2019 voller werden wird. Und er fürchtet, dass man im eigenen Haus bei einem Plus von vielleicht 200 Entbindungen Vätern nicht mehr das Privileg anbieten könne, die erste Nacht umsonst bei Frau und Kind zu bleiben. Das Alleinstellungsmerkmal könnte also wegfallen.

3500 Babys werden wohl dieses Jahr in der Frauenklinik geboren

Auch beim Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK, drei Kreißsäle, 1918 Geburten 2017) und bei der städtischen Frauenklinik (fünf Kreißsäle, 3242 Geburten 2017) rechnet man mit einem größeren Andrang. Bei der Frauenklinik wird derzeit geprüft, inwiefern auch kurzfristig die Kapazitäten aufgestockt werden können – was Ärztinnen und Ärzte, Hebammen und Kreißsaalkapazitäten angeht. Die Besetzung der Hebammen biete „derzeit keinen Raum für deutliche Steigerungen der Entbindungen“, berichtet der Geschäftsführende Ärztliche Direktor des Klinikums, Jan Steffen Jürgensen. In diesem Jahr würden wohl knapp 3500 Babys in der Frauenklinik geboren. „Eine Erweiterung unserer Teams ist aber grundsätzlich möglich“, sagt er. Das Problem: Die räumlichen Kapazitäten seien weitgehend ausgeschöpft, „sodass wir auch hier Erweiterungsoptionen prüfen müssen“. Die Charlottenklinik habe man nicht als Konkurrenten betrachtet, sondern als einen Anbieter, der eine wichtige Rolle in der Sicherstellung der geburtshilflichen Versorgung in der Region gespielt habe, betont Jürgensen. Die Geburtshilfe sei eine gesellschaftliche Aufgabe – aber leider auch eine, mit der man kaum schwarze Zahlen schreiben könne.

Stuttgarterinnen machen ein Viertel der Entbindenden aus

„Die Geburtshilfe ist nicht auskömmlich finanziert“ – der Ärztliche Geschäftsführer des Robert-Bosch-Krankenhauses, Mark Dominik Alscher, und der Leiter der Geburtshilfe in der Filderklinik, Hauke Schütt, benutzen unabhängig voneinander exakt die gleiche Wortwahl. Für eine normale Geburt erhalte man 1850 Euro, so Schütt. Wenn man die Versorgung des Kindes einrechne, 2300 bis 2400 Euro, angemessen seien 6000 Euro. Auch die Filderklinik (vier Kreißsäle) rechnet mit mehr Nachfrage aus Stuttgart. Schon jetzt machten Stuttgarterinnen ein Viertel, also 500, der 2000 Geburten aus. „Wir werden mehr Nachfrage erleben, natürlich wird das Schwierigkeiten bringen“, sagt der Gynäkologe. Es werde Trubel einkehren, enger werden. Sorgen mache ihm das nicht, in den vergangenen Jahren seien die Geburtenzahlen bei ihnen stetig gestiegen. Als Klinik für Beckenendlage-Geburten sei man bekannt, auch aus Bayern kämen Patientinnen. „Weitere Steigerungen sind möglich“, sagt Schütt. Nur müsste man räumlich und personell erweitern – personell sei das schneller möglich.

St. Anna-Klinik kritisiert hohe Haftpflicht

Die St. Anna-Klinik müsste nicht anbauen, sollten mehr Schwangere kommen. Von den räumlichen Kapazitäten her könnte sie mehr Geburten bewältigen. „Da sind gewisse Möglichkeiten gegeben“, sagt Klinik-Geschäftsführer Michael Hinderer. 2017 habe man 950 Geburten gehabt, in früheren Zeiten seien aber auch schon 1200 Patientinnen betreut worden. Aber, das sei auch klar, das Personal müsste entsprechend aufgestockt werden. Ob die derzeit am Haus tätigen Belegärzte mehr Geburten übernehmen könnten, müsse man diese fragen.

Hinderer fordert eine bessere Honorierung der belegärztlichen Geburtshilfe, auch in Sachen Haftpflicht müsse sich „politisch etwas bewegen, damit sich das ändert“, sagt er. Welcher Belegarzt könnte eine Haftpflichtprämie von 70 000 Euro zahlen? Einen Teil übernähmen sie als Träger, so ist es auch bei den Belegärzten vom Charlottenhaus geregelt, wo das RBK (noch) zwei Drittel der Haftpflicht übernimmt.