Der Fall der Stuttgarterin, die nach einer Amputation im Pflegeheim gelandet ist, hat viele Reaktionen ausgelöst– die Betroffene ist überwältigt und fühlt sich nicht mehr ganz so allein mit ihrem Schicksal. Erfüllt sich jetzt noch ein großer Wunsch?

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Das Leben hat es in den vergangenen Monaten nicht gut gemeint mit Sonja Werner, die nach einer Amputation ihres Unterschenkels in ein Pflegeheim gekommen ist. Die Stuttgarterin, die keine Angehörigen hat, hatte niemanden als Unterstützung an ihrer Seite. Doch jetzt fühlt sie sich nicht mehr ganz so allein. Nachdem unsere Zeitung über ihren Fall geschrieben hat, haben sich gleich mehrere Leserinnen bei ihr gemeldet. Eine Dame aus Plieningen hat angeboten, Besorgungen für die 63-Jährige zu erledigen. Denn das Pflegeheim der Bruderhaus Diakonie, in dem Sonja Werner untergekommen ist, liegt auf dem Berg, die Steigung ist enorm. Bisher musste sie für jede Kleinigkeit Pflegekräfte bitten, dass sie ihr diese mitbringen. „Ich mache das gerne, ich habe einen Hund und muss ohnehin jeden Tag raus“, sagt die Leserin, die anonym bleiben will.

 

Der Fall der Rollstuhlfahrerin hat sie sehr aufgewühlt – vor allem, dass das Versorgungsamt nicht schneller in Sachen Schwerbehindertenausweis entscheidet, kann die Leserin nicht verstehen. Auf vier bis sechs Monate Bearbeitungszeit müsse sie sich einstellen, war Sonja Werner vom Versorgungsamt mitgeteilt worden. Und bevor ihre Gehbehinderung offiziell festgestellt ist, erhält sie keine Gutscheine für Fahrdienste. „Was gibt es da zu entscheiden angesichts einer Amputation“, fragt sich die Leserin empört.

Am liebsten würde sie im Mehrgenerationenhaus leben

Dorothee Zopp, eine Leserin aus Stuttgart-Hofen, hat Sonja Werner ebenfalls im Pflegeheim besucht. „Ich kenne andere Einrichtungen, ich bin schockiert“, sagt sie, die Unterbringung sei lieblos, kritisiert sie und nennt ein Beispiel: Eigentlich hätte das Zimmer einen direkten Zugang zur Terrasse. Doch der ist nicht barrierefrei, und Sonja Werner sitzt bekanntlich im Rollstuhl. Diese sei eine so fitte Frau, die längst woanders untergebracht hätte werden müssen, meint Dorothee Zopp. Sie hat Sonja Werner angeboten, sie zum Arzt nach Bad Cannstatt zu fahren, da eine dringende Untersuchung ansteht.

Und auch am Donnerstag will sie ihr „Taxi“ sein: Der Vermittlung einer weiteren Leserin ist es zu verdanken, dass Sonja Werner ein Wohnangebot für einen Platz in einem Mehrgenerationenhaus in Stuttgart vorliegt – der „größte Wunsch“ der 63-Jährigen könnte sich also erfüllen.

Auch der Vermieter hat sich gemeldet

Sonja Werner selbst ist ganz „überwältigt“ von der Unterstützung und der plötzlich positiven Entwicklung. Inzwischen war auch der Medizinische Dienst der Krankenkasse bei ihr wegen ihres Widerspruchs bei der Einstufung in Pflegegrad 2. Ab Pflegegrad 3 hätte sie Anspruch auf einen Fahrdienst zum Arzt. Auch das wäre eine Erleichterung für sie.

Und was sie ebenfalls glücklich gemacht hat: Ihr alter Vermieter hat sich gemeldet – ebenfalls mit einer guten Nachricht. Sie dürfe den Raum, in dem ihre Sachen eingelagert sind, bis zum 31. Mai 2020 nutzen – kostenlos, teilte ihr der Bau & Wohnungsverein Stuttgart mit. Ihre Kaution wird doch nicht verrechnet. Und ihr Eigentum ist erst mal gesichert. „Das ist mir ganz wichtig“, sagt sie.

Am Telefon Zuspruch gegeben

Auch eine 71-jährige Leserin hat sich bei gemeldet. Mit Taten kann die Stuttgarterin, die die Lungenkrankheit COPD hat, Sonja Werner nicht unterstützen, aber mit Worten. Sie kann ihre Wohnung ebenfalls nicht verlassen. Der Sauerstoff sei zu schwer, um ihn zu tragen. „Mein Hausarzt kommt nicht zu mir“, erzählt die Frau, sie selbst schaffe die Treppen zum Arzt nicht. Eine Nachbarschaftshelferin hole für sie die Verschreibungen ab. Als sie einmal krank war, habe sie sich aus Verzweiflung ins Krankenhaus einweisen lassen, erzählt die Rentnerin. Immerhin, sie könne zu Hause wohnen. Im Vergleich zu Frau Werner habe sie es da noch besser getroffen.