Die Pläne zur Schulentwicklung lösen gemischte Gefühle aus. Städtetag, Lehrergewerkschaft und Wirtschaft reagieren größtenteils positiv – einige Details müssen aber noch geklärt werden.

Stuttgart - Roger Kehle ist nicht zufrieden. „Wir tragen die 40 nicht mit. Die Forderung nach stabiler Zweizügigkeit hätte gereicht“, kommentiert der Präsident des Gemeindetags noch im Landtag die Regierungserklärung des Kultusministers. Er ist überzeugt, für die Forderung von 40 Schülern in den Eingangsklassen bekäme Stoch keine parlamentarische Mehrheit, und klagt, die Regierung selbst habe diese Marge unterlaufen und kleinere Gemeinschaftsschulen genehmigt. Kehle ist jetzt „gespannt, was das für die Genehmigung weiterer Gemeinschaftsschulen bedeutet“. Auch der Zeithorizont ist dem Vertreter der kleineren Gemeinden unklar. Man werde aufzeigen, dass die 40 falsch seien, kündigte Kehle an. Dennoch träten „Bürgermeister aller Couleur für die regionale Schulentwicklung ein“.

 

Konflikte um Schulstandorte können nicht verhindert werden

Der Städtetag hingegen sieht seine Kernforderungen erfüllt. Damit sei ein „gutes Fundament“ für das weitere gemeinschaftliche Vorgehen von Land und Kommunen bei der „Bewältigung dieser großen Herausforderung“ geschaffen, berichtet Stefan Gläser, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Kommunalverbands in einem Rundschreiben an die 181 Mitgliedstädte. Die regionale Schulentwicklung könne Konflikte um Schulstandorte nicht verhindern, schätzt Gläser die Lage realistisch ein. Sie müsse deshalb „durch klare Rahmenbedingungen und Verfahren“ den Weg für „allseits akzeptable Lösungen“ bereiten. Dazu zählt für Gläser auch die Chance, dass durch Schulschließungen frei werdende Gebäude für den Ausbau der Ganztagsangebote an Grundschulen genutzt werden könnten, aber auch für Musikschulen, Tagespflege oder Sozialstationen.

Die Gewerkschaft GEW begrüßt den ersten Schritt der Regierung zu einer Schulentwicklung „nach 40 Jahren des Stillstands“. Den Abgeordneten von CDU und FDP habe dazu der Mut gefehlt. Jetzt brauche es „mutige Landtagsabgeordnete, die bereit sind, tragfähige Entscheidungen in ihren Wahlkreisen zu vertreten“, sagt die GEW-Vorsitzende Doro Moritz. Sie mahnt, die Schulentwicklung dürfe kein Hauptschulschließungsprogramm sein. Trotz des dramatischen Schülerrückgangs brauche es eine Konzeption, die den verbliebenen Schülern an Haupt- und Werkrealschulen gute schulische Bildung sichere. Moritz fordert ein Konzept für die 13 000 Lehrer an Haupt- und Werkrealschulen. „Wenn Klassen wegfallen und Schulen geschlossen werden, brauchen die Lehrer eine klare Arbeitsplatzperspektive, Unterstützung und Aufstiegsmöglichkeiten“, sagte Moritz. Auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE) sorgt sich um die Hauptschullehrer, deren Schulen geschlossen werden. Deren Zukunft wie auch die der pädagogischen Assistenten müsse rasch geklärt werden, fordert VBE-Chef Gerhard Brand.

Wirtschaft stimmt den Plänen grundsätzlich zu

Grundsätzliche Zustimmung kommt von der Wirtschaft. Die Industrie- und Handelskammern halten es angesichts der Haushaltslage des Landes und der demografischen Entwicklung für „notwendig und richtig, die personellen und räumlichen Kapazitäten der Schulen dem Bedarf anzupassen“, sagte der Hauptgeschäftsführer der IHK Region Stuttgart, Andreas Richter. Allerdings sei zu befürchten, dass immer mehr junge Menschen nur das Abitur im Blick hätten. Auch für den Landeshandwerkspräsidenten Joachim Möhrle ist die Schulentwicklung „längst überfällig“. Er befürwortet die Weiterentwicklung zum Zweisäulensystem, da die Gemeinschaftsschule einen wichtigen Beitrag für wohnortnahe Schulangebote bieten könne. Für das Handwerk sei entscheidend, dass im ländlichen Raum alle Bildungsabschlüsse erreichbar blieben.